Es war eigentlich nur Wasser, das der Schoner „Tara“ von seinem Dreieinhalb-Jahre-Törn durch alle Ozeane mitbrachte; Wasser mit kleinsten Lebewesen darin, abgefüllt in 35 000 Proben, gewonnen aus bis zu zwei Kilometer Tiefe. Doch was die Forscher darin entdeckten, war sensationell: Zehntausende Kreaturen, die nie zuvor ein Mensch gesehen hatte!
Und ich durfte Zeuge sein. Für GEO segelte ich im Mai 2011 mit der „Tara“ von Ecuador nach Galápagos, und täglich hievten die Forscher skurrile Organismen an Bord. Kugelige, tonnenförmige oder wurmartige Gestalten, Krebschen, Larven, Einzeller. Mit Greifarmen oder Geißeln versehen. Auf Plankton hatte es die Crew abgesehen. Auf Wesen also, die von Strömungen verdriftet werden. Grundnahrungsmittel der Meere: Ohne Plankton gäbe es weder Makrele noch Blauwal. Anfang 2013 endete der Trip. Jetzt haben die Forscher erste Resultate veröffentlicht: 40.000 bislang unbekannte Lebensformen sind nun erfasst, zum größten Teil Einzeller; 5000 Typen von Viren haben die Wissenschaftler aus der Tiefe geholt - zuvor waren gerade mal 39 bekannt. Unter den Funden sind auch viele Riesenviren (Giren), 30-mal größer als herkömmliche.
Schon damals, an Bord, haben die Forscher mir erzählt, wie diese Giren das Plankton beherrschen: Sie attackieren andere Kleinorganismen, übertragen ihr Genom, steuern deren Verhalten. Und sie verteilen Erbgut, ihr eigenes wie auch das jener Wirte, die sie befallen. Sie beschleunigen die Evolution. Das Plankton, so scheint es, ist eine Gemeinschaft von Abermilliarden „Organen“ eines einzigen Wesens. Diese Hypothese fesselt mich bis heute. Denn dann wäre das Plankton, vernetzt durch Viren, ein Superorganismus. Das größte Geschöpf der Erde.
Die Homepage der Tara-Expedition: oceans.taraexpeditions.org