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MEERESSCHUTZ Der Mensch und das Meer: "Noch ist es nicht zu spät"

Der Meeresbiologe Callum Roberts erklärt in seinem neuen Buch, warum der größte Lebensraum der Erde in Gefahr ist und wie wir ihn noch retten können. GEO.de traf den Professor in Hamburg

Callum Roberts ist Professor für Meeresschutz an der University of York, England, preisgekrönter Buchautor und vor allem eins: Umweltschützer. Sein Buch "Der Mensch und das Meer" beschreibt die Beziehung zwischen Mensch und Meer von den Ursprüngen bis heute. Er zeigt den vermeintlich unerschöpflichen Reichtum der Ozeane auf, macht deutlich, wie der Mensch Raubbau damit treibt und dass wir unser Verhalten dringend ändern müssen.

MEERESSCHUTZ: Callum Roberts ist Meeresbiologe und Professor für Meeresschutz an der University of York in England
Callum Roberts ist Meeresbiologe und Professor für Meeresschutz an der University of York in England
© aus "Der Mensch und das Meer", DVA

GEO.de: Herr Roberts, wie steht es um die Weltmeere und ihr internationales Management?

Callum Roberts: Die Lage der Ozeane ist kritisch. Die Ausbeutung der Meere, ihrer Rohstoffe, biologischen Vielfalt, besonders der Fischbestände, ist mehr als besorgniserregend. Verschmutzung mit giftigen Abwässern, Plastikmüll und Tiefseebergbau droht den Lebensraum unzähliger Pflanzen- und Tierarten zu zerstören. Es mangelt an einem effektiven, nachhaltigen Management der Ozeane und am Bewusstsein für diese Missstände. Wir tun so, als wären die Ressourcen der Meere unerschöpflich, und verbrauchen immer mehr davon. Wir haben aber eine Pflicht gegenüber uns selbst und den nachfolgenden Generationen, das zu ändern. Und zwar schnell und effektiv, sonst ist in zehn bis 15 Jahren nichts mehr übrig, was wir managen könnten!

Im Juni fand in Portugal die dritte Konferenz zur Nachhaltigkeit der Ozeane statt. 130 Experten suchten nach Wegen, die Ressourcen der Ozeane nachhaltig zu managen. Das Ergebnis war eine radikal anmutende Forderung.

MEERESSCHUTZ: Als effiziente Opportunisten profitieren Quallen von Überfischung, Klimawandel und der Verschmutzung der Küstengewässer
Als effiziente Opportunisten profitieren Quallen von Überfischung, Klimawandel und der Verschmutzung der Küstengewässer
© aus "Der Mensch und das Meer", DVA

Wir schlagen vor, die Freiheit der Ozeane abzuschaffen. Ja, das ist eine radikale Äußerung, aber die Hochseefischerei muss gestoppt werden, um die jetzige Entwicklung umzukehren. Die Hochsee macht 45 Prozent der Weltoberfläche aus. Wenn wir uns darauf einigen können, in diesem Lebensraum keine Fischerei mehr zuzulassen, wäre auf einen Schlag nahezu die halbe Erde geschützt.

Die Probleme der Meere sind schon lange bekannt. Auch über die notwendigen Maßnahmen sind sich Forscher und Umweltschützer einig. Nur wurden diese Maßnahmen bislang nicht umgesetzt, da eine politische Einigung auf internationaler Ebene nur langsam voranschreitet.

Aber: Es ist zwingend, dass wir schnell handeln!

Ist dieser Vorschlag denn realistisch?

Große Ideen müssen zu Beginn nicht unbedingt realistisch sein. Man muss sie andenken, erst dann besteht die Möglichkeit, etwas zu verändern. Kopernikus wurde anfangs auch nicht geglaubt, und doch hat er auch genau durch die Radikalität seiner Äußerungen etwas bewirkt.

Zudem ist es bereits ein erster großer Schritt, dass sich die führenden Wissenschaftler auf der Konferenz zur Nachhaltigkeit der Ozeane auf die Forderung, die Hochseefischerei zu stoppen, geeinigt haben. Auch die Einrichtung einer Europäischen Ozean-Allianz (EOA) zur fachkundigen und branchenübergreifenden Beratung für eine nachhaltige Europäische Meerespolitik wird gefordert und vorangetrieben.

Wie sollen sich einzelne Nationen auf eine derartige Vereinbarung einlassen, wenn für sie dadurch vordergründig nur Nachteile entstehen würden?

Für die Länder würden keineswegs nur Nachteile entstehen. Derzeit werden die Fischbestände in der Hochsee stark dezimiert, und an den Küsten kommt immer weniger an. Stoppt man die Hochseefischerei, würden beispielsweise wieder bedeutend mehr Fische in nationale Gewässer gelangen und an die Küsten. Das wäre sogar von Vorteil für die nationale Fischereiwirtschaft.

Unzählige Gesetze regeln bereits den Umgang mit der Fischerei. Ist eine so drastische Vorgehensweise überhaupt notwendig?

Ja, und es gibt verschiedene Gründe dafür: Zum einen bedarf es eines Managements für den gesamten Lebensraum Meer, nicht nur – wie bislang meist der Fall – für einzelne Fischarten. Denn auch der Einfluss auf die Arten, die gar nicht befischt werden, ist immens. Zurzeit werden die Ozeane ausgebeutet, als würden sie gar nicht gemanagt.

Was die wenigsten wissen: Die Hochseefischerei ist nicht gesetzlich reguliert. Es gibt einzelne Länder, die sich an Fischereiabkommen halten, andere wiederum nicht. Je nachdem, unter welcher Flagge ein Unternehmen fährt, kann es die Hochsee nahezu unkontrolliert ausbeuten. Die Fischereikontrolle scheitert. Es bestehen außerdem große Probleme mit illegaler Fischerei. Daher fordern wir auch, alle Häfen für illegale Fischerei zu schließen.

Jetzt ist die Politik gefragt, aber die ist viel zu langsam. Der Druck muss von der Bevölkerung ausgehen. Doch beiden Seiten ist die Dramatik der Situation wirklich bewusst. Man muss sich nur mal vorstellen, dass in den 1880er Jahren fünf Mal mehr Fisch gefangen wurde als heute. Die Fischerei war damals natürlich noch viel uneffektiver als heute. Das bedeutet, dass es wesentlich mehr Fisch gegeben haben muss. Wir fischen nur deshalb heute noch immer ökonomisch, weil die Boote immer größer, mehr und effektiver werden, obwohl es nur noch einen Bruchteil der Fischbestände gibt.

MEERESSCHUTZ: Der Meeresnationalpark Cabo Pulmo vor der mexikanischen Halbinsel Baja California erlebte eine spektakuläre Erholung, nachdem man 1999 die Fischerei verboten hatte
Der Meeresnationalpark Cabo Pulmo vor der mexikanischen Halbinsel Baja California erlebte eine spektakuläre Erholung, nachdem man 1999 die Fischerei verboten hatte
© aus "Der Mensch und das Meer", DVA

Was kann jeder Einzelne tun? Sollte man aufhören Fisch zu essen?

Die Konsumenten können viel beeinflussen. Ihre Nachfrage bestimmt das Handeln etwa der Supermärkte, und diese wiederum können großen Einfluss auf die Fischereiwirtschaft nehmen. Es ist nicht notwendig, ganz auf den Konsum von Fisch zu verzichten. Wichtig ist darauf zu achten, welchen Fisch man isst.

"Der Mensch und das Meer" von Callum Roberts

MEERESSCHUTZ: Der Mensch und das Meer: "Noch ist es nicht zu spät"

Callum Roberts beschreibt in seinem Buch "Der Mensch und das Meer" auf mitreißende Weise den Wandel der Ozeane und die gemeinsame Geschichte von Mensch und Meer. Er zeigt einen faszinierenden Lebensraum und auch seine Bedrohung durch den zunehmenden Einfluss des Menschen. Die Ozeane werden leer gefischt und mit giftigen Abwässern und Plastikmüll gefüllt. Roberts ruft dazu auf, die Zerstörung des Meeres zu stoppen, und eröffnet Wege, wie dies noch gelingen kann. Das Buch fasst inhaltlich die Ergebnisse der dritten Konferenz zur Nachhaltigkeit der Ozeane zusammen.

Verlag: Deutsche Verlags-Anstalt

Preis: 24,99 Euro

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