1. Mit Tsunamis und Erdbeben der Stärke neun ist im deutschsprachigen Raum nicht zu rechnen. Sind Ängste hierzulande also unbegründet?
Keineswegs. Nach einer konservativen Studie der Gesellschaft für Reaktorsicherheit ist zum Beispiel kein einziges deutsches AKW gegen den Aufprall eines vollgetankten Airbus 380 so geschützt, dass eine Katastrophe ausgeschlossen werden kann. Und weil hierzulande kaum größere Erdbeben drohen, sind die Meiler auch baulich wesentlich weniger gegen Erschütterungen gewappnet als etwa in Japan - im Norden Deutschlands noch weniger als im Süden der Republik.
2. Nagasaki und Hiroshima wurden von Atombomben verstrahlt - dennoch blüht dort wieder das Leben. Warum sollte ein AKW-Unfall schlimmere Folgen haben?
Die Hiroshima-Bombe enthielt "nur" 50 Kilogramm Uran-235. Im Reaktorkern eines AKWs sind es mehrere Tonnen! Im ungünstigsten Fall einer Kernschmelze frisst sich die heiße und chemisch aggressive Schmelze durch alle Barrieren und gelangt in die Biosphäre, etwa ins Grundwasser, das dadurch für Jahrhunderte verseucht werden kann.
3. Ab welcher Dosis wird es für den Menschen gefährlich?
Die physikalische Einheit für die biologische Wirkung von Strahlen ist die sogenannte Organdosis, gemessen in "Sievert" (Sv). Angegeben werden die Werte meist in Millisievert (mSv), also tausendstel Sievert. Eine einmalige Bestrahlung von 7000 mSv oder mehr ist tödlich, 4000 mSv - etwa so stark strahlt in einer Stunde ein Brennelement 100 Jahre nach dem Abschalten des Reaktors - erzeugen schwere Strahlenkrankheiten, etwa die Hälfte der Bestrahlten stirbt an den Folgen. Die zwei Arbeiter, die in Fukushima am 24. 3. 2011 im Knöchelbereich eine Strahlung von 2000-3000 mSv aufgenommen haben, waren auf den ganzen Körper umgerechnet "nur" etwa 150-200 mSv ausgesetzt. Eine Röntgenuntersuchung belastet den Körper mit bis zu 10 mSv. Die mittlere Dosis in Deutschland durch den Tschernobyl-Unfall betrug 1986 etwa 0,11 mSv pro Jahr. Heute ist sie sehr niedrig: weniger als 0,015 mSv pro Jahr.


4. Welche besonderen Probleme bereitet der nukleare Abfall?
Abgebrannte Brennelemente sind heiß und hoch radioaktiv. Sie werden deshalb zunächst zur Abkühlung in sogenannten Abklingbecken im Kernkraftwerk für mehrere Jahre zwischengelagert. Fällt dort die Kühlung aus, wie vermutlich in Fukushima geschehen, kann es zu Bränden kommen - und zur Freisetzung großer Mengen an Radioaktivität. In einigen deutschen Reaktoren liegen die Abklingbecken außerhalb des Sicherheitsbehälters und sind deshalb bei einem Flugzeugabsturz besonders gefährdet. Bisher sind in Deutschland rund 25 000 Kubikmeter hoch radioaktiven Mülls angefallen. Ein Endlager, um diesen strahlenden und heißen Stoff über Hunderttausende von Jahren sicher aufzubewahren, gibt es bisher auf der ganzen Welt noch nicht.
5. Wer haftet im Katastrophenfall?
In Deutschland haftet der Betreiber des AKWs mit seinem ganzen Vermögen. Dabei ist jedes Kraftwerk mit 256 Millionen Euro gegen Haftpflichtschäden versichert. Ist der Schaden größer, müssen die anderen Energieversorger, die AKWs betreiben, einspringen bis zu einer Gesamtsumme von 2,5 Milliarden Euro. Das Schadenspotenzial eines katastrophalen Unfalls geht jedoch in die Größenordnung von Billionen Euro. Ein solcher Schaden ist nicht zu versichern.
6. Führt sofortiger Verzicht auf Kernkraft zu Stromengpässen?
Vorläufig ja. Zwar kommt Österreich bereits jetzt ohne Atomstrom aus eigenen Kraftwerken aus. In Deutschland aber müssten - mangels Alternativen - etwa vier bis fünf moderne Kohlekraftwerke neu gebaut werden, mit einer Leistung von jeweils etwa einem Gigawatt. Oder man müsste Strom importieren. Die acht älteren Reaktoren der insgesamt 17 deutschen Meiler können jedoch ohne Problem abgeschaltet bleiben. Beim derzeitigen Spitzenbedarf von 80 Gigawatt verbleibt immer noch ein Leistungsüberschuss von 7,9 Gigawatt.
7. Würde der Strompreis steigen bei Umstellung auf alternative Energie?
Allenfalls geringfügig - etwa wegen Investitionen in neue Netze. Und: Atomstrom ist nur deshalb so günstig, weil eine Reihe von Kosten, die etwa in der Forschung und bei der Suche nach Endlagern entstehen, auf anderen Wegen auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Was die Anbieter indes vom Kunden verlangen, berechnet sich in Deutschland nach dem "Grenzkosten- Prinzip": Stromunternehmen kassieren immer den Preis, der sich an der teuersten aktuellen Energieerzeugung orientiert! Zudem machen Steuern und Abgaben den Löwenanteil des Strompreises aus - knapp 40 Prozent -, hinzu kommen gut 21 Prozent Netzkosten.
8. Haben AKWs nicht angesichts des Klimawandels doch Vorteile gegenüber CO2-produzierenden Kohlekraftwerken?
Würde man weltweit auch nur die Hälfte aller CO2-emittierenden Brennstoffe, also Kohle, Erdöl und Erdgas, durch Kernenergie ersetzen, wären dafür 3500 zusätzliche Kernreaktoren erforderlich - zurzeit gibt es rund 440. Damit stiege das Risiko eines Super-GAUs mit Kernschmelze beträchtlich. Selbst wenn man die Wahrscheinlichkeit einer großen Katastrophe so gering einstuft wie die Gesellschaft für Reaktorsicherheit (mit lediglich einem solchen Betriebsunfall in 280 000 Jahren), käme es dann durchschnittlich alle 70 Jahre zu einer nuklearen Katastrophe.
9. Wer führt die Sicherheitsüberprüfungen während des deutschen Kernkraftmoratoriums durch?
Die Reaktorsicherheitskommission - ein Expertengremium - zusammen mit den Behörden der Bundesländer und dem Bundesumweltministerium. Die Sicherheit der deutschen AKWs solle "im Lichte der Ereignisse in Japan" überprüft werden. Was das im Einzelnen heißt, ist unklar.