Neulich habe ich über die Segnungen des Fahrradfahrens geschrieben. Ich hatte da, Einwände vorwegnehmend, ein vorsichtiges "Aber" eingebaut. Es gibt nämlich auch Nachteile. Nicht am Fahrradfahren an sich, sondern an den, sagen wir, städtebaulichen Bedingungen. Zum Beispiel Buckelpisten, die den Namen Radweg nicht verdienen, aber als solche deklariert sind.
Autos fahren auf der Straße. Das ist ebenso trivial wie beneidenswert. Denn dieselbe Strecke mit dem Rad zu fahren, gleicht in einer Stadt wie Hamburg einem Hindernisrennen: Rauf auf den Radweg, wieder runter, weil man nach Regenfällen im Matsch versinkt oder wegen der Schlaglöcher um seine Speichen fürchtet. Oder weil der Weg so eng ist, dass eine Begegnung mit einem Fahrrad aus der Gegenrichtung (darf der hier eigentlich fahren?) tunlichst zu vermeiden ist. Vorbeischlängeln an Dingen wie improvisierten Verkehrsschildern, Mülleimern und anderen Mobilien. (Offenbar laden Radwege zum Ab- und Hinstellen ein. Dagegen würde kein Mensch auf die Idee kommen, irgendetwas einfach auf die Straße zu stellen.) Ganz zu schweigen von Schneebergen, die im Winter von den Räumfahrzeugen sorgsam auf dem Radweg deponiert werden. Eben dort, wo Platz ist. Dann über die Kreuzung, an der man nicht, wie die links abbiegenden Autofahrer, an einer Ampel, sondern an zwei Ampeln steht. Und Zeit verliert.
Klar, dass ich hin und wieder, ohne jeden Anflug von schlechtem Gewissen, auf die Straße ausweiche, den paradiesisch komfortablen Fahrbahnbelag und flottes Vorankommen genieße. Protesten von Autofahrern begegne ich mit gespielter Gleichgültigkeit.

Radeln in Hamburg: Da ist noch Luft nach oben
Von Münsteraner Verhältnissen - offenbar profitieren die Westfalen von der geografischen Nähe zur Fiets-Republik der Niederlande - ist in Hamburg keine Spur. Nicht umsonst markieren die beiden Städte den Anfang (Münster) und das Ende (Hamburg) des ADFC-Rankings, dem Fahrradklimatest 2005. Radwege, die den Anforderungen der StVO entsprechen, sucht man in der Hansestadt lange vergebens. Trotzdem zwingt in den meisten Fällen das blaue runde Fahrradschild zur Benutzung dieser Pisten. Wer sich ungerecht behandelt fühlt, muss sich mit der Stadt vor dem Verwaltungsgericht anlegen.


Viele Stadtplaner und Politiker haben immer noch nicht verstanden, dass Radwege keine Fläche sind, die Autofahrer netterweise dem nicht motorisieren Verkehr zur Verfügung stellen. Wer, wie der Hamburger schwarz-grüne Senat, vollmundig eine "Steigerung des Radverkehrsanteils auf mindestens 18 Prozent" ankündigt, muss auch die Infrastruktur dafür bereitstellen. Das heißt: Autoverkehr zugunsten von Fahrradverkehr zurückdrängen. Wie sagte der dritte Bürgermeister von München, Hep Monatzeder, in einem Interview der Süddeutschen Zeitung? "Wir müssen Autofahrern Raum wegnehmen." Das ist ebenso unpopulär wie richtig.
Sicherer, schneller, billiger
Raum wegnehmen, ja, um Fahrradstreifen auf der Fahrbahn einzurichten oder - noch besser - eine ganze Spur für Fahrradfahrer zu reservieren. Denn das ist sicherer, schneller, billiger. Sicherer, weil jeder jeden sieht. Viele Unfälle passieren an den Stellen, wo sich die Wege von Auto- und Radfahrern unerwartet kreuzen. Radfahrer müssen als Teil des Verkehrs wahrgenommen werden. Also rauf mit ihnen auf die Fahrbahn! Und es ist billiger, weil es natürlich weniger kostet, eine Radspur auf der bestehenden Fahrbahn zu markieren, als einen kompletten Radweg mit separatem Unterbau und Teerdecke zu bauen.
Das neue Fahrradleihsystem in Hamburg, dem Augenschein nach ein voller Erfolg, zeigt, dass die Leute Rad fahren wollen. Jetzt muss auch der Platz dafür her!
