Ein Youtube-Video zeigt Bauern aus Honduras bei der Arbeit. Sie schleppen Säcke mit Kaffeebohnen. Frauen sortieren die Bohnen, Kinder stehen daneben und sehen interessiert zu. Alle wirken ganz zufrieden. Die Sprecherstimme berichtet zu volkstümlich anmutender Musik, dass die Kleinbauern für die demokratisch organisierte Kooperative RAOS arbeiten. Und dass viele ihren Beruf aufgeben müssten, wenn die Kooperative nicht mit der GEPA zusammenarbeitete.
GEPA ist in Europa und Deutschland neben El Puente, dwp, BanaFair und diversen kleineren Initiativen (darunter auch "GEO schützt den Regenwald") der mit Abstand wichtigste Importeur fair gehandelter Produkte, vor allem von Kaffee, Fruchtsäften, Zucker und Kakao, aber auch von Schmuck und Textilien.
Auch wenn der Spot ein wenig betulich daherkommt - es ist anzunehmen, dass es den Bauern der Kooperative und ihren Familien tatsächlich besser geht als anderen Arbeitern in der Region. Das Video zeigt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen konventionellem und fairem Handel: Beim fairen Handel steht der Produzent im Vordergrund, also meist der Kleinbauer oder Plantagenarbeiter aus einem Land der Dritten Welt.
Der Vorteil für die Bauern: Die GEPA zahlt der Kooperative für ihren Kaffee einen langfristig garantierten Preis, der über dem Weltmarktniveau liegt. So sind die Produzenten vor starken Preisschwankungen an den internationalen Rohstoffmärkten geschützt. Zwischenhändler, die einen Teil der Gewinne abschöpfen und in die eigene Tasche wirtschaften, sind tabu. Außerdem zahlt das Unternehmen seinen Partnern Prämien für soziale Projekte oder die Verbesserung der Anbautechniken und sichert ihnen langfristige Handelsbeziehungen zu. Es ermöglicht die Vorfinanzierung notwendiger Anschaffungen und berät seine Produzenten - etwa bei der Umstellung auf Bio-Landwirtschaft.
Das höhere Einkommen sichert nicht nur die wirtschaftliche Existenz der Bauern. Es sorgt etwa auch dafür, dass ihre Kinder die Schule besuchen können. Ausbeuterische Kinderarbeit wird im fairen Handel nicht geduldet. "Fairer Handel ist eine Handelspartnerschaft, die auf Dialog, Transparenz und Respekt beruht und nach mehr Gerechtigkeit im internationalen Handel strebt ..." Auf diese Definition einigten sich im Jahr 2001 die vier internationalen Dachverbände des fairen Handels.
"Fairtrade ist ein entwicklungspolititsches Instrument", ergänzt Claudia Brück. "Wir wollen Armut in den Ländern des Südens mindern." Claudia Brück ist Pressereferentin bei Fairtrade Deutschland (ehemals TransFair). Der Verein sorgt dafür, dass die Idee des fairen Handels in Deutschland bekannter wird. Und er wirbt um Produzenten und Genossenschaften, die bereit sind, zu fairen Bedingungen zu produzieren.
Rund 1,2 Millionen Bauern und Plantagenarbeiter arbeiten schon heute nach den Standards des blau-grün-schwarzen Fairtrade-Siegels - und profitieren so vom gerechten Handel mit den wohlhabenden Nationen. Rechnet man alle Familienmitglieder mit ein, kommt man auf rund sechs Millionen Menschen in den Entwicklungsländern vor allem Afrikas und Mittelamerikas, deren Lebensbedingungen sich durch fairen Handel verbessert haben, berichtet das Forum Fairer Handel, das Netzwerk der Fairtrade-Akteure.
Das Fairtrade-Siegel ist in Deutschland das wichtigste Erkennungsmerkmal für fair gehandelte Produkte; für seine Vergabe ist hierzulande der Verein Fairtrade Deutschland zuständig. Was "fair" ist, das regeln die Standards, die Fairtrade International (ehemals Fairtrade Labelling Organisation, FLO) erarbeitet hat. Ihre Einhaltung wird durch strenge Aufnahmekriterien und laufende Kontrollen garantiert. Mindestens einmal im Jahr werden die Produzenten und Genossenschaften von der Bonner FLO-CERT GmbH überprüft, erläutert Claudia Brück - in angekündigten und unangekündigten Kontrollen.
Für die Produkte ist die Auszeichnung durch das Fairtrade-Siegel ein wichtiges Verkaufsargument. "Immer mehr Verbraucher wollen wissen, woher ein Produkt kommt und unter welchen Bedingungen es produziert wurde - und sie vertrauen dabei auf des Fairtrade-Siegel. Beim Ethical Brand Monitor, einer Verbraucherumfrage zum Thema Nachhaltigkeit, landete das Fairtrade-Siegel unter 400 Organisationen auf Platz eins - noch vor dem WWF, Greenpeace oder Amnesty International. Demnach hat das Siegel bei den befragten Verbrauchern den "größten nachhaltigen Markenwert".
Viele Käufer wollen zum Beispiel ausschließen, dass sie indirekt ausbeuterische Kinderarbeit unterstützen", sagt Claudia Brück. Das belegt auch eine Umfrage des Forums Fairer Handel, des deutschen Netzwerks der Akteure im fairen Handel, aus dem vergangenen Jahr. Demnach war den meisten Befragten (77 Prozent) wichtig, mit ihrem Einkauf keine Kinderarbeit zu unterstützen, gefolgt von der "richtigen Verwendung des [eigenen] Geldes" (59 Prozent) und einer guten Qualität (55 Prozent).
Dass die Akzeptanz und die Bekanntheit von Fairtrade-Produkten in den vergangenen Jahren stark zugenommen hat, stellt auch Brigitte Frommeyer von der GEPA fest. Denn seit 1973 der erste von heute 800 Weltläden in Stuttgart eröffnete, hat sich viel getan. Seither haben Fairtrade-Produkte auch in Bio- und Supermärkten und sogar in Discountern Einzug gehalten. So hat der faire Handel immer neue Käufergruppen erschlossen. Nach einer Erhebung des Forums Fairer Handel wurden 2009 schon 67 Prozent aller Fairtrade-gelabelten Produkte im Lebensmittel-Einzelhandel verkauft.
Doch der Vorstoß in die Discounter-Ketten hat dem fairen Handel auch Kritik eingebracht. Lidl etwa sieht sich selbst mit Vorwürfen konfrontiert, mit seinen Mitarbeitern unfair umzugehen. Darf man, wenn die Vorwürfe stimmen, in solchen Läden fair gehandelte Produkte anbieten? Verrät die Branche damit nicht ihre eigenen Ideale? Brigitte Frommeyer spricht von einem Balanceakt. "Die GEPA liefert nicht an Lidl, denn das Vertrauen in die hohen Sozialstandards des fairen Handels ist uns ein hohes Gut. Das sollte nach unserem Verständnis für die ganze Handelskette gelten, nicht nur für unsere Partner im Süden. Grundsätzlich finden wir es aber natürlich gut, dass der Verkauf in die Breite geht und mehr abgesetzt wird." Wirtschaftlich ist die Strategie jedenfalls ein Erfolg: 2010 gaben die Deutschen 340 Millionen Euro für fair gehandelte Produkte aus, schätzt Fairtrade Deutschland - 27 Prozent mehr als im Vorjahr.
Zum ursprünglichen Ziel des Fairtrade-Gedankens, der Handelsgerechtigkeit, kommen heute weitere hinzu. So sind heute schon rund drei Viertel aller GEPA-Produkte bio-zertifiziert, Tendenz steigend. "Das ist wichtig für unser Qualitätsverständnis. Nur 'fair', das reicht auf Dauer nicht aus", sagt Brigitte Frommeyer.
Dennoch gibt es noch "Luft nach oben", schreibt das Forum Fairer Handel in einem Papier zur Marktentwicklung. Beispiel England: Dort beträgt der Marktanteil des fair gehandelten Kaffees rund 20 Prozent, in Deutschland hingegen nur etwas mehr als ein Prozent. Und während hier jeder Bürger jährlich etwa vier Euro für Fairtrade-Produkte ausgibt, sind es in England umgerechnet 15 Euro pro Person (in der Schweiz sogar 23 Euro). Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren. Ist es das schlechte Gewissen, das die ehemalige Kolonialmacht England zu Fairtrade-Kaffee greifen lässt?
Den Kaffeebauern der Kooperative RAOS kann das egal sein. Hauptsache, das Modell der Zusammenarbeit mit Fairtrade-Importeuren macht Schule. In Honduras und anderswo im "globalen Süden".