Das von Neoklassikern wie Milton Friedman noch hochgehaltene Credo, die Aufgabe von Unternehmen bestehe einzig und allein darin, ihren Profit zu maximieren, hat ausgedient. Heute ist die soziale Verantwortung von Unternehmen in aller Munde. Auch die Unternehmen selbst reden inzwischen gern und viel davon. Doch handeln sie auch danach?
Auf den ersten Blick sieht es nicht so aus. Zwar gibt es einige kleine und mittlere Unternehmen, die sich auf fairen Handel, Nachhaltigkeit und Bioprodukte spezialisiert haben. Doch dabei scheint es sich zumindest derzeit noch um eine eher zweitrangige Marktnische zu handeln.


Die Bemühungen der großen multinationalen Konzerne erwecken demgegenüber den Eindruck, einfach nur ein wenig Wohltätigkeit mit PR-Effekten zu verbinden, wenn auch auf recht geschickte Weise. Doch das ist bloß Reputationsmanagement. Mit der ernsthaften Übernahme von sozialer Verantwortung hat das nichts zu tun. Verantwortung wird zwar gern rhetorisch bemüht, darf aber auf keinen Fall ökonomisch wehtun.
Sollte man daraus schließen, dass die Idee der sozialen Verantwortung von Unternehmen bloßes Wunschdenken und letztlich nur eine lahme Ente sei? Nein, das sollte man nicht. Unternehmen sind da wie kleine Kinder. Mit beiden sollte man Geduld haben. Sie müssen erst noch lernen, was es wirklich heißt, Verantwortung zu übernehmen.
Bei Kindern funktioniert das so: Sie besitzen zwar die Anlage, sich zu verantwortlichen Akteuren zu entwickeln. Aber zunächst verstehen sie noch nicht so richtig, was das eigentlich bedeutet, verantwortlich zu sein. Dennoch schreiben wir ihnen immer wieder und mit zunehmendem Alter immer mehr Verantwortung zu. So lernen sie auf praktische Weise, was Verantwortung verlangt und bemühen sich stärker, aktiv Verantwortung zu übernehmen.
Kinder wachsen also mit ihren Aufgaben. Genauso ist es auch bei Unternehmen. In Fragen der Verantwortung befinden sie sich derzeit noch auf der Stufe von Kleinkindern. Das ist eigentlich auch kein Wunder, denn es stellt eine ziemlich neue Entwicklung dar, Unternehmen als verantwortliche Akteure anzusprechen und ihnen Verantwortung zuzuschreiben.
Man sollte Unternehmen daher Zeit geben zu lernen, was Verantwortung bedeutet und wie man sie übernimmt. Dabei gibt es durchaus Anlass zu der Hoffnung, dass ihnen das irgendwann ganz gut gelingen kann. Die meisten ersten Gehversuche scheitern zwar, aber einige sind doch recht viel versprechend. So wie bei Kindern auch, muss man ihnen dabei motivierende Anreize setzen.
Es kommt also darauf an, Unternehmen einerseits nicht zu überfordern, andererseits aber auch nicht alles durchgehen zu lassen. Das ist kein leichtes Unterfangen, aber Erziehung ist nun einmal schwer. Ein Beispiel aus der Automobilindustrie kann die Gewichtigkeit dieser Erziehungsaufgabe, aber auch die tatsächlich bestehende Aussicht auf Erfolg verdeutlichen.

Beispiel Automobilindustrie
Wie wenig deutsche Automobilkonzerne bisher verstanden haben, was Verantwortung wirklich bedeutet, zeigt ihre Lobbyarbeit zur Energieeffizienz-Skala, durch die der CO2-Austoß eines Autos beurteilt wird. Das zentrale Problem dieser Skala besteht darin, dass sie den Ausstoß im Verhältnis zum Gewicht des Fahrzeugs bewertet. Für den Klimaschutz kommt es aber gar nicht auf den CO2-Ausstoß relativ zum Gewicht, sondern auf den absoluten CO2-Ausstoß an.
Immer schwerere Fahrzeuge bei steigendem CO2-Ausstoß helfen dem Klima ziemlich wenig. Stattdessen muss eine Senkung des Gesamtausstoßes erreicht werden. Nur wenn sich die Automobilkonzerne dieses Ziel setzen, handeln sie auch wirklich verantwortlich. Die geltende Energieeffizienz-Skala hingegen ist nicht mehr als ein symbolisches Zugeständnis: Zwar ist Verantwortung irgendwie schon wichtig, in Wahrheit aber ziemlich lästig.
Den Unternehmen muss noch deutlicher gemacht werden, warum von ihnen mehr erwartet wird als nur rein symbolische Zugeständnisse. Sie müssen sich selbst das Ziel des Klimaschutzes als Teil ihres Kerngeschäfts auf die Fahnen schreiben. Das ist genauso wie bei Kindern, die irgendwann nicht mehr nur aus Angst vor Strafe so tun, als würden sie Verantwortung übernehmen, sondern tatsächlich dazu bereit sind - weil sie erwachsen sein wollen und stolz darauf sind, Verantwortung tragen zu dürfen.
Immerhin haben die Automobilkonzerne mittlerweile eingesehen, dass sie sich nicht ganz aus der Verantwortung stehlen können. Zugleich wird immer offensichtlicher, dass auch das symbolische, aber folgenlose "Jaja" des unwilligen Kleinkindes nicht mehr ausreicht. Die Vereinbarung von BMW und Toyota, gemeinsam an ökologischer Antriebstechnik zu forschen, setzt da ein wichtiges Signal in Richtung Erwachsenwerden.
Politik und Zivilgesellschaft sollten die Konzerne zu ihren ersten Versuchen verantwortlichen Handelns gratulieren und sie zu mehr Verantwortung ermuntern. Als wirklich erwachsen wird sich die Automobilindustrie allerdings erst dann erweisen, wenn es ihr gelingt, ihre Kapazitäten flächendeckend zur kooperativen Grundlagenforschung im Dienst der Umwelt zu bündeln.
Doch wie können wir Automobilkonzerne dazu anregen, in Sachen Verantwortung ihren Kinderschuhen möglichst bald zu entwachsen? Einfach nur ein "ökologisches" Auto zu kaufen, wird da sicher nicht reichen. Wie Armin Grundwald ganz richtig festgestellt hat, ist der bloß vereinzelte Druck individueller Konsumenten oft eine ganz wirkungslose Maßnahme. Das gilt bei hochpreisigen Produkten wie Autos noch in viel höherem Maße als bei relativ günstigen Lebensmitteln.
Nicht als individuelle Konsumenten, sondern als politische Bürger müssen wir die Unternehmen gemeinsam dazu anregen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Erste Schritte in diese Richtung wären von NGOs medienwirksam koordinierte Briefaktionen und öffentliche Bürgerforen, auf denen Vertreter der Automobilkonzerne Rede und Antwort stehen, sich also verantworten müssen.