GEO.de: Frau Jacob, womit müssen wir nach den neuesten Prognosen in Europa rechnen?
Im Wesentlichen haben sich die Aussagen des vierten IPCC-Berichts bestätigt. Es gibt sehr große regionale Unterschiede; Südeuropa wird sich stärker erwärmen als Nordeuropa. Und es wird dort auch deutlich weniger Niederschläge geben. Aber auch in Norddeutschland werden die Sommermonate spürbar trockener werden.
Wo schlägt der Klimawandel am härtesten zu?
Die europäischen Länder sind nicht nur unterschiedlich stark betroffen von den Folgen des Klimawandels, sie sind auch unterschiedlich gut in der Lage, zu reagieren, sich anzupassen. Spanien und Griechenland zum Beispiel haben gerade noch andere, wirtschaftliche Probleme zu bewältigen. Das gilt nicht im selben Maße für Südosteuropa. Aber auch in Bulgarien, Rumänien und Ungarn können die Sommertemperaturen künftig häufiger auf 40 Grad und darüber steigen. Das könnte dazu führen, dass es Touristen am Plattensee irgendwann zu heiß wird.

Urlauber können bequem nach Norden ausweichen, etwa an die Nord- und Ostsee. Was ist mit Tieren und Pflanzen?
Wir müssen damit rechnen, dass sich bestimmte Arten nicht anpassen können und regional aussterben werden. Wenn es etwa in den Hochgebirgsregionen der Alpen zu warm wird, können Tiere und Pflanzen nicht mehr ausweichen. In den Meeren beobachten wir, dass Fischarten, denen es zu warm wird, nach Norden wandern. Das hat Folgen für das ganze Ökosystem und die Fischereiindustrie. Die ecosystem services werden generell beeinträchtigt, also die Fähigkeit von Ökosystemen, zum Beispiel Lebensmittel, Holz, Trinkwasser, Erholung bereitzustellen. Das gilt in besonderem Maße für Südeuropa und die alpinen Regionen.
Ein bisschen haben wir das so oder so ähnlich schon einmal gehört. Gibt es im Teil zwei des 5. IPCC-Berichts auch Neues?
Neu ist, dass die Veränderungen, die wir jetzt beobachten - in Temperatur, Niederschlagsmengen, Häufigkeit von Extremereignissen - greifbarer geworden sind. Und das auf allen Kontinenten. Denn wir verfügen heute über viel mehr Beobachtungen, sowohl in den Klimasystemen wie der Atmosphäre oder dem Ozeanen, als auch in den Ökosystemen. Wir haben eine bessere Datengrundlage und bessere Klimamodelle. Außerdem haben wir in den Klimamodellen neue, und im Vergleich zum letzten Bericht andere Entwicklungen der sozio-ökonomischen Faktoren wie Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum berücksichtigt. Trotzdem sind die Kernaussagen dieselben geblieben. Die Veränderungen lassen sich jetzt nicht mehr wegdiskutieren.
Ohne "raschen und ambitionierten" Klimaschutz halten die Experten einen Anstieg von vier Grad und mehr gegenüber vorindustriellen Zeiten für möglich. Ist eine solche internationale Klimapolitik nach den gescheiterten Klimagipfeln der letzten Jahre überhaupt noch realistisch?
Das Verhalten von Politikern lässt sich schlecht vorhersagen. Notwendig ist sie auf jeden Fall. Ich persönlich glaube, dass es immer mehr Menschen gibt, die sich im Klaren darüber sind, wie wichtig der Klimaschutz ist. Und dass sie auch selbst betroffen sind. Ich glaube, dass der Druck auf die Politiker, auch von Seiten der Bürger, größer wird. Ich bin allerdings ein bisschen enttäuscht, dass Deutschland seine Vorreiterrolle beim Klimaschutz zu verlieren droht ...
... wegen der Renaissance der Kohle?
Zum Beispiel. Ich verstehe nicht, dass die Industrienationen die Chancen nicht besser nutzen, die der Klimaschutz bietet.
Was meinen Sie mit Chancen?
Durch Energieeffizienz können wir Kosten und Klimagasemissionen einsparen und neue Technologien voranbringen. Trotzdem wird das Thema nicht entschlossen genug angepackt. Dasselbe gilt für die energetische Sanierung: Wir verfügen über die nötige Technologie, könnten mittelfristig Arbeitsplätze schaffen und Wirtschaftswachstum erzeugen. Warum tun wir es nicht? Dass der Wandel hin zu einer besseren, nachhaltigen Gesellschaft Chancen bietet, das wird nicht genügend nach vorne gebracht.
