+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++
Männliche Schweine riechen und schmecken gelegentlich nach Eber. Das ist normal – stört aber Fleischesser. Und Produzenten sorgen sich dementsprechend um ihren Absatz. Nun haben Forscher eine Methode vorgestellt, dieses natürliche Phänomen auszuschalten.
Sie haben die Genetik des Schweins so manipuliert, dass das männliche Tier trotz seines Y-Chromosoms „innerlich“ wie „äußerlich“ einem weiblichen Schwein gleicht. Und auch keinen Ebergeruch entwickelt. Solchen pseudo-weiblichen, männlichen Tieren blieben weitere „produktveredelnde“ Eingriffe, etwa durch eine Kastration, erspart. Die Forscher bezeichnen die Methode als Grundlagenforschung, die wegen geltender Gesetze (noch) nicht angewendet werden könne.
Die ethische Frage, die eine so weitreichende Manipulation von fühlenden und intelligenten Lebewesen zu rein menschlichen Zwecken aufwirft, liegt gleichwohl auf der Hand: Ist es eigentlich legitim, leidensfähige Wesen so lange zu manipulieren, bis sie den Anforderungen des Marktes entsprechen?
Mit neuen Techniken können wir „Nutz“-Tiere fast nach Belieben gestalten
Wer jetzt behauptet, so genannte Nutztiere habe der Mensch schon immer durch Zucht an seine Konsumbedürfnisse angepasst, hat Recht – verschweigt aber, dass die sich rasch erweiternden Möglichkeiten der Gentechnik – in diesem Fall das CRISPR/Cas-System, auch bekannt als Gen-Schere – die Möglichkeiten von Homo sapiens rasant erweitert und beschleunigt haben. Und dass mit dieser theoretischen Entgrenzung auch die Frage nach Moral und Verantwortung drängender wird.
Der Hinweis eines der beteiligten Forscher, „da müssen sich dann sowohl die Verbraucher als auch die Produzenten letztendlich fragen, was sie wollen", ist entlarvend: Geforscht wird offenbar im moralfreien Raum. Die Ethik kommt dann irgendwie an der Ladentheke ins Spiel.
Doch Verantwortung abzuwälzen, funktioniert nicht: Der Ebergeruch wurde jahrzehntelang unterdrückt, indem Schweinehalter männliche Ferkel ohne Betäubung aufgeschnitten und kastriert haben. Gestört haben sich daran nur wenige Konsumenten, die Politik hat die tierschutzwidrige Praxis lange, beschämend lange geduldet. Mehr als sieben Jahre brauchte es, bis das beschlossene Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration jetzt rechtswirksam werden konnte.
Weniger qualvolle Methoden, den Geruch zu unterdrücken, gibt es zwar längst. Seit Jahresbeginn ist die betäubungslose Kastration – nun wirklich – verboten. Tierproduzenten haben jetzt die Wahl zwischen einer Kastration unter Narkose und einer sogenannten Immunokastration, die auch Tierschutzverbände als geringstes Übel favorisieren. Doch die Frage nach der moralischen Legitimation der massenhaften Tierproduktion bleibt unverändert bestehen.
Die Zucht „weiblicher“ männlicher Schweine ist kein Tierschutz, sondern eine Missachtung der Würde des zur Marktförmigkeit verdammten Lebewesens. Und damit kein Lösungsansatz – sondern Teil des Problems.