Hamburg gilt gemeinhin als grüne Stadt. Doch gibt es im Herzen der Hansestadt auch Stadtteile, die weit und breit kaum Grünes bieten. So im Industriegebiet Hammerbrook, hier herrschen große graue Bürobauten vor. Auch das Büro von Greenisfaction ist hier. In einem denkmalgeschützten Fabrikgebäude. Hier sitzen Sarah Volk und Stephan Suen an einem kleinen Tisch und rollen fleißig "Seedbombs". Das sind kleine Kugeln aus Erde, Ton und Saatgut. Dort wo man sie hinwirft, zerstören die kleinen Bomben allerdings nichts. Stattdessen hinterlassen die Kügelchen blühende Landschaften. Sarah und Stephan sind Teil einer Bewegung, die es sich zum Ziel gemacht hat brachliegende städtische Flächen mit Pflanzen zu verschönern und für die Bürger lebenswerter zu machen. Guerilla Gärtner wollen mehr Grün in den grauen, betonierten Alltag der Menschen bringen.
Bereits in den Siebzigerjahren nutzten in Großbritannien und den USA gärtnerische Aktivisten den öffentlichen Raum zum politischen Protest. Bewaffnet mit Schaufel, Erde und Saatgut wollten sich die Menschen vor allem "die Straßen zurückerobern". Meist bewegten sich die Gärtnertrupps im Schutz der Dunkelheit. Die am Morgen danach sichtbaren Moosbilder an Betonmauern oder Blumen auf Verkehrsinseln und in Schlaglöchern sollten darauf aufmerksam machen, dass der öffentliche Raum allen gehört und nicht nur dem Grünflächenamt.

Längst ist Guerilla Gardening auch in Deutschland angekommen. In vielen Großstädten kümmern sich Bürger um ungepflegte oder ungenutzte Flächen. Sie werden bepflanzt und regelmäßig gegossen und gesäubert. Es wird gehakt, gejätet, gesät. Dabei geht es den meisten Hobby-Gärtnern gar nicht mehr um den Protest. Auch Nacht-und-Nebel-Aktionen werden kaum noch durchgeführt. Der abenteuerliche Charakter des Guerilla Gardenings ist zumindest in Deutschland fast verschwunden. Das liegt größtenteils daran, dass das öffentliche Gärtnern nicht so illegal ist, wie es anmutet. In Hamburg zum Beispiel wird die öffentliche Gartenarbeit geduldet. Heike Mues, von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, kann das Bedürfnis der Bürger, ihre Stadt grüner zu gestalten, verstehen: "Dass ein Interesse an Grün und Blumen da ist, ist generell positiv".

Mittlerweile gibt es zahlreiche Formen des öffentlichen Gärtnerns. Nicht immer geht es nur ums Verschönern. Die Gruppe um Sarah Volk in Hamburg baut beispielsweise hauptsächlich Gemüse und Kräuter an. Großes Vorbild ist der Prinzessinnengarten in Berlin. Dort wird seit 2009 auf einer 6000 Quadratmeter großen Fläche Gemüse in Bioqualität angebaut. Das ist natürlich mit größerem Aufwand verbunden als das Aussähen von Blumensamen "Teilweise muss man sich gut um die Pflanzen kümmern. Außerdem muss man auch wissen, für welche Pflanzen wann die richtige Zeit ist". In dieser Form des Gärtnerns sehen Sarah Volk und der Rest ihrer Gruppe großes Potenzial, vor allem weil "regionale Bioware den Leuten immer wichtiger wird".
Diesen Trend zu mehr Nachhaltigkeit möchte Sarah Volk beeinflussen und einer breiten Masse zugänglich machen. Dafür machte sie sich zusammen mit ihrem Partner im April 2011 selbstständig und gründete den Online-Shop Greenisfaction, der noch im Mai 2011 starten soll. Verkaufen wollen sie dort Produkte für Urban- und Guerilla-Gardening - anfangs vor allem die Samenbomben. Die kann man zwar auch in Deutschland kaufen, doch werden die meisten Seedbombs in den USA industriell produziert. Das in den Kugeln enthaltene Saatgut stammt häufig aus Asien oder Afrika und ist für das deutsche Ökosystem alles andere als gut geeignet.

Anders machen es Sarah Volk und Stephan Suen: Die Seedbombs werden von Hand gefertigt und mit Saatgut aus deutschen Bio-Sämereien gefüllt. Verpackt und verschickt wird in bereits recyceltem Material, oder solchem das sich zur Wiederverwendung anbietet. Das kostet natürlich eine Menge Zeit und vor allem Geld. Der Preis für Biosamen ist im Schnitt etwa zwei- bis dreimal so hoch wie der von herkömmlichem Saatgut. Doch für Sarah ist das kein Hindernis, im Gegenteil: "Unser Anspruch ist hoch und wir geben dann auch gerne etwas mehr dafür aus".

Auch Lasse Walter aus Berlin hat es sich zur Aufgabe gemacht, seine Stadt ein bisschen schöner zu gestalten. Der Berliner hat das große Vorhaben, aus dem Gelände des ehemaligen Tempelhofer Flughafens die größte Blumenwiese der Welt zu machen. Um das zu erreichen, ruft er in sozialen Netzwerken und auf seiner Homepage dazu auf beim Spaziergang auf dem Tempelhofer Feld ein paar Blumensamen zu verstreuen. Das Vorhaben mutet unrealistisch an: um die komplette Fläche zum Blühen zu bringen, wären allein 200 Tonnen Saatgut notwendig. Doch Lasse Walter ist es einfach wichtig, dass aus der ungenutzten Fläche etwas gemacht wird, bis 2017 dort die Bundesgartenschau stattfinden wird. Und bis dahin arbeitet er mit seiner Aktion daran, den Berlinern beim Spaziergang "ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern". Walter verknüpft den Aufruf zum Pflanzen auf seiner Homepage auch mit einer Warnung: "Guerilla Gardening ist nicht ganz legal. Jeder entscheidet, ob er die Idee nur gut findet oder sich evtl. dazu berufen fühlt, seinen Teil dazu beizusteuern".
Gärtnern in der Stadt geht hingegen auch auf ganz legalem Weg. In vielen Großstädten können die Bürger einfach eine Grünpatenschaft übernehmen und sich um ein selbst ausgesuchtes Fleckchen Erde kümmern. Das kann zum Beispiel eine Grünfläche in einem Park, eine Baumscheibe oder eine Verkehrsinsel sein. "Viele Menschen kümmern sich schon unangemeldet um öffentliches Grün vor ihrer Haustür. Manche jäten, pflanzen und reinigen. Andere beschränken sich auf das Bewässern eines Straßenbaumes in heißen Sommermonaten", sagt Heike Mues von der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt. Bei einer eingetragenen Patenschaft wird vereinbart, wo und in welchem Umfang eine Fläche vom Paten gepflegt wird. Auskunft dazu erteilen die örtlichen Bezirksämter.