
Sie sind schon vor Jahren in Verruf geraten: Insektizide aus der Gruppe der Neonicotinoide. Die Pflanzenschutzmittel, so mahnen Umweltschützer, Bienenzüchter und Imker, vergiften auch Honigbienen, die für die Bestäubung von Nutzpflanzen unerlässlich sind. Die Produkte von Dow Chemical, Bayer, Syngenta und anderen Herstellern seien für das rätselhafte Bienensterben, dem in den Wintermonaten ganze Bienenvölker zum Opfer fallen, mitverantwortlich.
Im Jahr 2013 reagierte die EU-Kommission - und verhängte ein Moratorium für drei Neonicotinoide, Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam. Ein weiteres Mittel, Fipronil, wurde teilweise verboten.
Nun sorgt eine Nachricht aus den USA für neuen Zündstoff. Ein US-Berufungsgericht hat am 10. September entschieden, dass das Insektizid Sulfoxaflor des Herstellers Dow Agrosciences nie hätte zugelassen werden dürfen - weil die Nachweise fehlten, dass das Mittel für Bienen unschädlich ist.
Das Pikante daran: Das Insektizid, das als Neonicotinoid der vierten Generation gilt, wurde in der EU im Juli 2015 von der Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der EU-Kommission (DG Santé) für die Dauer von zehn Jahren zugelassen. Und das, obwohl die Schädlichkeit der Neonicotinoide für Honigbienen inzwischen nachgewiesen ist. Die EU-Gesundheitsbehörde EFSA hatte schon 2014 gewarnt, dass Sulfoxaflor "hoch giftig" für Bienen sei und dass die mangelhafte Datenlage eine angemessene Risikoeinschätzung unmöglich mache. "Irrational und illegal" nennt darum das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN) Europe das Vorgehen von DG Santé in einer Presseerklärung.
In einem offenen Brief kritisieren PAN Europe und Greenpeace nun den zuständigen Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Vytenis Andriukaitis. Und drängen darauf, seinerseits die erforderlichen Unbedenklichkeits-Nachweise unverzüglich vom Hersteller einzufordern.
"Diese Kehrtwende ist nicht akzeptabel", erklärt Martin Dermine von PAN Europe - und spricht von einem "schweren Rückschlag" für die Bienen und die Umwelt. "Wir sehen hier Parallelen zu anderen negativen Entwicklungen auf dem Gebiet der Pestizide seit Bildung der wirtschaftsfreundlichen Juncker-Kommission."
Nun wird sich der Europäische Gerichtshof mit der Sache befassen.