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5. September 2006

Ein weiteres Regenwaldgebiet soll kartiert werden. Doch im Dickicht des Dschungels verläuft sich die Gruppe. Es wird dunkel und die ersten Giftspinnen kriechen aus ihren Verstecken

Inhaltsverzeichnis

Ich habe hier in Ecuador ja wirklich schon einiges erlebt, aber die letzte Woche schlägt meine kühnsten Erwartungen. Wie bereits erwähnt besitzt die Comunidad Río Blanco ein weiteres Regenwaldgebiet. Nach meiner Arbeit in Río Blanco wollten wir dort ebenfalls GPS-Punkte nehmen. Man erzählte mir , was mich dort erwarten würde: unberührter Regenwald, übernachten unter Plastikplanen und viele wilde Tiere. Diese Erwartungen bewogen auch Voluntär Jeff aus Amerika an diesem Tripp ins das Herz Amazoniens teilzunehmen.

Kartierungsarbeiten im Regenwald
Kartierungsarbeiten im Regenwald
© Jeff Mecredy

Der Tag des Wartens

Am Sonntag, pünktlich um zwei Uhr nachmittags, standen wir mit gepackten Rucksäcken vor dem Kallari-Büro, wo wir uns, für weitere Reiseplanungen und nötige Einkäufe und natürlich für die baldige Abfahrt, treffen wollten. Es wurde fünf Uhr, bis endlich jemand auftauchte. Der letzte traf gegen sechs Uhr ein, so dass wir am Ende 14 Leute waren. Als wir alles besprochen hatten, kauften wir Tickets für den Nachtbus nach Loreto, der um 3:30 Uhr losfahren sollte. Ein ganzer Tag ging mit Warten vorbei. Ja, das ist Ecuador!

Eine "Ranchera": ein Lastwagen, der zu einem Bus umgebaut ist
Eine "Ranchera": ein Lastwagen, der zu einem Bus umgebaut ist
© Torsten Lubenow

Der Bus fuhr pünktlich los und wir kamen fünf Stunden später in Loreto an. Von dort nahmen wir zwei Stunden später eine "Ranchera" (ein Lastwagen, der zu einem Bus umgebaut ist) nach Runallacta - eine Kichwa Comunidad, in der einige meiner Begleiter Verwandtschaft hatten. Diese hatten sie zum Teil mehrere Jahre nicht gesehen. Leider war unsere "Ranchera" total überfüllt, so dass wir nur noch auf dem Dach Platz fanden. Dort wurden wir etwa eine Stunde gehörig durchgeschaukelt, von tief hängen Ästen durchgepeitscht und hatten Probleme, uns festzuhalten. Trotzdem kamen wir ohne bleibende Schäden an unserem Tagesziel, der Comunidad Runallacta, an, wo wir nur noch mit einem kleinen wackeligen Kanu den Fluss Huataraco überqueren mussten.

Nach der zweiten Flussbiegung war Schluss

Am nächsten Tag ging es mit dem Kanu auf dem Río Huataraco in den so genannten "Bloque dos" (zweiten Block) von Río Blanco. Doch bereits nach der zweiten Flussbiegung war unsere Fahrt vorbei. Die Schnur für den Anlasser riss nach einigen erfolglosen Versuchen, den abgesoffenen Motor wieder zum Laufen zu bringen. Also trieb ein Teil unserer Gruppe, der Strömung folgend wieder nach Runallacta zurück, um dort Werkzeug zu holen. Etwa zwei Stunden später, die wir Zurückgebliebenen auf einer kleinen Flussinsel unter der gleißenden Äquatorsonne verbrachten, hörten wir von Weitem das Knattern des Außenborders und konnten somit bald weiterfahren. Einige Male hielten wir unterwegs an, um GPS-Punkte zu nehmen und erreichten nach einigen Stunden eine Stelle, an der unser Camp entstehen sollte.

Nach einem Bootsschaden sind die Insassen auf einer Insel im Fluss gestrandet
Nach einem Bootsschaden sind die Insassen auf einer Insel im Fluss gestrandet
© Torsten Lubenow
Kind in Runallacta
Kind in Runallacta
© Torsten Lubenow

Dafür hatten wir in Loreto eine etwa zwölf Meter lange und drei Meter breite schwarze Plastikplane gekauft, aus der nun ein Zelt entstehen sollte. Ich war gespannt. Einige Meter vom Ufer entfernt, fing man an mit der Machete ein etwa 40 Quadratmeter großes Stück Wald für unser Lager abzuholzen. Eine Stunde später stand unser Zelt aus Plastikplane und Bambusstangen. Einige Meter weiter stand eine abbruchreife, unbewohnte Hütte. Wir nutzten die Wandbretter und die einzige Tür der Hütte, um provisorische Pritschen zu bauen. Da einige aus unserer Gruppe bereits in Runallacta angefangen haben "veinticinco" zu trinken, war an weitere Arbeit nicht zu denken.

Im Dschungel verirrt

Nach einer sehr ungemütlichen Nacht auf Holzbrettern im Schlafsack unter einem Mosquitonetz, ging es am nächsten Morgen relativ früh in den Wald. Es hörte nicht auf zu regnen, weshalb wir uns Müllsäcke überzogen, um nicht völlig zu durchnässen, was nur in der ersten Stunde half. Es mussten einige Punkte im dichten Dschungel gefunden werden. Doch schon bald wussten meine Begleiter nicht mehr, wo sie waren, und hatten ihre Schwierigkeiten sich im Wald zurechtzufinden. Der letzte Besuch in ihrem fast 1000 Hektar großem "Zweitgebiet" lag gut fünf Jahre zurück.

Seitdem hat sich allerdings einiges verändert. In der Zwischenzeit haben die Nachbargemeinden den Wald als ihr Jagdrevier in Beschlag genommen, weshalb es viel mehr Trampelpfade gab als zuvor. Doch nicht nur das: Von den "versprochenen" vielen wilden Tieren war wegen der andauernden Jagd außer einigen Fährten nichts zu sehen. Ebenfalls musste bereits der ein oder andere Urwaldriese dran glauben, was einige große Waldlichtungen und Bretterüberreste belegten, ohne dass dies zuvor mit den Eigentümern des Gebietes, den Río Blancos, besprochen wurde.

Sich mit Taschenlampen auf den Heimweg machen

Wir drangen so tief in den Dschungel ein, dass leichte Panik kam in mir auf, als ich auf die Uhr schaute und bemerkte, dass uns für den Rückweg nur noch gute zwei Stunden Tageslicht blieben. Meine Begleiter waren sich aber sicher, für den Rückweg einen alten Trampelpfad wieder zu finden, der durch weniger unwegsames Gelände führen sollte und uns viel schneller zum Camp zurückbringt. Unglücklicherweise fand man den Pfad nicht und wenig später fragte man nach Taschenlampen. Zwei von 14 Leuten hatten tatsächlich Lampen dabei, wobei eine der Lampen eher eine Schlüsselleuchte war.

Mit Giftspinnen in der Dunkelheit

So begann unsere Stolpertour zurück zum Lager. Einige Male mussten wir in völliger Dunkelheit stehen bleiben, während die mit den Lampen bewaffneten Leute eifrig versuchten einen Weg ausfindig zu machen. Jener führte uns über glitschigste Abhänge. Also klammerten wir uns an allem, was greifbar war, immer mit der Angst aus versehen an eine Giftschlange oder eine Palme mit Stacheln zu fassen, was glücklicherweise nicht geschah. Glücklicherweise fanden meine Guides jenen Weg wieder, den wir auf dem Hinweg durch den Wald geschlagen hatten, wieder. Als Wegweiser genügten ihnen einige umgeknickte Blätter und Äste, die ich selbst bei hellstem Tageslicht nicht als Weg hätte ausmachen können.

Dennoch mussten wir einige Male wieder umkehren. Wir waren zu dem Zeitpunkt etwa zwölf Stunden auf den Beinen und schon sehr geschafft und vor allem durstig. Die einzigen, die gekochtes Wasser mit auf den Weg genommen hatten, waren Jeff und ich. Nach der Hälfte des Tages standen wir bereits ohne Wasser da. Um ehrlich zu sein glaubte ich nicht mehr daran, dass wir tatsächlich noch unser Lager erreichen würden, doch nach zwei stolperigen Stunden standen wir auf einmal direkt davor und konnten unser Glück kaum fassen. Dort tranken wir sofort das gesamte verfügbare abgekochte Wasser aus. Nach einer solchen Strapaze kommt einem eine Pritsche aus Holzbrettern wie das Bett eines fünf Sterne Luxushotels vor.

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