GEO.de: Frau Pinzler, Ihr Experiment beginnt mit einer ernüchternden Feststellung ...
Petra Pinzler: Unsere Familie hielt sich vorher für ziemlich umweltbewusst. Aber wir kannten unseren ökologischen Fußabdruck nicht. Auf die Idee, zumindest mal unsere Emissionen zu ermitteln, hat uns erst unsere Tochter gebracht, die damals zwölf war.
Mit welchem Ergebnis?
42 Tonnen für die ganze Familie, also mehr als zehn Tonnen pro Kopf. Klimaverträglich wären laut WWF-Klimarechner aber nur etwas mehr als zwei Tonnen pro Person.
Es gab also viel zu tun. Was war die besondere Herausforderung, die Challenge als Familie anzunehmen?
Wir haben festgestellt, dass jeder von uns andere Gewohnheiten liebgewonnen hatte, die er oder sie verändern musste. Bei mir war es zum Beispiel der Einkauf von Klamotten. Ich kaufe mir gerne mal ein neues Kleid. Aber nachdem ich mir den ökologischen Fußabdruck und die CO2-Emissionen angesehen hatte, die bei der Produktion eines T-Shirts entstehen, und dann meinen eigenen Kleiderschrank, dachte ich: Das muss eigentlich nicht sein. Bei meiner Tochter waren es andere Dinge, zum Beispiel, statt sich mit dem Auto zum Ponyhof bringen zu lassen, mit dem Rad zu fahren.

Wie verbissen sind Sie an die Herausforderungen rangegangen?
Eher spielerisch. Wir haben uns auch gerne gegenseitig hochgenommen. Meinen Sohn, der eine Zeitlang gerne extensiv geduscht hat, konnte ich ärgern, indem ich heimlich das Warmwasser abgestellt habe. Was er lange nicht bemerkte. Später hat er sich mit der Bemerkung revanchiert: "Du mit deinen Klamotten!".
Und haben Sie es geschafft, Ihre Emissionen zu senken?
Wir haben als Familie ein Drittel eingespart.
Das ist nicht wenig. Was war besonders effektiv?
Wir sind mit einem Experten von der Verbraucherzentrale durchs Haus gegangen, um nach Energiefressern zu suchen. Was eine Menge gebracht hat, das hatten wir gar nicht auf dem Schirm, waren neue Dichtungen in den Fenstern. Mit denen sparen wir Heizkosten und bares Geld. Außerdem fliegen wir innerhalb Deutschlands nicht mehr. Und wir sind kurz davor, das Auto endgültig zu verkaufen. Es steht sowieso nur noch vor der Tür.
Was war einfach?
Den Energieberater kann jeder anrufen. Ein bisschen komplizierter ist es, die Routine im Alltag bei den Wegen zu verändern. Ganz konkret: Ich habe Samstagsmorgens nicht mehr das Auto genommen, um die drei oder vier Kilometer zum Markt zu fahren, sondern ich mache das inzwischen mit dem Fahrrad. Und stelle fest: Es regnet, auch im November in Berlin, viel weniger als gedacht. Mein Mann hat sich für die Großeinkäufe einen Fahrradanhänger gekauft. Das war am Anfang etwas lästig und kompliziert, ist aber inzwischen eingeübte Routine.
Und was war richtig schwer?
Mein Sohn meinte mal: Ihr habt gut reden. Ihr seid schon so viel durch die Weltgeschichte geflogen, habt schon so viel gesehen. Ich will in meinem Leben auch noch mal nach San Francisco. Das ist ein Dilemma, das wir nicht lösen können. Aber natürlich kann er seinen Flug, wenn er ihn irgendwann einmal bucht, kompensieren. Das halte ich - nach dem Nicht-Fliegen - für die zweitbeste Lösung. Außerdem haben wir alle eine Art Sockel an Emissionen für die allgemeine Infrastruktur. Straßen, Schulen, Verwaltung: Daran können wir unmittelbar durch unser Verhalten gar nichts ändern.
Ein klimafreundliches Leben ist bislang Privatsache. Gibt es dafür irgendwelche Anreize?
Im Gegenteil, es wird einem eher schwer gemacht. Meine Tochter ist nach diesem Jahr zur Fahrrad-Aktivistin geworden. Es kann doch nicht sein, sagt sie, dass mir alle erzählen, ich solle mich umweltfreundlich fortbewegen. Aber die Ampelschaltungen sind auf Autos abgestimmt, und der Fahrradweg hört irgendwo auf. Sie hat also erlebt, was im Verborgenen noch viel schlimmer ist. Umweltfreundliches Verhalten wird bestraft, umweltschädliches belohnt. Flugtickets sind – anders als Bahntickets – von der Mehrwertsteuer ausgenommen, und einen großen Dienstwagen kann man von der Steuer absetzen. Der Staat fördert mit Gesetzen und Subventionen eher das umweltschädliche Verhalten. Warum kriegt man nicht Geld dafür, dass man Fahrrad fährt? Auf solche Widersprüche stößt man oft, wenn man versucht, ein Jahr lang ökologischer zu leben – und wird dann auch politischer. Wenn man wirklich etwas verändern will, muss man sogar politisch werden. Alleine bekommen wir es nicht hin.
Haben Sie einen Rat für Nachahmer?
Lasst euch ein bisschen Zeit! Gewohnheiten zu verändern, dauert. Probiert Sachen mehrmals aus. Einmal mit dem Fahrrad fahren ist komisch. Aber wenn man es das zwanzigste Mal gemacht hat, ist es ganz normal. Am Anfang fällt es einem vielleicht schwer, die Erdbeeren im Dezember nicht mehr zu kaufen. Aber irgendwann vermisst man sie nicht mehr. Und, ganz ehrlich, die schmecken auch nicht. Außerdem macht es Sinn, sich andere zu suchen, die mitmachen. Die positive Botschaft des Buches ist: Man muss nicht zum Asketen werden. Zwischen Weltuntergangs-Fatalismus und Aussteigertum gibt es ganz viele Zwischentöne.