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Interview: Reicht Hartz IV für Bio-Ernährung?

Essen für 4,35 Euro täglich? Und dann auch noch bio? Die Journalistin Rosa Wolff machte den Selbstversuch

Frau Wolff, Sie haben einen Monat lang, im Mai 2009, versucht, mit 4,35 Euro am Tag zu kochen. Und zwar mit Bio-Zutaten. Das entsprach dem Anteil für Lebensmittel am damaligen Hartz-IV-Satz. Hat's funktioniert?

Mit Ach und Krach. Man schafft das nur, wenn man alles selber zubereitet. Im konventionellen Bereich sind ja oft die Fertiggerichte die billigere Wahl. Was eigentlich unlogisch ist, denn ich bezahle ja die Grundzutaten und die Verarbeitung. Keine Ahnung, wie die das hinkriegen. Bei Bio ist das jedenfalls nicht so. Da sind die verarbeiteten Zutaten einfach teurer als die rohen Zutaten.

Bio und billig, wie passt das überhaupt zusammen? Haben gute Lebensmittel nicht ihren Preis?

Ja, absolut. Bio-Zutaten sind aber nicht teuer. Sondern die konventionellen Produkte sind auf völlig unkorrekte Weise zu billig. Dem Verbraucher wird vorgegaukelt, dass Essen nichts kosten muss. Da wird künstlich ein extrem niedriger Verbraucherpreis geschaffen - durch Subventionen, durch Abstriche bei der Qualität. Beim Fleisch ist das eklatant. Hier wird das Leid der Tiere in Kauf genommen, nur um den Preis zu drücken. Die konventionellen Lebensmittel sind in den vergangenen Jahrzehnten immer billiger geworden. Und immer schlechter.

Was war die größte Herausforderung beim Kochen?

Bio und billig geht, wenn ich immer Spaghetti mit Tomatensauce esse. Es ist aber mühsam, wenn ich versuche, nach den Empfehlungen z. B. der Deutschen Gesellschaft für Ernährung zu leben, und fünf Portionen Obst und Gemüse täglich unterzubringen. Gemüse hat fast keine Kalorien, kostet aber einen Haufen Geld. Das ist die Quadratur des Kreises. Da muss man tüfteln und sich einiges einfallen lassen.

Was ist für Sie bio? Zählen dazu auch Äpfel aus Neuseeland? Oder Tiefkühl-Pizzen?

Die pragmatischte Ansatz ist: Bio ist, was ich im Bioladen vorfinde. Tiefkühl-Pizza verbietet sich schon vom Preis her. Was die neuseeländischen Äpfel anlangt: Im Mai gibt es keine einheimischen Äpfel mehr. Es sei denn, sie sind vom September an in einer klimatisierten Halle gelagert worden. Im Vergleich dazu, so heißt es, ist die Energiebilanz des Neuseeland-Imports besser.

Wie halten Sie es mit Fleisch?

Ich habe meinen Fleisch- und Wurstkonsum dramatisch reduziert. So schütze ich ja auch schon die Umwelt. Vegetarier oder Veganer könnten sich schon mal eine Ananas einfliegen lassen - und hätten dann immer noch weniger gesündigt als einer, der täglich ein Schnitzel auf dem Teller hat. Gar nicht schädlich können wir allerdings nicht sein, letztlich belasten wir mit jedem Atemzug die Umwelt. Es kommt darauf an, einen Weg zu finden, der machbar und lebbar ist.

Was, wenn jemand nicht die Zeit hat, jeden Tag selbst zu kochen? Etwa als Berufstätiger?

Wenn man wenig Zeit hat, braucht man mehr Übung und Erfahrung. Aber wenn ich arbeite, habe ich normalerweise auch mehr Geld. Das macht es einfacher. Man muss nicht unentwegt die Preise vergleichen, oder den Nudelteig selber machen.

Hat ein Händchen für gutes Grünzeug: Journalistin Rosa Wolff
Hat ein Händchen für gutes Grünzeug: Journalistin Rosa Wolff
© Wolfgang M. Weber
Buchtipp: Arm aber Bio! Mit wenig Geld gesund, ökologisch und genussvoll speisen. Ein Selbstversuch. www.arm-aber-bio.de
Buchtipp: Arm aber Bio!
Mit wenig Geld gesund, ökologisch und genussvoll speisen. Ein Selbstversuch.
www.arm-aber-bio.de

Oft fehlt es ja nicht nur an Zeit, sondern schlicht am Wissen und an den guten Gewohnheiten zu Hause. Lernen Kinder heute genug über richtige Ernährung?

Nein. Und das ist fast das Schlimmste: dass das Wissen immer mehr verloren geht. Kinder wissen ja zum Teil schon nicht mehr, wie Zutaten aussehen und schmecken. Daran hat auch die Nahrungsmittelindustrie ihren Anteil. Es gibt immer mehr fertig zubereitete Lebensmittel. Eigentlich sollte es schon in der Grundschule so sein, dass die Kinder als Erstes, um 8 Uhr, gemeinsam ihr Frühstück aus Grundzutaten zubereiten. Mit Kindern sollte Essen keine Nebensache sein.

Thilo Sarrazin meinte im Jahr 2008, dass man mit dem Hartz-IV-Geld gut auskommen könne. Und lieferte auch gleich Low-Budget-Rezepte dazu ...

Ich fand seine Tipps ziemlich miserabel. Was der an Essen vorschlug, war eine schlechte, extrem fleisch- und wurstlastige Fabrikküche. Also ungesund und unzureichend in jeder Hinsicht. Sarrazin hat unfreiwillig selbst bewiesen, dass Hartz IV zu wenig ist. Weil er eine schlechte Ernährung anbietet mit viel zu wenig Frischware.

Haben Sie jetzt nicht bewiesen, dass Hartz-IV-Empfänger sogar noch besser leben können, als Sarrazin uns weis machen wollte?

Nein, so ist das Buch nicht zu verstehen. Die Idee zu dem Buch ist aus einem persönlichen Engpass heraus entstanden. Es ist kein Appell an Leute, die kein Geld haben, auch noch im Bioladen einzukaufen. Hartz IV ist weiß Gott nicht üppig. Ich wollte zeigen, dass es überhaupt möglich ist - wie mühsam auch immer -, sich mit so wenig Geld bio zu ernähren. Leute, die mehr Geld haben, brauchen mir nicht mehr zu erzählen, dass sie sich bio nicht leisten können.

Die Fragen stellte Peter Carstens.

Zum Beispiel ... Spinatnudeln

Ob für 1 Person oder eine Großfamilie: Dieses Gericht ist simpel und schnell gemacht. Ich habe tiefgekühlten Spinat verwendet, der lässt sich gut portionsweise entnehmen. Für eine großzügige Portion reichen 120-150 Gramm.

1 Portion

150 g TK-Spinat

1 Knoblauchzehe

1 TL Butter

100 g Spaghetti

50 ml Sahne oder Crème fraîche

Salz, Pfeffer

Gesamtkosten: etwa 0,95 Euro

Spaghetti in Salzwasser garen, in ein Sieb abgießen und kurz mit kaltem Wasser abschrecken.

Inzwischen Knoblauch häuten, würfeln und bei milder Hitze in der Butter andünsten. Den Spinat und die Sahne dazugeben, 2 Minuten köcheln lassen. Mit Salz behutsam, mit Pfeffer kräftig würzen.

Die Nudeln in der Spinatsahne nochmal kurz erhitzen, fertig.

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