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Weniger Öl, mehr Regionales

Die Bewegung kommt aus England und plant Weltbewegendes. Ihr Ziel: ein schneller Abschied vom Erdöl und Rückbesinnung auf lokale Wirtschaftskreisläufe - auf die sanfte Art. Erste deutsche Initiativen haben sich dem "Transition"-Netzwerk angeschlossen

"Erdöl - nur noch begrenzt vorrätig!!! 10 ml 2,- Euro", warnt das Plakat. Aktivisten aus Bielefeld verkaufen die Apotheken-Ampullen, in die sie schwarzes, etwas zähflüssiges Rohöl gefüllt haben. Die Mini-Dosis soll Bewusstsein wecken für den Wert der Ressource, deren Verschwendung noch zum guten Ton gehört. Bisher verbraucht die Welt Tag für Tag 86 Millionen Barrel Öl, 13 Milliarden Liter. Seit Jahren warnen Politiker, Ökonomen und Wissenschaftler, wie gefährlich die Abhängigkeit vom Erdöl ist, wie wichtig es wäre, sich unabhängig zu machen von fossiler Energie. Doch Erfolge lassen auf sich warten. Was tun, um den notwendigen Wandel zu beschleunigen? Kommunale Bürger-Initiativen, die sich "Transition Towns" nennen, gehen neue Wege; die ersten Gruppen sind inzwischen auch in Deutschland aktiv.

Weniger Öl, mehr Regionales
© Transition Town Bielefeld

Wir müssen unser Leben ändern

"Der Peak Oil, der Zeitpunkt der maximalen Erdölfördermenge, ist wahrscheinlich schon überschritten, die Ressourcen werden knapper", sagt Gerd Wessling, "Transportwege und Konsum werden sich verändern, unser Lebensstil wird sich drastisch wandeln". Der 44-Jährige sieht darin keine Bedrohung, sondern "die Chance, unsere Lebensqualität zu erhöhen". Als Beitrag zur "Energie- und Kulturwende" hat er die Transition-Initiative in Bielefeld mitgegründet. Den Beteiligten liegt nicht nur an einem technischen Umbau der Energieversorgung in Richtung Wind- und Solarstrom. Wie die Vorbilder in England wollen die Bielefelder ökologisches Engagement mit Praxis verbinden: der neuen Lust am Gärtnern, am Selbermachen, am Radfahren und Wandern, am "guten" Leben, das sich nicht nur am Materiellen orientiert.

Weniger Öl, mehr Regionales
© TransitionTown Friedrichshain-Kreuzberg

Gerd Wessling ist Diplomphysiker und arbeitet als Selbständiger im IT-Bereich. In der Gruppe engagieren sich viele, die nie einem Naturschutzverband oder einer Partei beitreten würden. "Aber mal in der Erde buddeln - dafür gibt es bei Büromenschen ein dringendes Bedürfnis", sagt einer der Mitstreiter.

Drei "offizielle" Initiativen der inzwischen weltumspannenden Bewegung existieren inzwischen in Deutschland. Neben Bielefeld sind es Witzenhausen in Nordost-Hessen und Berlin Friedrichshain-Kreuzberg.

Neue Bewegung, alte Ideen

Gab es nicht all diese Ideen schon, als Anfang der 1990er Jahre die Gruppen der "Lokalen Agenda 21" gegründet wurden? Tatsächlich ähneln sich die Ziele: dezentrale Energieversorgung, Ernährung aus regionalen Quellen, die Förderung der Selbstversorgung, eine Kultur, die das Zusammengehörigkeitsgefühl stärkt, eine Gesundheitsvorsorge, die auch Methoden jenseits der Schulmedizin einbezieht.

Die neuen Gruppen sehen sich nicht als Konkurrenz zu früheren Initiativen, sondern als Bereicherung. Jeder kann und soll seine Talente einbringen. Organisationsgenies, die Filmabende auf die Beine stellen können, sind genauso gefragt wie Psychologinnen, die Diskussionen moderieren, und Großeltern, die der Enkel-Generation Stricken und Tischlern beibringen. Und wer vorhat, eine neue Transition-Gruppe in der eigenen Kommune zu gründen, bekommt Hilfe von den Vorgängern: Nach dem Schneeballprinzip geben diejenigen, die schon Erfahrung haben, ihre Erkenntnisse in Trainings-Workshops an Neulinge weiter.

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