»Was den Umweltjüngern früher die Cola-Dose war, ist heute das Fliegen. (...) Fliegen verursacht immer noch nur 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emission, während allein Internet und Server weltweit schon 4 Prozent ausmachen, und wir haben so viele weitere Probleme, an denen wir dringend arbeiten müssen.« Das sagt nicht die Chefin irgendeines Luftfahrtverbandes, sondern die Klimaaktivistin und Mitbegründerin von Greenpeace, Monika Griefahn. Im Stern-Interview erklärt die frühere Umweltministerin von Niedersachsen, Greta Thunberg hätte 2019 ihre Reise nach Amerika statt mit dem Segelschiff ebenso gut auch per Flugzeug machen können. Haben wir da was verpasst? Ist das Fliegen zu Unrecht in Verruf geraten?
Verdächtig ist allemal Griefahns Hinweis, das Fliegen sei »nur« für 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Denn rechnet man nicht nur das CO2, sondern die Wirkung aller Klimagase, der Rußpartikel und des Kondenswassers in großer Höhe ein, dann ergibt sich laut Umweltbundesamt eine zwei- bis fünffach höhere Klimawirkung. Aber das Kleinrechnen des Problems funktioniert auch aus einem anderen Grund nicht: Denn das Flugticket ist diejenige private Kaufentscheidung mit dem größten Potenzial, das Klima zu schädigen. Also eine Entscheidung für Emissionen, die sich meist sehr leicht vermeiden ließen.
Während der Kollaps des Klimas durch Wetterkapriolen und -katastrophen in unser Bewusstsein dringt, wird die Kluft zwischen Wissen und Handeln immer größer. Doch nicht nur Regierungen und Weltklimakonferenzen versagen dabei, die größte Herausforderung der Gegenwart zu bewältigen. Sondern wir alle. Peter Carstens entlarvt in seinem Buch "Das Klimaparadox" die Ausreden und Rechtfertigungsmuster, mit denen wir uns selbst ausbremsen.
Wirklich "wichtiger"?
Je nach politischer Herkunft führen Menschen zahllose Probleme ins Feld, die angeblich gerade drängender sind als XY. Monika Griefahn nennt im Stern-Interview die Bodenverarmung. Stimmt, wichtiges Thema. Und was ist mit Atomraketen, mit der Vermüllung der Ozeane, der Schere zwischen Arm und Reich, der Schuldentilgung, den Neonazis, der Marktführerschaft bei erneuerbaren Energien, den Außerirdischen? Lauter drängende Probleme, keine Frage. Aber wenn wir die Klimaerwärmung nicht stoppen, steht die Zukunft der menschlichen Zivilisation auf dem Spiel.
Man muss fairerweise ergänzen, dass die ehemalige Umweltaktivistin Monika Griefahn heute nicht etwa für eine Airline arbeitet. Sondern unter anderem für die Kreuzfahrtbranche.