
Ein internationales Team von Evolutionsbiologen hat jetzt eine Liste besonders schutzwürdiger Vögel aufgestellt - ermittelt nach messbaren Kriterien. Ganz oben stehen Spezies, die nicht nur extrem selten, sondern auch aus genetischer Sicht besonders sind: weil sie keine nahen Verwandten haben, oft die einzigen Vertreter ihrer Artenfamilie sind. Es finden sich sehr schräge Typen auf der Liste, wie etwa der am Amazonas lebende Hoatzin, der Küken mit Krallen an den Flügeln ausbrütet, oder der ebenfalls südamerikanische Fettschwalm, der früher gern ausgekocht und als Lampenöl-Reservoir verwendet wurde.
Was ist "einzigartig", "besonders", "ungewöhnlich"?
Wer das Erbe der Evolution möglichst vollständig bewahren will, sollte vorrangig schützen, was einzigartig, besonders, ungewöhnlich ist: Diese Argumentation leuchtet wissenschaftlich ein. Zugleich widerstrebt sie mir - nicht zuletzt aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Vogel- und Naturbeobachterin. "Einzigartig", "besonders", "ungewöhnlich": Welcher Vogel, welches Lebewesen wäre das nicht? Der Gesang der Feldlerche, die Flügelfarbe des Aurorafalters, das Muster der Schachbrettblume - ich finde all das unersetzlich. Und wenn eine dieser Arten verschwände, würde es mich nicht im Geringsten trösten, dass sie noch irgendwelche genetische Verwandte hätte.
Als Naturschützerin bin ich Egoistin, und ich stehe dazu. Denn was wird das Überleben zumindest eines Teils der noch vorhandenen Artenvielfalt sichern, wenn nicht unser Egoismus? Wir lieben die Natur ja nicht um ihrer selbst willen, sondern weil wir sie schön, kurios, hinreißend, manchmal auch nützlich finden. Und das ist auch in Ordnung so: Der Natur ist es egal, weshalb wir sie schützen.
Es spricht nichts dagegen, Naturschutz wissenschaftlich zu begründen. Zugleich aber sollten wir dafür sorgen, dass genügend Egoisten nachwachsen. Leute, die auf die Barrikaden gehen, um Tiere und Pflanzen zu schützen: weil sie sie lieben.