Von oben wirken sie wie gewaltige Ölteppiche. Doch bei näherer Betrachtung entpuppen sich die kilometerlangen schwarzen Flecken als Schwärme von Südafrikanischen Sardinen, die in gewaltigen Wirbeln dicht unter der Wasseroberfläche schwimmen.
Zahlreiche Feinde
Und von allen Seiten schlagen die Verfolger zu: Aus der Luft schießen unzählige Kaptölpel wie Pfeile bis zu acht Meter tief ins Wasser, um sich eine Sardine zu schnappen. Fischkutter durchpflügen das Seegebiet mit ihren Netzen. Und Delfine treiben die fette Beute mit Luftblasen oder Klicklauten zusammen, wie zwischen blubbernde oder tönende Mauern. Die Sardinen formieren sich bei Angriffen als undurchdringlich erscheinender Körper aus Tausenden von Fischleibern. Kupferhaie, Barrakudas, Wale und Robben stoßen jedoch mitten in diese Köderkugeln hinein.

Wanderungen zwichen den Meeresströmen
Die riesige Massenwanderung - "sardine run" genannt, das Rennen der Sardinen - beginnt etwa im Mai. Dann ziehen hunderte Millionen der Fische vom Kap der Guten Hoffnung entlang der Küste 1500 Kilometer nordwärts bis auf die Höhe von Durban.
Auslöser für das Schauspiel ist der Zusammenprall zweier Meeresströmungen an der Südspitze Afrikas. Der Agulhasstrom bringt warmes Wasser aus dem Indischen Ozean und trifft auf den Benguelastrom mit seinem nährstoffreichen kalten Wasser.
Sardinen lieben kälteres Wasser

Mal dominiert der eine Strom, mal der andere. Im südafrikanischen Winter - wenn auf der Nordhalbkugel Sommer herrscht - ist der kalte Benguelastrom der Stärkere: Er umrundet das Kap und drängt den warmen Agulhasstrom nach Norden ab. Dabei entsteht am Ostrand ein schmaler Korridor kalten Wassers, dem die Sardinen massenhaft folgen. Der Grund dafür ist noch nicht völlig geklärt. Die Suche nach Nahrung spielt bei dem "Rennen" keine Rolle, glaubt Andrew Aitken, Meeresbiologe und Sardinen-Experte am Natal Sharks Board in Durban.
Aitken vermutet, dass die Temperatur des Meeres der entscheidende Faktor ist. Dafür spreche zum Beispiel die Tatsache, dass die Schwärme im
Jahr 2003 fast ganz ausblieben. "Die Wassertemperaturen an der Ostküste lagen im Sommer bei 22 bis 23 Grad Celsius", sagt der Sardinen-Experte; zu warm für die Fische, die sich bei 14 bis 20 Grad Celsius wohl fühlten.
Nur zehn Prozent gehen auf die Wanderung
Ohnehin machen sich nur etwa zehn Prozent der im kühleren Wasser an der Süd- und Westküste lebenden Sardinen auf den Weg nach Norden. Die Bedeutung der "rennenden" Sardinen für das Ökosystem ist allerdings immens, sagt Aitken. "Delfine etwa bringen ihre Jungen kurz vor der Sardinenwanderung zur Welt, sodass sie von dem Nahrungsangebot für die Aufzucht der Jungtiere profitieren."

Die Sardinen-Schwärme vor Südafrika sind ein Thema des Dokumentarfilms "Deep Blue", der parallel zum BBC-Mehrteiler "Unser Blauer Planet" entstand. Der Film startet am 29. Januar 2004 bundesweit in 80 Kinos.
Dazu werden zwei Bücher veröffentlicht: "Unser Blauer Planet - Eine Naturgeschichte der Meere" (vgs-Verlag), sowie das Kinderbuch "Deep Blue - Entdecke das Geheimnis der Ozeane" (Gerstenberg-Verlag).