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Mobilität: PR fürs Fahrrad

Ein Mix aus Wissenschaft und Werbung kann helfen, öfter aufs Auto zu verzichten. Das beweist die Kampagne "Kopf an: Motor aus. Für null CO2 auf Kurzstrecken" des Bundesumweltministeriums

Eingespielte Gewohnheiten abzulegen fällt schwer. Da ist zum Beispiel der Reflex, auch für den Weg zum Bäcker oder zur Post ins Auto zu steigen. Die Hälfte aller Autofahrten in Deutschland ist kürzer als sechs Kilometer. Dabei wäre ein kurzer Spaziergang oder ein kleiner Rad-Ausflug gut für die Gesundheit und die Umwelt. Bisher legen Bundesbürger täglich im Durchschnitt 600 Meter zu Fuß und einen Kilometer per Rad zurück. Würde sich diese Werte verdoppeln, könnte das fünf bis sechs Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen.

Zielgruppe: Kultur-, Fun- und Performance-Orientierte

Die vom Bundesumweltministerium geförderte Initiative "Zero Emission Mobility" appelliert nicht ans schlechte Gewissen. Vier Millionen Euro hat die Initiative für eine Kampagne für mehr Fuß- und Radverkehr zur Verfügung; den ersten Auftrag gab sie nicht an eine Werbeagentur, sondern an das Institut für Sozialökologische Forschung in Frankfurt/Main. Dessen Mobilitäts- und Lebensstilstudie identifizierte Zielgruppen, die am ehesten für das Thema sensibel sind. Nicht die Auto-Fixierten. Auch nicht die ohnehin Fahrradbegeisterten. Sondern solche, bei denen ökologisches Denken und Handeln auseinanderklaffen: "Anspruchsvolle, Kultur-Orientierte", "Natur- und Outdoor-Orientierte" und "Fun- und Performance-Orientierte".

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© fairkehr / Marcus Gloger

"Keine Quickies mit dem Auto!"

Auf dieser Grundlage entstand die Kampagne "Kopf an: Motor aus. Für null CO2 auf Kurzstrecken". Die Agentur, die das Konzept in Werbung übersetzt hat, setzt auf Text pur, leicht ironisch gefärbt. Bestandteile sind Großplakate "Für den Klimaschutz müssen wir das Rad nicht nur erfinden. Nur häufiger nutzen." Oder: "Ts, Ts, mit dem Auto zum Bioladen ...!" Oder: "Wer sein Auto liebt, missbraucht es nicht für Quickies." Dazu Radiowerbung, Kino-Spots, Gratis-Postkarten à la "Willst du mit mir gehen?".

Kommunen können die Kampagne geschenkt bekommen, müssen allerdings beweisen, dass sie schon einiges für Fußgänger und Radler tun. Im ersten Durchlauf 2009 wurden unter 94 Bewerber-Städten Karlsruhe, Dortmund, Halle an der Saale und Bamberg ausgewählt. Die Kampagne lief zwischen April und Oktober. Die Städte verpflichteten sich, sie mit Veranstaltungen zu begleiten: zum Beispiel mit Autofrei-Tagen samt Fahrrad-Checks und Fahrrad-Modenschau. Oder mit Verteilungs-Aktionen von "Strafzetteln" für Falschparker: "Sie würden gerne parken, wo Sie wollen? Fahren sie Rad!"

Umarmungen für Klimahelden

Um Verhaltensmuster zu festigen sind - das wissen Wissenschaftler wie Werber - Anerkennung und Belohnung hilfreich. Für die "Kopf an"-Kampagne engagierten die Initiatoren eine junge Frau, die Gratis-Umarmungen verteilte: "Sorry - nicht für Autofahrer". Banner über Fahrrädständern schmeicheln: "Reserviert für Klimahelden".

Den Erfolg der Aktionen im Kampf Trägkeit contra Gewissen testete das Wuppertal-Institut im Herbst 2009 mit einer Telefonbefragung in den beteiligten Städten. Ergebnis: Drei Viertel der Bewohner hatten die Kampagne wahrgenommen. 63 Prozent der Autofahrer gaben an, in ihrem bisherigen Verhalten bestärkt zu sein, oft zu Fuß zu gehen oder Rad zu fahren. 50 Prozent sagten, die Kampagne habe sie zum Nachdenken gebracht, das häufiger als bisher zu tun. 19 Prozent waren tatsächlich mehr als zuvor gelaufen, 15 Prozent mehr als zuvor geradelt.

Die Homepage der Kampagne "Kopf an: Motor aus. Für null CO2 auf Kurzstrecken"

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