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Biokraftstoffe Zucker im Tank

Die EU will 2020 zehn Prozent des Kraftstoffverbrauchs aus nachwachsenden Rohstoffen decken. Aber woher kommt eigentlich der europäische Biosprit? Und wie "bio" ist er? Wir beantworten die wichtigsten Fragen

Inhaltsverzeichnis

Biosprit-Fragen 1 bis 4

1. Was ist eigentlich Biosprit?

Man unterscheidet Biokraftstoffe der ersten und der zweiten Generation: Zur ersten Generation gehören Biodiesel aus ölhaltigen Pflanzen wie Raps, Soja und Ölpalme sowie Bioethanol aus zucker- und stärkehaltigen Pflanzen wie Zuckerrübe, Zuckerrohr und Mais. Bioethanol ist ein Benzinersatz, der fossilem Benzin in der Regel beigemischt wird.

Die zweite Generation der Biokraftstoffe verwendet unter anderem zellulosehaltige Stoffe wie Stroh und Holz(reste). Bislang ist es aufwendig und teuer, Biosprit der zweiten Generation zu produzieren, er hat nur einen sehr geringen Anteil. Die EU rechnet nicht damit, dass dieser Sprit bis 2020 wettbewerbsfähig wird.

Von allen Biokraftstoffen wird in der EU am meisten Biodiesel verbraucht, 2008 waren es 81 Prozent des gesamten Biosprits. Der Bioethanol-Anteil der ersten Generation machte 18 Prozent aus.

Biokraftstoffe: Umstrittene Energiealternative: Tanken mit Biosprit
Umstrittene Energiealternative: Tanken mit Biosprit
© Imago/McPHOTO

2. Warum Biosprit?

Fossile Rohstoffe werden knapper, die Preise für Öl und Gas steigen, zudem sind einige Förderländer politisch instabil und dadurch wenig zuverlässig, wie beispielsweise Libyen. Außerdem entstehen bei der Verbrennung von Öl Treibhausgase. Die EU sucht daher nach Energiealternativen und setzt gerade im Bereich Verkehr auf Biokraftstoffe.

2003 hat die EU in einer Richtlinie einen Mindestanteil von Biosprit für den Kraftstoffmarkt beschlossen, er sollte in Stufen von zwei Prozent 2005 auf 5,75 Prozent 2010 steigen und soll 2020 zehn Prozent erreichen. Die Beimischungsquoten der Mitgliedsstaaten sind teilweise noch sehr unterschiedlich, Deutschland mischte bereits 2008 im Schnitt 6,3 Prozent Biokraftstoffe bei.

3. Was ist mit E10?

Bislang betrug der Bioethanolanteil im Benzin bis zu fünf Prozent (E5), seit Mitte Dezember bieten Tankstellen in Deutschland auch Benzinsorten mit bis zu zehn Prozent Bioethanol an: das sogenannte E10. Damit wird eine europäische Richtlinie umgesetzt. Tatsächlich müssen Mineralölkonzerne eine Beimischungsquote von 6,25 Prozent erfüllen. E5 müssen sie weiterhin an Tankstellen anbieten, der ADAC kritisiert aber, dass manche Konzerne zunächst Super E5 (95 Oktan) aus dem Angebot genommen und durch teureres Super Plus E5 (98 Oktan) ersetzt hätten.

Nach Einführung herrschte große Skepsis bei den Verbrauchern: Sie fürchteten, der neue Kraftstoff schädige den Motor, sie zweifelten an der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen oder lehnten es ab, Nahrungsmittel zu verbrennen (siehe Fragen 7 und 8). Der ADAC schätzt, dass E10 inzwischen an rund 60 Prozent der Tankstellen verkauft wird und dort vor allem durch tankende Auto- und Motorradfahrer einen Marktanteil von gut 30 Prozent erreicht. Es ist der günstigste Kraftstoff, Super E5 kostet derzeit etwa drei Cent mehr.

Der ADAC vermutet, die erhöhten Preise für E5 lägen an möglichen Strafen, die Ende des Jahres auf die Mineralölkonzerne zukommen könnten: Wer die Quote von 6,25 Prozent nicht erfüllt, muss zahlen. Die Strafe gäben manche Firmen bereits jetzt an die Verbraucher weiter.

4. Woher kommt der Biosprit für Europa?

Die Mehrheit der Biokraftstoffe, die in der EU verbraucht werden, stammt auch aus Europa. 2008 betrugen die Nettoimporte aus Nicht-EU-Ländern 15 Prozent. Deutschland, Frankreich, Italien, Schweden und Spanien produzierten mehr als drei Viertel des Biosprits, der in der EU hergestellt wird.

Allerdings stiegen zwischen 2005 und 2008 die Importe von Biokraftstoff von 399.000 Tonnen Öläquivalent auf 2,9 Millionen Tonnen Öläquivalent. Eine Tonne Öläquivalent entspricht ungefähr der Energiemenge, die aus einer Tonne Rohöl gewonnen wird. In Europa reichen die Anbauflächen nicht aus, um die steigende Nachfrage zu decken. Eine Studie des Institute for European Environmental Policy kommt zu dem Schluss, dass die EU 2020 44 Prozent des Bioethanols und 36 Prozent des Biodiesels beziehungsweise der dafür benötigten Rohstoffe importieren muss.

Noch verwenden die Hersteller für die Biodieselproduktion in der EU zwischen 57 und 70 Prozent Rapsöl aus den Mitgliedsstaaten. In einem Bericht der Europäischen Kommission von 2008 heißt es allerdings, fast alles Rapsöl würde für Nahrungsmittel verwendet werden, wenn es keinen Biodiesel gäbe. Unter der Annahme, dass Menschen und Tiere in der EU nicht weniger Raps konsumieren, nur weil es Beimischungsquoten gibt, müsste die fehlende Menge also durch

Importe gedeckt werden, vor allem durch billigeres Palmöl.

Importiertes Sojaöl hat bislang einen Anteil von 14 bis 24 Prozent an der Biodieselproduktion und kommt vor allem aus Argentinien, Palmöl, das aus Indonesien und Malaysia importiert wird, macht fünf bis elf Prozent aus. Bioethanol wird zum Großteil aus Weizen, Mais, Gerste und Zuckerrüben aus der EU gewonnen, zusätzlich wird Zuckerrohr importiert, hauptsächlich aus Brasilien.

Biosprit-Fragen 5 bis 7

5. Wer sind die großen Spieler des Business?

Auf dem deutschen Markt für Ethanol gehören vor allem die Firmen Crop Energies, ein Mitglied der Südzucker-Gruppe, und Verbio zu den großen Produzenten. Verbio stellt auch Biodiesel her, daneben sind die US-amerikanischen Konzerne ADM und Cargill auf dem deutschen Markt für Biodiesel vertreten. Als wichtigsten Abnehmer für Biodiesel und Bioethanol nennt Verbio die Mineralölindustrie.

ADM, Cargill, Bunge und der niederländische Konzern Louis Dreyfus Commodities sind auch auf internationaler Ebene große Spieler im Nahrungsmittel- und Biokraftstoffsektor, ebenso der finnische Mineralölkonzern Neste Oil und die indonesische Sinar Mas, die im asiatischen Raum besonders in der Palmölbranche tätig ist. Generell konzentriert sich die Branche eher auf große, oft multinationale Unternehmen. Kleine Betriebe haben häufig Wettbewerbsnachteile.

6. Wie ist die Energiebilanz von Biokraftstoff?

Die Energiebilanz bezeichnet das Verhältnis von produzierter Energie zur der Energie, die bei der Produktion aufgewendet wird. Sie hängt unter anderem vom Rohstoff ab (Mais, Zuckerrohr, Raps), von den Maschinen und den Rohstoffen, mit denen diese betrieben werden (Kohle, Gas, Biomasse), der Technologie in den Mühlen und davon, was mit Abfallprodukten geschieht (Tierfutter, Verwertung). Die Ermittlung genauer Zahlen ist schwierig.

Daher kommen Studien oft zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Energiebilanz. Eine Metaanalyse fasst sie zusammen. Bioethanol aus Mais spart demnach im Schnitt fast 40 Prozent an Energie im Vergleich zu konventionellem Kraftstoff ein, Bioethanol aus Zuckerrüben rund 60 Prozent und aus Zuckerrohr fast 90 Prozent der Energie.

Bei Biodiesel aus Raps errechnen die meisten Studien eine Energieersparnis von 55 bis 60 Prozent gegenüber fossilem Diesel. Bei Soja und Palmöl variieren die Angaben sehr stark, unter anderem wegen unterschiedlicher Erträge pro Anbaufläche. Wird im Produktionsprozess viel Energie verbraucht, was manche Studien annehmen, kann Biodiesel aus Soja sogar eine negative Energiebilanz aufweisen.

7. Und wie sieht es mit der Ökobilanz aus?

Um die Ökobilanz von Biokraftstoffen zu bestimmen, untersuchen Wissenschaftler die Treibhausgasemissionen von der Herstellung bis zum Verbrauch des Sprits. Durchschnittlich entstehen durch Mais-Ethanol immer noch über 85 Prozent der Treibhausgase, die eine energetisch gleiche Menge konventionelles Benzin abgeben würde, fünf Studien weisen mögliche negative Ergebnisse aus - dann würde Mais-Ethanol sogar mehr Treibhausgase verursachen als Benzin. Zuckerrübe spart im Schnitt rund die Hälfte der Emissionen, Zuckerrohr sogar über 85 Prozent.

Auch die EU hat berechnen lassen, wie viele Emissionen durch Biokraftstoffe gespart werden, demnach liegen die Einsparungen bei Biodiesel aus Raps zwischen 38 und 45 Prozent, aus Soja bei 31 bis 40 Prozent und Palmöl zwischen 19 und 36 Prozent.

Im Juli berichtete EuropeanVoice.com, der Internetauftritt der gleichnamigen Wochenzeitung, von einem unveröffentlichten Gutachten der Europäischen Kommission, das zu dem Ergebnis komme, Biodiesel aus Palmöl, Soja und Raps verursache mehr Treibhausgase als fossiler Diesel, sobald umweltschädliche Nebenaspekte mit eingerechnet würden. Dabei gehe es um sogenannte indirekte Landnutzungsänderungen. Das bedeutet, dass die Rohstoffe für Biokraftstoffe zwar auf bestehendem Ackerland angebaut werden, aber Lebensmittel auf neue Flächen verdrängen, für die dann beispielsweise Regenwald gerodet wird. Doch es gibt auch weitere Vorwürfe.

Biosprit-Fragen 8 und 9

8. Welche Kritikpunkte gibt es noch gegenüber Biokraftstoffen?

Aus ökologischer Sicht sind Landnutzungsänderungen bedenklich, ob die Anbaufläche für den Rohstoff selbst in natürliche Ökosysteme vordringt oder andere Felder dahin verdrängt. Die Natur leidet zudem daran, dass viele Pflanzen für Biosprit als Monokulturen angebaut werden, beispielsweise Sojafelder in Argentinien, die die Artenvielfalt reduzieren, die Böden zerstören und dadurch die Pflanzen anfällig für Schädlinge machen. Die Folge: Landwirte setzen dann oft übermäßig viel Düngemittel und Pestizide ein.

Argentinische Soja ist zudem zu fast 100 Prozent transgene Soja des US-Konzerns Monsanto. Die Genveränderung lässt die Pflanzen resistent gegen ein bestimmtes Herbizid, also ein Unkrautbekämpfungsmittel, werden, und ermöglicht, die Saat auszusäen, ohne den Boden vorher umzupflügen. Da ohne Umpflügen aber das Unkraut nicht bekämpft wird, müssen Bauern viel Herbizid versprühen - das sie wiederum nur von Monsanto beziehen und das den Boden belastet. Außerdem verlangt Monsanto für das Saatgut eine Lizenzgebühr von den Bauern.

Aus ethischer Sicht stellt sich vorrangig das Problem der Konkurrenz zu Nahrungsmitteln. Seit einigen Jahren steigen die Nahrungsmittelpreise stetig. Bisher ist aber nicht schlüssig nachgewiesen, wie stark dies durch die Produktion von Biokraftstoffen beeinflusst wird. Grundsätzlich gibt es weltweit noch genügend Anbauflächen für Nahrungsmittel und Energiepflanzen, die zunehmende Nachfrage aus Europa und auch den USA führt aber dazu, dass manche Länder den Anbau von Energiepflanzen für den Export fördern und die Lebensmittelproduktion für den eigenen Markt vernachlässigen. Ein Verhalten, das Ernährungsengpässe und Hungersnöte fördern könnte.

Zudem bewirkt die Expansion von Anbauflächen großer Betriebe beispielsweise in Brasilien Konflikte mit Kleinbauern und indigenen Gemeinschaften. Auf vielen Zuckerrohrfeldern gefährden die Arbeiter ihre Gesundheit.

Ethanol aus Zellulose konkurriert im Gegensatz zu Biosprit der ersten Generation nicht mit der

Nahrungsmittelproduktion um Anbauflächen. Außerdem erzielen diese Rohstoffe einen höheren Ertrag pro eingesetzter Anbaufläche, da in der Regel die ganze Pflanze verwendet wird. Biosprit der zweiten Generation verursacht auch weniger Treibhausgase als Biodiesel und Bioethanol der ersten Generation. Doch die Wettbewerbsfähigkeit dieses Kraftstoffs wird bezweifelt (siehe Frage 1).

9. Wie begegnet die EU dieser Kritik?

Die EU schreibt vor, dass Biokraftstoffe 35 Prozent Treibhausgasemissionen gegenüber fossilen Kraftstoffen einsparen müssen, 2017 müssen es 50 Prozent weniger Emissionen sein. Einige Länder, darunter Deutschland, haben ein System entwickelt, das überprüft, ob Biokraftstoffunternehmen die Anforderungen einhalten.

Mitte Juli hat die Europäische Kommission zudem sieben weitere Zertifizierungssysteme anerkannt, die den Unternehmen Nachhaltigkeit bescheinigen . Die nationalen und die neu anerkannten Kontrollmechanismen sollen dafür sorgen, dass nicht umweltzerstörend kultiviert wird, also beispielsweise Regenwälder und Torfgebiete nicht in Zuckerrohr- und Palmölplantagen verwandelt werden.

Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace und Friends of the Earth kritisieren, dass indirekte Landnutzungsänderungen und soziale Aspekte bei der Zertifizierung keine Rolle spielen (siehe Fragen 7 und 8). Außerdem sei es schwierig, Konzerne in Indonesien oder Brasilien zufriedenstellend zu überwachen. An manchen Zertifizierungssystemen seien Unternehmen aus der Biokraftstoffbranche beteiligt, Interessenskonflikte seien also sicher.

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