Der Meeresbiologe Peter Wirtz staunte nicht schlecht, als er im Sommer 2001 beim Tauchen bei Cascais, an der portugiesischen Festlandküste, auf große Exemplare der Seeanemone Alicia mirabilis stieß. Vom Besitzer der Tauchbasis, Fabian Reicherdt, erfuhr er, dass diese bis zu 40 Zentimeter hohe und auffällige Seeanemone erst zwei Jahre zuvor hier erschienen sei. Cascais ist nun der nördlichste Fundort für diese Art.
Die Entdeckung liegt im Trend: Denn in den vergangenen Jahren breiteten sich als Folge der globalen Klimaveränderung immer mehr wärmeliebende Arten, Tiere und Pflanzen aus dem wärmeren Südosten des Mittelmeers in den vergleichsweise kühleren nordwestlichen Teil aus.
Schon 1990 wurde der Rotviolette Seestern Ophidiaster ophidianus erstmals an der Küste von Korsika entdeckt; 1991 folgte ihm der langstachlige Seeigel Centrostephanus longispinis. Die Nesseltierart Halocordyle disticha war bisher nur aus dem südlichen Mittelmeer bekannt gewesen; neuerdings findet man sie nördlich bis nach Genua. Auch der Papageifisch Sparisoma cretense, früher auf das südliche und östliche Mittelmeer beschränkt, dringt stetig weiter nach Norden und Westen vor. Warmwasser-Arten wie die Fusselfingeralge Dasycladus vermicularis, der schwarze Seeigel Arbacia lixula und der Meerpfau Thalassoma pavo, die früher im Golf von Lyon selten waren, haben in den vergangenen Jahren sogar um das Zehnfache zugenommen. Beobachtungen einer italienischen Forschergruppe ergaben, dass der Meerpfau jetzt regelmäßig in der Ligurischen See (nördlich von Korsika) laicht, wo er sich früher nicht fortpflanzen konnte.
Ein vergleichbarer Marsch ursprünglich südlicher Mittelmeer-Arten nach Norden findet entlang der ganzen Atlantik-küste statt: Bei Madeira hat sich der hier zuvor extrem seltene tropische Seehase Aplysia dactylomela explosionsartig vermehrt; die tropische Algenart Stypopodium zonale, die in einer 1974 erschienenen Arbeit über die Meerespflanzen von Madeira noch nicht erwähnt wird, ist dort nun eine der häufigsten Arten; und Warmwasser-Fische wie der Tarpun (Megalops atlanticus) und die Bernsteinmakrele (Seriola rivoliana) werden neuerdings sogar schon an der französischen Atlantikküste gefangen.
Gleichzeitig ziehen sich nördliche Arten langsam aus den wärmer werdenden Gebieten zurück. Das Verschwinden einer Art ist allerdings sehr viel schwerer festzustellen als das plötzliche Auftauchen einer bisher in einem Gebiet noch nicht registrierten Spezies.