Interview von Mara Neuber
In jüngster Zeit hört man beim Film vom sogenannten Green Storytelling: Was muss im Drehbuch berücksichtigt werden, damit die Story „grüner“ wird?
Ich glaube, ein nachhaltig produzierter Film hat gar nicht so sehr mit dem Inhalt des Drehbuches zu tun. Klar, ein Film wie „Up in the Air“, der den Flugverkehr und das Vielreisen thematisiert und positiv konnotiert, ist für mich ein Negativbeispiel, obwohl ich den Film als Film sehr mag. Andererseits muss man aufpassen nicht belehrend zu wirken. Denn dadurch wird jede Art von Empathie aufs Spiel gesetzt. Im Spielfilm kommt es unabhängig von der Grundaussage auf viele kleine Details an, die nebenbei ablaufen und die man beim ersten Mal vielleicht gar nicht bemerkt.
Ganz konkret: Wie können Filme für Nachhaltigkeit sensibilisieren, ohne das Thema explizit in den Mittelpunkt der Erzählung zu stellen?
Handlungen oder Gegenstände, die mit Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu tun haben, müssen en passant selbstverständlich erzählt werden – ohne jedes Mal diskutiert zu werden. Mehrwegbecher sollten nicht zu sehen sein, bestimmte Statussymbole wie das Flugzeugfliegen oder aber der Fleischkonsum sollten nicht positiv mit den Heldenfiguren verknüpft werden. Man darf das Thema aber nicht in den Vordergrund rücken, weil sonst die Absicht dahinter erkennbar ist.
Sie haben ja einige Tatort-Folgen aus Münster mit Kommissar Thiel und Professor Boerne inszeniert. Wie haben Sie hier versucht, die Hauptfiguren darzustellen?
Das Schöne am Münsteraner Tatort ist ja, dass einer der Protagonisten mit dem Fahrrad fährt und alleine dadurch schon eine Projektionsfläche bietet, die ich als Regisseur bedienen kann. Kommissar Thiel ist Fahrradfahrer und wird als bodenständiger Mensch gezeigt, mit dem sich die meisten Zuschauer sicherlich identifizieren können. Der verrückte Professor Boerne fährt mit dem Sportwagen herum, was einen eindeutigen Kontrast dazu bietet. Wir haben immer versucht, Münster als fahrradfreundliche Stadt zu erzählen, was sie in Wirklichkeit ja auch ist. Das ist ein positives und gelungenes Beispiel von „Green Storytelling“, das ohne erhobenen Zeigefinger auskommt. Die Münster-Tatorte sind so gebaut, dass sie durch die beiläufige Erzählung ein Bewusstsein schaffen. Das Thema Fahrradfahren wird hier gut umgesetzt und ist weit entfernt von einem plumpen Belehren der Zuschauer.

Sieht man einen Unterschied zwischen den von Ihnen inszenierten Tatort-Episoden und den anderer Regisseure, die Nachhaltigkeit weniger Gewichtung geben?
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass das Publikum das nicht merken wird. In diesem Zusammenhang ist viel wichtiger, dass ich mich aber dafür einsetze, dass unsere Industrie an sich umweltbewusster wird und die Projekte, die ich als Regisseur umsetze, grüner werden. Bei lang laufenden Reihen wie dem Tatort ist das allerdings besonders schwierig. Dennoch versuche ich in meiner weiteren Funktion als Produzent darauf sehr großen Wert zu legen.
Glauben Sie, dass unterschwellige Botschaften wie der fahrradfahrende Kommissar reichen, um auf Nachhaltigkeit aufmerksam zu machen?
Ich glaube die Szenen müssten spannend, positiv und optimistisch erzählt werden und nicht auf Verweigerung und Verzicht abzielen. Ein „Call to Action“ muss mit Aufbruch verbunden sein, nicht mit Verzicht. Genau das muss beim Publikum ankommen.
Und was ist mit den großen Umweltthemen unserer Zeit?
Ich könnte mir vorstellen, dass man an dieser Stelle gerade im sozialen Bereich des Kinos etwas erreichen könnte. Hier können Filme auf ökologische Themen aufmerksam machen, die in einer Schieflage stehen. Was grüne Themen im Spielfilm anbelangt, stehen wir allerdings noch deutlich am Anfang. Ich könnte mir vorstellen einen Spielfilm zu machen, in dem deutlich wird, dass der Klimawandel jetzt stattfindet und nicht erst in hundert Jahren. Das ist ein Ansatzpunkt, bei dem man die Leute mit einer fiktionalen Geschichte emotional mitnehmen kann.
Schränkt eine moralische Botschaft in der Kunst des Filmemachens nicht auch manchmal ein?
Das schränkt mich natürlich ein, weil bestimmte Geschichten so stark mit unserem Alltag verbunden sind. Beispielsweise mit unserer Fortbewegung: Wenn man Filme hat, die in verschiedenen Städten oder Ländern spielen, kommen Verkehrsmittel wie das Flugzeug zum Einsatz, die man dann natürlich auch mit Bildern festhält. Mit der positiven Aussage des Films werden am Ende dann auch solche Verkehrsmittel positiv konnotiert. Das sind Sachen, bei denen es sehr schwierig ist, sie aus den Drehbüchern zu eliminieren. Deshalb sehe ich auch die Traumschiff-Filme als großes Problem: In den Folgen werden Kreuzfahrten mit einem positiven Image verbunden. Das setzt ein vollkommen falsches Zeichen. Allerdings glaube ich, dass man die Realität teilweise auch so zeigen sollte, wie sie ist. Ich halte nichts davon, in jedem einzelnen Film eine politische Botschaft zu vermitteln.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie alleine mit dem Thema sind oder bekommen Sie Unterstützung aus der Branche?
Ich fühle mich tatsächlich sehr alleine. Ich habe nur von wenigen Kollegen gehört, die sich zu dem Thema geäußert haben. Bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes Regie zum Thema umweltfreundliches Drehen und die Rolle von Regisseurinnen und Regisseuren, waren nur dreivon mehreren hundert Mitgliedern anwesend. Es ist ein sehr erschreckendes Bild, dass sich Künstler teilweise so verhalten, als würden sie nicht in unserer Welt leben und als würde es den Klimawandel nicht geben.
Was wären Ansätze das, das zu ändern und die Filmbranche nachhaltiger zu machen?
Wir brauchen gesetzliche Grundlagen. Die gesamte Unterhaltungsbranche muss im neuen Klimaschutzgesetz berücksichtigt werden. Die Freiwilligkeit – das haben wir auch in Bezug auf den Grünen Drehpass* der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein gemerkt – bringt nichts, da sie nicht in konkretes Handeln übersetzt wird. Außerdem brauchen wir vor allem die Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Sender: Diese müssen dafür sorgen, dass ihre Produktionen auf eine Art und Weise umgesetzt werden, die das Klima nicht belasten. Auch die die Filmförderungen sehe ich da in der Pflicht. In vielen Ländern gibt es die Verpflichtung, seinen CO2-Fußabdruck zu minimieren, bevor man eine weitere Rate der Förderung erhält. Wir sind da erschreckenderweise extrem weit hinterher. Das Erstaunliche ist ja, dass der Umweltschutz in der Privatwirtschaft der Filmproduktion schon angekommen ist. Der Sender Sky hat derzeit als einziger Fernsehsender in Deutschland das Thema Nachhaltigkeit als Unternehmensziel festgelegt und reflektiert es auch in den Produktionsverträgen. Das finde ich sehr fortschrittlich und daran sollten sich andere Sender ein Beispiel nehmen.
Sehen Sie denn eine Entwicklung in den vergangenen Jahren? Gibt es eine „grüne Zukunft“ für die Branche?
Ehrlich gesagt nicht. Die Bemühungen sind viel zu zaghaft und kommen viel zu spät. Verglichen mit der Gesamtgesellschaft befinden wir uns in der Filmindustrie bei dem Thema Ökologie im Jahr 1975. So können wir nicht weitermachen. Bei allen kleinen Fortschritten, die in der Branche passiert sind, hilft jetzt nur noch eine klare Ansage seitens der Politik. Freiwillig wird nichts passieren. Ich bin auch nicht fehlerfrei und habe meinen Fußabdruck hinterlassen, aber es bringt an dieser Stelle nichts zurückzuschauen. Wenn man mit halbwegs offenen Augen durch die Landschaft spaziert, sollte es eigentlich jedem klar werden, wie wichtig der Kampf gegen den Klimawandel ist. Jeder muss einen großen Beitrag dazu leisten. Für die Zeit der kleinen Beiträge ist es jetzt leider zu spät – auch in der Filmbranche.
* Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein verleiht den Grünen Drehpass an umweltbewusste Produktionen und setzt sich damit für ein ökologisches und nachhaltiges Umdenken in der Filmbranche ein.