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Containern Aus der Mülltonne frisch auf den Tisch

Immer mehr Menschen gehen nachts auf die Suche nach essbarem Abfall. Denn in den Müllcontainern der Supermärkte landet vieles, was noch bedenkenlos genießbar ist

Über die Hälfte aller Lebensmittel landen im Abfall - der Großteil schon bevor sie überhaupt den Kunden erreichen. So genannte Nachernteverluste betreffen derzeit fast ein Drittel aller erzeugten Lebensmittel. Sie werden weggeworfen, weil es beispielsweise an vernünftigem Transport, rechtzeitiger Verarbeitung oder Kühlung fehlt. Nach Schätzungen des WWF erzeugt die Landwirtschaft weltweit 4600 Kilokalorien pro Tag und Mensch. Davon erreichen 1400 Kalorien niemals einen Magen.

Auch in den Supermärkten wird täglich aussortiert. Gemüse, das nicht mehr schön aussieht oder Lebensmittel, deren Ablaufdatum kurz bevorsteht, könnten noch bedenkenlos verzehrt werden. Doch da die Produkte, nicht mehr den Erwartungen der Käufer entsprechen und sich schlecht verkaufen, werden sie aussortiert. Einen Großteil dieses Lebensmittel-Ausschusses schöpfen die Tafeln oder andere karitative Vereine ab.

Containern: Weggeworfen wird immer: nach der Ernte ebenso wie beim Endkunden
Weggeworfen wird immer: nach der Ernte ebenso wie beim Endkunden
© Peter Dazeley/ gettyimages
Containern: Mülltaucher tauchen zwar nicht ein in den Müll, aber zimperlich sind sie auch nicht: Viele von ihnen arbeiten zum Beispiel ohne Handschuhe
Mülltaucher tauchen zwar nicht ein in den Müll, aber zimperlich sind sie auch nicht: Viele von ihnen arbeiten zum Beispiel ohne Handschuhe
© Luke MacGregor / Reuters

Allein in Hamburg klappert die Tafel regelmäßig etwa 60 Supermärkte, Großküchen und Bäckereien ab. Hinzu kommen Reste von Cateringunternehmen, Hotels und Restaurants. Knapp dreieinhalb Tonnen Lebensmittel kommen so nach Angaben der Hamburger Tafel täglich zusammen. Doch sieben Fahrzeuge und rund 100 ehrenamtliche Mitarbeiter reichen nicht aus, um wirklich alle aussortierten Nahrungsmittel einzusammeln.

Davon profitieren die sogenannten Mülltaucher. Sie praktizieren eine besondere Form des Recyclings: Im Schutz der Dunkelheit - denn der Eigentümer des Mülls ist immer noch der Supermarkt und das Durchwühlen der Container könnte als Hausfriedensbruch geahndet werden - fahnden sie in Mülltonnen nach essbaren Resten.

Die meisten Mülltaucher sind nicht arm. In zahlreichen Foren im Internet ist man sich einig: "Warum sollten wir Geld für Essen ausgeben, wenn wir es uns einfach aus den Mülltonnen holen können?" Zusammen mit einigen anderen Mülltauchern zieht auch Stephan Clemens aus Bayern von Zeit zu Zeit los. "Was noch essbar ist, sollte auch gegessen werden", sagt er. So sind die Aktionen der Mülltaucher auch ein leiser Protest gegen die Wegwerfmentalität unserer Konsumgesellschaft. Dass das nächtliche Wühlen in Supermarkt-Mülltonnen nicht legal ist, stört die meisten Essenssammler nicht. "Ich glaube, der Image-Schaden für den Laden wäre größer als das Interesse des Unternehmens, ihr Recht durchzusetzen."

Der aus den USA stammende Trend findet in Deutschland immer mehr Anhänger. In Foren verabreden sie sich zum gemeinsamen Müllsammeln, geben Tipps für die besten Sammelplätze oder tauschen Rezepte aus.

Die hochgeladenen Bilder zeigen: Oft finden die Sammler so viel Obst, Gemüse und Brot, dass sie es alleine kaum essen könnten. Dann wird eingefroren, eingekocht und verschenkt - in der Tonne verrotten lassen wollen sie nichts.

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