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Evolution: Aus der Not gewebt

Die Entwicklung ähnlicher Netze durch unterschiedliche Spinnenarten belebt die Debatte um Zufall und Notwendigkeit in der Evolution: Ist sie etwa leichter vorhersehbar als gedacht?

Nach der Lehrmeinung von Biologen ist der Gang der Stammesgeschichte selten berechenbar oder zwangsläufig. Der Harvard-Professor Stephen Jay Gould drückte diese allgemeine Überzeugung plastisch aus: Könnte man die Geschichte des Lebens zurückspulen und neu ablaufen lassen, so wäre die Chance, dass diese sich wiederholt, praktisch gleich null. Eine völlig neue Lebenswelt würde entstehen, mit Wesen, die sich gänzlich anders verhalten.

Erkenntnisse der kalifornischen Biologen Todd Blackledge und Rosemary Gillespie zur Evolution von Spinnennetzen scheinen nun zu zeigen, dass sich der Gang der Evolution doch etwas besser vorhersagen lässt als weithin angenommen. Die Forscher studierten Netze von Spinnenarten der Gattung Tetragnatha auf mehreren Hawaii-Inseln. Diese vulkanischen Inseln sind nicht älter als fünf Millionen Jahre und somit ausnehmend junge "Labore der Evolution". Die einzelnen Spinnenarten bauen recht unterschiedliche Netze, von Fadengewirren über trampolinartige Gewebe bis zu senkrecht aufgehängten Radnetzen. Doch verschiedene Arten auf unterschiedlichen Inseln konstruieren auch oft frappant ähnliche Netze, die sich bis in kleinste Einzelheiten gleichen: etwa hinsichtlich der Zahl der Speichen oder der Länge und des Arrangements der Klebspirale. Mit diesen Netzen fangen sie jeweils auch gleichartige Beute-Insekten.

Mit DNS-Untersuchungen konnten die Forscher zeigen, dass die Erbauer ähnlicher Netze keineswegs eng verwandt waren. Die Netze glichen einander also nicht deswegen, weil ein gemeinsamer Vorfahr bereits solche Gewebe konstruiert hatte. Schlussfolgerung der Wissenschaftler: Die Spinnen haben ihre ähnlichen Netze auf den verschiedenen Inseln aufgrund gleichartiger ökologischer Bedingungen und unabhängig voneinander entwickelt.

Bislang entdeckte Beispiele für diese so genannte konvergente Evolution stimmen oft nur im Prinzip, aber nicht im Detail überein - etwa die Entwicklung der Augen sowohl bei Fliegen als auch anderen Tieren. Oder sie lassen sich auf vergleichsweise leicht verständliche Umweltbedingungen zurückführen - wie die Entwicklung von Flossen bei Fischen und Meeressäugern. Todd Blackledge und Rosemary Gillespie arbeiten nun daran, das komplexe Zusammenspiel der Faktoren zu erforschen, das die Evolution der Netze so weitgehend bestimmen kann.

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