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#Klimahysterie Warum die Klimadebatte tatsächlich hysterische Züge trägt

Klimademonstration
In der aufgeheizten Klimadebatte greifen Engagierte schon mal zu plakativen Botschaften - und auch zu Übertreibungen
© picture alliance / Uta Poss
Klimaschützer schlagen bisweilen mit Übertreibungen um sich. Das schadet der Sache nur – weil es ihren Gegnern Futter gibt

+++ Kolumne "Alles im grünen Bereich" +++

Debatten werden heute leidenschaftlicher geführt, kontroverser, polarisierter. Man mag das für ein Zeichen einer gesunden, lebendigen Streitkultur einer demokratisch verfassten Gesellschaft halten. Und Konsens in wichtigen Fragen ist nun mal eher die Ausnahme als die Regel.

So verstanden, steht das Wort Unwort des Jahres, "Klimahysterie" nicht nur für eine pauschale Abwertung von Klimaschützern. Es beschreibt auch die fieberhafte Stimmung, um nicht zu sagen: die Erregung, mit der das Klima diskutiert wird.

Um die zu verstehen, muss man sich klarmachen, vor welchem Hintergrund die Debatte geführt wird:

Eine historisch nie dagewesene Situation

Die Menschheit steht vor einem Problem im globalen Maßstab, das sie selbst verschuldet hat. Energieerzeugung, -verschwendung und Lebensstil in den industrialisierten Ländern tragen dazu bei, dass sich die Lebensbedingungen für alle verschlechtern. Und schon heute vor allem für die, die bislang am wenigsten dazu beigetragen haben. Etwa Bauern in Bangladesch, deren Felder durch den Meeresspiegelanstieg versalzen. Oder Bewohner von niedrig liegenden Pazifikinseln, die absehbar im Meer versinken werden.

Wir haben heute schon eine menschengemachte Erwärmung von 1,1 Grad gegenüber vorindustriellen Zeiten. Und wir sehen die Konsequenzen davon – darunter auch die Dürre und die verheerenden Waldbrände in Australien. Dass wir auf eine Erwärmung von vier Grad oder mehr am Ende dieses Jahrhunderts zulaufen, sollte nicht noch ein Wunder geschehen - das ist keine Schwarzmalerei oder apokalyptisches Gerede, am wenigsten Panikmache im Dienst einer Weltverschwörung.

Heute schon stellt sich die Frage, wer für diese gigantischen Umwälzungen die Verantwortung trägt. Und die Frage nach der Gerechtigkeit. Das schürt Ängste. Auf der einen Seite die Angst, dass unser Wirtschaftssystem und Lebensstil, also ein Teil unseres Selbstverständnisses und unserer Identität, sich im globalen Maßstab als echtes Problem entpuppen könnten. Schuld und Verantwortung bedrohen unser positives Selbstbild. Da ist es nicht verwunderlich, dass Verdrängung und Relativierung der Klimaerwärmung und ihrer Folgen heute allgegenwärtig sind.

Und genau das treibt Klimaschützer zur Weißglut. Sie sehen sich nicht nur als Teil eines Gesellschafts- und Wirtschaftssystems, das gegenüber Veränderungen resistent ist. Sie sehen sich auch Meinungsmachern gegenüber, die schon die Notwendigkeit von Veränderungen bezweifeln. Wenn nicht gleich der Klimawandel überhaupt relativiert wird, wie es die drittgrößte Fraktion im Bundestag tut.

Das verleitet zu Überreaktionen, die auch Medien mit ihrer Neigung zu polarisierenden Botschaften gerne aufgreifen.

Unrealistisch: der Kölner Dom unter Wasser

Schon 1986 zeigte der "Spiegel" den Kölner Dom – zur Hälfte unter Wasser. Die Botschaft war klar und aufrüttelnd: "Wir saufen ab!" Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es Jahrhunderte oder gar Jahrtausende dauert, bis ein solcher Wasserpegel erreicht ist. Zugrunde gelegt ist nämlich der Meeresspiegelanstieg beim vollständigen Abschmelzen aller Eismassen der Erde. Ob der Kölner Dom dann noch steht, ist zumindest fraglich.

Auch Szenarien vom unmittelbar bevorstehenden Aussterben der Menschheit gehören eher ins Reich der Science-Fiction. Absehbar ist allerdings, dass die Lebensbedingungen sich für viele dramatisch verschlechtern werden. Und dass das aktuelle Bevölkerungswachstum im krassen Gegensatz zur abnehmenden Fähigkeit des überhitzten Planeten steht, Menschen zu ernähren.

Schließlich ist auch der hohe, um nicht zu sagen, schrille Ton, den manche Aktivisten anschlagen, verständlich, aber wenig hilfreich. Eine Panik, wie Greta Thunberg sie einfordert, wäre eben nicht förderlich. Sondern, ganz im Gegenteil: Besonnenheit, Ehrlichkeit und adäquates Handeln. Ihr theatralisch-anklagendes "How dare you?" hat nicht nur Braunkohle-Lobbyisten verstört.

Willkommenes Futter für Leugner und Relativierer

Übertreibungen aus der Klimaschutz-Ecke sind verständlich, aber problematisch. Denn sie liefern Gegnern willkommenes Futter. Sie bieten in postfaktischen Zeiten auch Faktenverdrehern und -relativierern die Gelegenheit, den Klimaschutz oder Menschen, die sich dafür engagieren, öffentlichkeitswirksam zu entlarven. Zum Beispiel als "Hysteriker".

Das zentrale Dilemma aus Sicht der Fridays for Future-Aktivisten – die gesellschaftliche Lethargie angesichts der Notwendigkeit sofortigen Handelns – wird die Engagierten wohl auf absehbare Zeit begleiten. Mit Übertreibungen jedenfalls ist ihrer Sache nicht gedient. Die wissenschaftlich fundierten Szenarien sind schlimm genug.

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