"Think big!" scheint das Motto dieses Mannes zu sein. Für seine Foto- und Filmprojekte reist Yann Arthus-Bertrand seit über 20 Jahren um den Globus, rastlos, immer auf der Suche nach neuen Entdeckungen, Projekten, Partnern, Gleichgesinnten. Der 66-jährige Franzose hat eine Mission: die Schönheit der Erde zu zeigen und zu bewahren.
Von Dreharbeiten in Kenia ist "YAB", wie ihn seine Freunde nennen, nach Hamburg gekommen, zu einer improvisierten Pressekonferenz an Bord der Forschungsyacht "Aldebaran". Anlass ist der DVD-Start seines neuen Films "Planet Ocean". Es ist ein bildgewaltiges Porträt des wichtigsten Lebensraums der Erde. Und ein Appell, ihn zu bewahren. "Haben Sie den Film gesehen?", fragt er die Journalisten. Nicken. "Dann wissen Sie doch schon alles", sagt er, während er seine E-Mails checkt. Aber dann, es drängt förmlich aus ihm heraus, beginnt er doch zu erzählen: Wie er vom Fotografen zum Umweltaktivisten wurde. Was ihn antreibt. Was auf dem Spiel steht.

Die Erde von oben

Berühmt wurde Arthus-Bertrand mit seinen Luftbildern. Drei Jahre lang dokumentierte der studierte Biologe das Leben einer Löwenfamilie in Kenia. Um die Tiere möglichst wenig zu stören, machte er Luftbilder, aus einem Heißluftballon. Seither ließ ihn diese Perspektive nie wieder los. Mit allem, was fliegt und einen Menschen und eine Kamera trägt, schwang er sich in die Luft: Ballone, Helikopter, Ultraleichtflugzeuge. Er fotografierte das Antlitz der Erde, wie es vor ihm noch keiner getan hatte. Er gründete "Altitude", die erste Fotoagentur für Luftbilder. Sein Bildband "Die Erde von oben", eine Ode an die Schönheit der Erde, verkaufte sich bislang drei Millionen Mal. Und machte ihn berühmt, weit über die Grenzen Frankreichs und der Fotografenszene hinaus.
Doch auf Luftbilder reduzieren lässt sich das Phänomen YAB nicht. Statt nur die Schönheit der Erde zu zeigen, fing er an, Veränderungen zu dokumentieren. Veränderungen, für die der Mensch verantwortlich ist: wuchernde Städte, gerodete Regenwälder. Er gründete die Goodplanet Foundation. Er wurde Botschafter des Umweltprogramms der Vereinten Nationen.
Seit 2003 arbeitet Arthus-Bertrand an seinem Mammutprojekt "7 Billion Others", einer Porträtserie von mehr als 7000 Menschen aus 84 Ländern. Jeder bekam dieselben 45 Fragen vorgelegt. "Was ist Liebe für Sie?", "Wovor haben Sie Angst?", "Was möchten Sie Ihren Kindern mitgeben?". Als Arthus-Bertrand mit den Video-Interviews begann, hieß das Projekt noch "6 Billion Others". Mittlerweile ist die Menschheit auf sieben Milliarden Menschen angewachsen, in wenigen Jahren werden es acht sein. Es ist das Porträt einer gefährdeten Spezies. Denn längst sind es nicht mehr nur einzelne Tier- und Pflanzenarten, die vom Aussterben bedroht sind. Sondern die Menschheit selbst. Arthus-Bertrands Stimme wird lauter, rauher. Er zitiert eine Studie der Weltbank, die angesichts des Klimawandels vor "Risiken außerhalb der Erfahrung unserer Zivilisation" warnt.
"Es ist zu spät, pessimistisch zu sein"
Am 5. Juni 2009, dem Weltumwelttag, veröffentlichte er seinen Film "Home" - weltweit gleichzeitig im Kino, auf DVD, im Fernsehen und kostenlos im Internet. Rund 600 Millionen Menschen sahen bislang, was wir aus unserem Planeten gemacht haben. Und wie wir bewahren können, was noch zu bewahren ist. Denn "es ist zu spät, pessimistisch zu sein", sagt er. Nach allem, was die Wissenschaft weiß, ist der Klimawandel zwar kaum noch im Zaum zu halten. Und doch müssen wir handeln.
Und zwar jetzt. "Let’s act now!" ist die unmissverständliche Aufforderung am Schluss von "Planet Ocean". "Jeder kann etwas tun", sagt Arthus-Bertrand. Zum Beispiel keine Fischarten essen, die als überfischt gelten. "Wenn niemand mehr Blauflossenthunfisch isst, dann wird er auch nicht mehr gefangen", sagt Arthus-Bertrand. So einfach ist das. Oder könnte es sein. Seit einem halben Jahr ist er Vegetarier, er brauche kein Fleisch. Auch vom Fisch will er sich entwöhnen. Wer "Planet Ocean" gesehen hat, versteht, warum.
Es ist ein überwältigender Bilderreigen über die Ozeane und das Leben in ihnen. Doch immer wieder unterbricht Arthus-Bertrand das Schwelgen in Schönheit, um den enormen Einfluss zu zeigen, den wir Menschen auf die scheinbar unergründlichen Ozeane haben, zeigt, wie sensibel die riesigen Ökosysteme auf die Eingriffe des Menschen reagieren: Überfischung, Müllstrudel, die Erderwärmung mit ihren Folgen, wie dem Korallensterben. Eine quälend langsame Kamerafahrt um einen auf Grund gelaufenen Containerfrachter, an Bord turmhohe Containerstapel, die ins Meer zu kippen drohen: ein Sinnbild des berstenden Traums vom ewigen Wachstum. Wie lange, fragt Arthus-Bertrand mit diesen Bildern, geht das noch gut?
Auf die richtigen Partner kommt es an
Neben ihm sitzt in der Kajüte der "Aldebaran" Michael Pitiot, der Co-Regisseur des Films, auch er ein erfahrener Filmemacher. Er drehte schon in Afrika, Afghanistan, der ehemaligen Sowjetunion und Vietnam. 2006 begleitete Pitiot die "Tara", ein französisches Expeditions- und Forschungsschiff, und berichtete über die Erforschung des Planktons in der Arktis und die Folgen des Klimawandels für den Arktischen Ozean. Vom Vegetarismus konnte Arthus-Bertrand ihn bisher nicht überzeugen. Aber dass sie zusammenarbeiten wollen, darüber seien sie sich innerhalb einer Viertelstunde einig gewesen, erzählt Pitiot. Es passte einfach.
Als Frank Schweikert, der Kapitän der "Aldebaran", sein Projekt vorstellt, unterbricht ihn Arthus-Bertrand. Ob er schon Kontakt mit den französischen Kollegen vom "Tara"-Team aufgenommen habe, die ähnliche Forschungsschwerpunkte haben. Arthus-Bertrand, das spürt man, will Leute zusammenbringen, die das Richtige tun.
Doch genug geredet. Arthus-Bertrand treibt es an Deck. Er will noch etwas sehen vom Hamburger Hafen. Denn die schwimmende Pressekonferenz nähert sich wieder dem Liegeplatz der "Aldebaran". Er lässt sich die Tide und den Containerhafen, die Elbphilharmonie und die Hafencity erklären.
Und dann ist YAB auch schon wieder weg. Nächste Station: Genf, Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen. Zu Hause in Paris bereitet er für das französische Fernsehen eine Serie über NGOs vor. "Ich habe genug davon, Filme zu machen, die man Kindern eigentlich nicht zeigen darf, weil sie so deprimierend sind", sagt er über "Planet Ocean". "Heute interessieren mich vor allem Leute, die die Welt verändern wollen, die nicht aufgeben."

Von Yann Arthus-Bertrand und Michael Pitiot (DVD/Blu-ray)
