Inhaltsverzeichnis
„Ihr könnt noch so laut schreien, aber eins ist klar: Hamburg ist europäische Umwelthauptstadt!“, sagte Hamburgs Oberbürgermeister Ahlhaus während seiner Rede zum Bürgerauftakt für das Jahr der Umwelthauptstadt. Der offizielle Startschuss am 14. Januar wurde von Pfiffen und „Umwelthauptstadt pfui“-Rufen begleitet. In den Augen der Protestler hat die Stadt den Titel nicht verdient.
Grüne Metropole am Wasser?
Doch was sind die Fakten? In Hamburg, der „grünen“ Metropole am Wasser, sind immerhin neun Prozent der gesamten Stadtfläche wirklich grün. Dazu zählen beispielsweise Stadtparks, Schrebergärten und Spielplätze. 89 Prozent der hamburgischen Bevölkerung leben höchstens 300 Meter von einer solchen Grünfläche entfernt. Zusätzlich gibt es in Hamburg 29 Naturschutzgebiete, die etwa 20 Prozent der Gesamtfläche der Stadt entsprechen. Dieser Flächenanteil soll in Zukunft auf 30 Prozent erweitert werden.
Der Haken dabei: In ihrer Bewerbung warfen die Hamburger auch den Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer in die Waagschale. Der liegt allerdings 12,5 Kilometer vor Cuxhaven im Mündungsgebiet der Elbe. Mit dem Auto wäre man als Hamburger etwa zweieinhalb Stunden dorthin unterwegs. Mit dem Zug – als klimabewusster Bürger – immerhin noch knapp zwei Stunden.

Hohe pro-Kopf-Emissionen
Besonders gefielen der Europäischen Kommission der lokale Kampf gegen den Klimawandel und das Müllentsorgungskonzept Hamburgs. In diesen Kategorien konnte die Hansestadt sich gegen sämtliche Mitbewerber durchsetzen. Bemerkenswert in einer Stadt, in der 2012 Moorburg, eines der größten Steinkohlekraftwerke Europas, ans Netz gehen soll. Mit einer Bruttoleistung von 1654 Megawatt und einem jährlichen CO2-Austoß von mehr als acht Millionen Tonnen wird es die Umweltbilanz der Stadt vermiesen.
Dabei war Hamburg in puncto Emissionen auf einem guten Weg: Zwischen 1990 und 2006 wurden die Treibhausgas-Emissionen in Hamburg um 14 Prozent reduziert. Die Europäische Umweltkommission attestierte Hamburg dennoch eine hohe Pro-Kopf-Emissionsrate. Außerdem würden Transportmittel hohe Emissionen verursachen. Dafür habe Hamburg allerdings ein hohes Budget für die Umsetzung seiner Klimaverbesserungen in der Zukunft.
Inkonsequent in der Durchführung
Pünktlich zum Jahr der Umwelthauptstadt wurde das neue Müllentsorgungskonzept in der Hansestadt eingeführt. Gemerkt hat davon jedoch kaum jemand etwas. Zwar ist es ab jetzt allen Haushalten möglich, das Vier-Tonnen-System zu benutzen. Ob Vermieter eine Bio-Tonne oder eine Wertstofftonne bereitstellen, ist ihnen allerdings selbst überlassen. Die Konsequenz: In den meisten hamburger Haushalten landet schlussendlich alles in einer Tonne.
Auch die Möglichkeiten für Fahrradfahrer und der vermehrte Fahrradverkehr im Allgemeinen wirkten sich positiv auf die Entscheidung der Jury aus. Wobei sich dieser Aspekt wohl hauptsächlich auf die 2009 eingeführten Stadträder bezieht. An 71 Leihstationen können Hamburger und Touristen insgesamt rund 1000 Fahrräder für höchstens zwölf Euro pro Tag ausleihen. Das dazugehörige komfortable Radwegsystem müsste allerdings noch geschaffen werden. Viele Radwege sind in desolatem Zustand.
Der Titel als Herausforderung
Pläne, Visionen, Versprechungen: Der Titel „Umwelthauptstadt Europas“ scheint für Hamburg vor allem auf Zukünftigem zu beruhen. Neben dem Ausbau der Fahrradrouten hat Hamburg unter anderem eine Reduzierung der CO2-Emissionen auf dem Zettel. Bis 2020 sollen diese um 40 Prozent, bis 2050 um 80 Prozent heruntergeschraubt werden. Außerdem sollen regenerative Energien gefördert und effizienter genutzt werden. Der Lärmverschmutzung in der Millionenstadt soll mit dem geplanten Autobahndeckel über der A7 die Stirn geboten werden.
Als „Verpflichtung für eine bessere Umweltpolitik“ sieht Anja Hajduk den Titel. Es bleibt abzuwarten, wie erfolgreich sich Hamburg der Herausforderung stellen kann.
Eine charmante Idee
Seit 2010 ernennt die Europäische Kommission für Umwelt die „European Green Capital“. Die Idee dazu hatte der ehemalige Bürgermeister Tallinns, Jüri Ratas. Er erkannte, wie wichtig die Rolle der Städte im Kampf gegen den Klimawandel ist. Denn rund 80 Prozent aller Bürger der Europäischen Union leben in Städten und urbanen Regionen.
Der erste Titelträger, Stockholm, wurde vor allen Dingen für seine Initiativen zur Reduzierung der Lärmverschmutzung, neu gesetzten Standards für sauberes Wasser und ein neues innovatives Müllentsorgungs-System ausgezeichnet. Außerdem leben in Stockholm 95 Prozent der Bevölkerung weniger als 300 Meter entfernt von öffentlichen Grünflächen. Stockholm hat das ambitionierte Ziel, spätestens im Jahr 2050 ohne Fossile Brennstoffe auszukommen. Alle Züge und Stadtbusse werden bereits mit erneuerbaren Treibstoffen betrieben.
Die Titelträger der kommenden Jahre stehen ebenfalls schon fest. 2012 wird die baskische Stadt Vitoria-Gasteiz und 2013 das französische Nantes ausgezeichnet. Vitoria-Gasteiz vornehmlich für die Begrünung der Stadt und exzellente wassersparende Maßnahmen. In Bezug auf Nantes werden von der europäischen Kommission für Umwelt die nachhaltige Transportpolitik und die niedrigen Treibhausgas-Emissionen hervorgehoben.