Man hört oft, die europäische Klimapolitik sei zu zögerlich. Sie hingegen prognostizieren, dass die Klimaziele bis 2020 sogar noch übertroffen werden können: 22 Prozent Reduktion statt 20 Prozent gegenüber 1990 ... Dr. Wolfgang Schade: Optimistisch sind wir zumindest in der Hinsicht, dass die aktuell gültigen Ziele erreicht werden: 20 Prozent Reduktion bis 2020. Außerdem haben wir festgestellt, dass man auch im Verkehrsbereich Reduktionen erreichen kann. Das wurde vor wenigen Jahren noch bestritten. Wenn das Ziel allerdings etwas ehrgeiziger wäre, sagen wir 30 Prozent bis 2020, dann wären zusätzliche Maßnahmen nötig.

Worauf führen Sie den Erfolg zurück?
Im Bereich Verkehr bringen die CO2-Grenzwerte den größten Reduktionsbeitrag. Die Grenzwerte für neue PKW sind ja schon zwei Jahre in Kraft, die für leichte Lieferwagen sind zumindest in Planung.
In Ihre Untersuchungen ist erstmals auch die Rolle der Wirtschaftskrise 2008/2009 eingeflossen ...
Gegenüber einem Szenario ohne Krise werden wir beim Bruttoinlandsprodukt bis zum Jahr 2020 einen Verlust von sechs Prozent haben, bis 2030 sogar acht Prozent. Da das Wirtschaftswachstum auch die Energienachfrage bestimmt, werden wir allein durch diesen wirtschaftlichen Einbruch eine Reduktion der Treibhausgasemissionen erreichen.

Mit welchem Anteil an der Gesamtreduktion?
In unseren Szenarien sind das rund ein Viertel der Einsparungen im Energiesystem und rund ein Fünftel im Verkehr ...
... die damit kein Ergebnis des eigentlichen Klimaschutzes sind. Können sich die Regierungen auf ihren Erfolgen ausruhen?
Sicherlich nicht. Wir haben darauf hingewiesen, dass nach 2020 noch viele Maßnahmen notwendig werden, um die Ziele für 2030 zu erreichen. Wir haben unsere Szenarios abgeglichen mit dem allgemein anerkannten Ziel, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 Prozent zu reduzieren. Dabei haben wir festgestellt, dass wir bis 2030 im Verkehrsbereich rund 30 Prozent Reduktion erreichen müssten, und insgesamt 45 Prozent. Wir landen aber mit den berücksichtigten Maßnahmen gerade mal bei zwölf beziehungsweise 31 Prozent. Darum haben wir zum Beispiel verschärfte Grenzwerte für Neuwagen vorgeschlagen. Die müssten bis 2015 beschlossen werden, weil die Unternehmen Vorlauf brauchen, um die erforderlichen Effizienztechnologien zu entwickeln und auf den Markt zu bringen.
Wo sehen Sie das größte Einsparungspotenzial bei der Mobilität?
Neben der Effizienzstrategie mit CO2-Grenzwerten sollten die verschiedenen Fortbewegungsarten im Personenverkehr, vor allem in den Städten, viel besser verknüpft werden. Also etwa ein Fahrrad-Sharing-System, mit einem Car-Sharing-System und dem öffentlichen Verkehr. Im Stadtverkehr würden so viel weniger und kleinere Autos benutzt werden. Da liegt ein großes Einsparpotenzial.
Die deutsche Regierung will die Laufzeiten von Kernkraftwerken verlängern. Kritiker sagen, das bremse den Ausbau der erneuerbaren Energien. Ist das in Ihre Untersuchungen eingeflossen?
Wir haben in unserem Szenario den Politikstand von 2008/2009 aufgegriffen - mit dem Ausstiegsbeschluss. Ich sehe es aber auch so, dass die Laufzeitenverlängerung sich nachteilig auf die Entwicklung der Erneuerbaren auswirkt. Und die leisten ja in unserem Szenario einen wichtigen Beitrag für die Treibhausgas-Reduktion.
Kritiker sagen, im Vergleich zu den Emissionen weltweit, besonders aus aufstrebenden Staaten wie China, sei es fast egal, wie sehr wir uns in Europa beim Klimaschutz anstrengen ...
Die EU muss auf jeden Fall ihren Beitrag leisten. Und zumindest wirtschaftlich hat sie in den letzten Jahren davon profitiert, dass sie in der Entwicklung neuer Energieeffizienztechnologien oder erneuerbaren Energien vorangegangen ist. Denn das sind Technologien, die jetzt verkauft und exportiert werden. Der zweite Vorteil: Unsere Abhängigkeit vom Öl wird geringer. Das ist umso wichtiger, als wir in den kommenden Jahren akute Engpässe erwarten.
Ist das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, noch erreichbar?
Ich denke, das wird schwierig.
Was tun Sie selbst, um Ihren carbon footprint klein zu halten?
Ich fahre sehr viel Fahrrad. Zur Arbeit komme ich teils mit der Bahn, teils mit dem Rad. Beruflich bin ich auch viel unterwegs und sofern die Strecken es zulassen, verzichte ich auf das Fliegen und fahre Bahn. Zuhause haben wir schon lange Ökostrom, und wenn wir ein neues Elektrogerät kaufen, dann eines aus der A++-Klasse, also ein besonders energieeffizientes Gerät.
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