GEO.de: Umweltbelastungen gibt es viele. Warum haben Sie sich entschlossen, ausgerechnet gegen Plastik zu kämpfen?
Sandra Krautwaschl: Es gab im Wesentlichen zwei Auslöser: Der eine war ein Urlaub in Kroatien. Am Strand lagen viele Plastikflaschen und anderer Müll, jeder Strandurlauber kennt das. Das fiel unseren Kinder auf, sie stellten Fragen, woher das alles kommt, wer schuld ist, warum die Menschen das machen. Der zweite Auslöser war der Film „Plastic Planet“ von Werner Boote, den ich kurz darauf sah. Der Film führte mir zum ersten Mal auch die Gesundheitsproblematik von Kunststoffen vor Augen. Und dann beschlossen wir spontan, einen Monat ohne Plastik einzukaufen. Wir haben aber nie den Anspruch gehabt, damit etwas besonders Wertvolles für die Umwelt zu tun.
Plastikflaschen sollen ja auch Vorteile haben. So spart der Transport von Mineralwasser in leichten Plastikflaschen Sprit beim Transport ...
Das mag stimmen. Allerdings ist das eigentliche Problem nicht "Glas oder Plastik?", sondern dass wir generell zu viele Flaschengetränke verwenden. In Österreich oder Deutschland können wir bedenkenlos das Wasser aus der Leitung trinken. Das spart noch viel mehr CO2-Emissionen - und Geld. Es wäre also wichtiger, dafür zu sorgen, dass das Wasser auch in Ländern gut trinkbar ist, in denen das bisher nicht der Fall ist.
Es gibt ein Foto, das Sie mit Ihrer Familie und den ausgemisteten Plastiksachen zeigt. In der ersten Reihe sind Fahrradhelme zu sehen. Heißt das, Ihre Kinder fahren jetzt ohne Helm?
[Lacht] Das werde ich oft gefragt. Nein, sie fahren natürlich nicht ohne Helm. Wir unterscheiden zwischen sinnvollen und nicht sinnvollen Anwendungen von Kunststoff. Wir haben die ganze Tupperware ausgemistet, überflüssige Einrichtungsgegenstände, Kinderspielzeug. Wir waren uns aber einig, dass wir andere Dinge, zum Beispiel Fahrradhelme, weiterverwenden wollen. Und wenn wir so etwas neu kaufen, achten wir darauf, dass es hochwertige Produkte sind, die man lange verwendet.
Es gibt inzwischen hochwertige Fahrradhelme aus Recycling-Pappe ...
Davon habe ich gehört. Die Unternehmen bieten immer mehr nachhaltige Produkte an. Man muss allerdings sehr aufpassen. Es gibt auch viel Augenwischerei.
In Australien und Indien sind Plastiktüten verboten. Warum geht das eigentlich nicht in Europa?
Vor so einem Verbot schrecken Industrie und Politik zurück, weil sie den Verlust von Umsatz und Arbeitsplätzen befürchten. Es sind immer dieselben Argumentationsketten. Es werden ja auch Arbeitskräfte gebraucht, wenn man nachhaltigere Produkte herstellt. Aber statt das konsequent weiterzudenken, wird der hohe Plastikkonsum mit dem Hinweis auf ein gut ausgebautes Recycling-System heruntergespielt. Wir wissen alle: Wir sollten weniger verschwenden. Aber bei den einfachsten Dingen scheitert es schon daran, dass die politischen Entscheidungen dazu nicht getroffen werden. Also muss jeder für sich selbst entscheiden.
Verstehen Sie, dass viele Menschen sich überfordert fühlen, wenn sie beim Einkaufen alles richtig machen müssen? Zum Beispiel Plastik vermeiden?
Natürlich, ich kenne sogar hauptsächlich solche Menschen. Es ist unglaublich schwierig, beim Einkaufen alles richtig zu machen. Zumal in dieser schnelllebigen Zeit, in der alles darauf ausgerichtet ist, immer mehr zu verbrauchen. Darum glaube ich, dass die Menschen mehr Raum für Veränderungen brauchen. Sie müssen raus aus dem Hamsterrad von Geldverdienen und Konsumieren. Sie haben ja gar keine Zeit mehr, darüber nachzudenken, ob das sinnvoll ist, was sie tun.
Sie wurden als Populistin und "Plastiktaliban" beschimpft. Wie gingen und gehen Sie damit um?
Der Ausdruck stammt aus einem Online-Forum. So etwas berührt mich nie persönlich. Es ist der Ausdruck einer extremen Abwehrhaltung, einer Not, in einer Welt des Überflusses den eigenen, aufwendigen Lebensstil zu rechtfertigen.
Ihr Selbstversuch läuft nun seit drei Jahren. Was ist für Sie das wichtigste Zwischenergebnis?
Das Gefühl, etwas bewegen zu können. Ich habe unglaublich viele Menschen kennengelernt, die sich uns zum Vorbild nehmen. Das motiviert ungemein.
