Energie ist, wie in vielen anderen Entwicklungsländern, auch in Äthiopien Mangelware. Bis zu sechs Stunden sind die Bewohner ländlicher Gegenden - das sind immerhin 80 Prozent der Gesamtbevölkerung - jeden Tag unterwegs, um Brennholz zu sammeln.
Für Abhilfe soll in dem ostafrikanischen Land seit 2008 ein Nationales Biogasprogramm der Regierung sorgen. Doch das kommt nicht in Schwung. Gründe dafür gibt es viele, sagt Katrin Pütz von der Universität Hohenheim. So müssen die privaten Betreiber von Biogasanlagen mindestens vier Kühe besitzen, um ihre Anlage mit ausreichend Mist versorgen zu können. Sie müssen das notwendige Startkapital aufbringen, sind für Betrieb und Wartung der Anlage allein verantwortlich. Darüber hinaus muss das Gas täglich vor Ort verbraucht werden. Denn die Anlagen haben nur eine geringe Speicherkapazität, Gasleitungen sind in ländlichen Gegenden sehr teuer, die Kompression oder gar die Verflüssigung und Abfüllung in Flaschen wären technisch zu aufwändig und zu energieintensiv.
"Weil das Biogas nur für wenige zugänglich gemacht werden kann, verbreitet sich die Technologie nicht," sagt Agraringenieurin. Darum entwickelte sie ein neues, umfassendes Biogas-Konzept, das dem umweltfreundlichen Energieträger in Äthiopien und anderen Entwicklungsländern nun zum Durchbruch verhelfen könnte.
Wichtigster Baustein ihres Ansatzes ist ein Lowtech-Transportmittel für Gas - ein aufblasbarer Rucksack, den sie in Zusammenarbeit mit einem deutschen Unternehmen entwickelte. Der Sack fasst etwa einen Kubikmeter unkomprimiertes Gas. Das entspricht dem durchschnittlichen Energie-Tagesbedarf eines Haushalts mit einem effizienten Kocher. Leer und gefüllt wiegt der mobile Gasbehälter etwa so viel wie das Material, aus dem er besteht: drei bis vier Kilogramm. Der Rucksack ist in etwa drei bis zehn Minuten gefüllt und wird beim Endverbraucher einfach außen an der Hütte deponiert. Ins Haus gelangt das Gas über eine Schlauchleitung. Für den notwendigen Druck sorgen einfache Gewichte wie aufgelegte Bretter und Steine.


Schon in wenigen Jahren könnte so ein Handel entstehen, bei dem es nur Gewinner gibt: Die Bauern bringen, unabhängig davon, wie viele Tiere sie besitzen, den Mist oder Haushaltsabfälle zu einer nahe gelegenen Biogasanlage und erhalten dafür Geld vom Betreiber. Der erzeugt das Biogas und verkauft es wieder an die Bauern im Dorf - ebenso wie den Gärrest. Denn der ist, sagt Katrin Pütz, als Dünger sogar noch wertvoller als frischer Dung. Und er riecht auch besser.
Neben der Transportmöglichkeit kommt der effizienten Nutzung des Energieträgers in Pütz' Biogaskonzept eine besondere Bedeutung zu: Von der Reisig-Ausbeute des Tages verwenden die Bauern in Äthiopien mehr als die Hälfte, rund 60 Prozent, zum Backen von Injera, einem traditionellen Sauerteig-Pfannkuchen. Den backen die Menschen auf dem Land bisher auf einer Tonplatte mit 60 Zentimeter Duchmesser, dem mitad, über offenem Holzfeuer - und zwar extrem ineffizient, denn so können nur etwa zehn Prozent der Energie wirklich genutzt werden, erläutert Pütz. Sie entwickelte darum einen speziellen, energieschonenden Kocheraufsatz, der sich mit Biogas, aber auch über einem holzbetriebenen Ofen heizen lässt. So können die Bauern gleichzeitig Energie sparen, umweltschonende Energie nutzen - und ihre Gesundheit schonen. Denn der Rauch der Holzfeuer zieht oft stundenlang nicht aus den niedrigen Hütten ab.
Doch Gesundheits- und Umweltschutz sind nur wichtige positive Nebeneffekte. Vorrangiges Ziel ihres Konzepts sei der autarke Handel mit Biogas. "Ich will eine Energieversorgung mit den den Menschen zur Verfügung stehenden Mitteln ermöglichen. Alle Beteiligten sollen am Ende vom Handel mit Mist und Gas profitieren." - Und das ohne Subventionen, Entwicklungshilfe- oder Forschungsgelder aus Deutschland. Auch die technischen Vorrichtungen, wie etwa die Rucksäcke und die Ofenaufsätze, sollen vor Ort angefertigt werden.
Das Interesse an ihrem Konzept, von NGOs und Entwicklungshilfeorganisationen bis zu den zuständigen Ministerien, sei groß, sagt Pütz. Und zu ihrer eigenen Überraschung habe sich bei Gesprächen vor Ort gezeigt, dass es in Äthiopien viele vergleichsweise wohlhabende Menschen gibt, denen es bislang nur an sinnvollen Investitionsmöglichkeiten fehlte.
Prototypen des Rucksacks hat Katrin Pütz in Indonesien und in Äthiopien schon erfolgreich getestet. Auch aus Tansania und Kenia erhielt sie Anfragen zu ihrer Erfindung. Und etwa Mitte dieses Jahres soll in Äthiopien das optimierte mitad die ersten Injeras backen - mit Biogas.
