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Diesel Warum die Fahrverbote in Hamburg Flickwerk sind

Peter Carstens
In seiner Kolumne "Alles im grünen Bereich" schreibt GEO.de-Umweltredakteur Peter Carstens über das einfache, nachhaltige Leben, über Öko-Sünden, Greenwashing und richtig gute Ideen
© Malte Joost
Für ältere Diesel-Fahrzeuge ist bald an zwei besonders stark befahrenen Streckenabschnitten in Hamburg Schluss. Das könnte zwar die Messwerte aufbessern. Aber es beseitigt das Problem nicht

*** Kolumne "Alles im grünen Bereich" ***

Als das Bundesverwaltungsgericht Ende Februar urteilte, dass Kommunen Fahrverbote verhängen dürfen, war der Aufschrei der Diesel-Community groß. Und noch immer haben sich die Wogen nicht geglättet. Der CDU-Abgeordnete Joachim Pfeiffer nannte die Deutsche Umwelthilfe, die den Stein ins Rollen gebracht hatte, jüngst im Bundestag einen „semikriminellen Verein“.

Und jetzt sind sie plötzlich da: Unter dem Eindruck der EU-Klage gegen Deutschland macht die Autostadt Hamburg unter der neuen Führung des Olaf-Scholz-Nachfolgers Peter Tschentscher Ernst – als erste deutsche Stadt. Ab dem 31. Mai wird ein Streckenabschnitt mit einer Länge von 580 Metern für Diesel-Fahrzeuge gesperrt, die nicht der Abgasnorm Euro 6 entsprechen. Ein weiterer Abschnitt von 1,7 Kilometern wird für ältere Diesel-LKW gesperrt.

Ob das gerecht ist, darüber kann man streiten. Denn schließlich wurden die Besitzer beim Kauf nicht gewarnt, dass schon in Kürze Fahrverbote ihre Auto-Mobilität einschränken könnten. Obwohl die EU beim Thema Stickstoffdioxid und Feinstaub schon seit Jahren warnt und den Druck auf die Regierung erhöht.

Man kann auch darüber streiten, ob die Verbote sinnvoll sind. Verbots-Kritiker gibt es nicht nur im Lager der Diesel-Fahrer. Auch Umweltverbände bemängeln, dass ein Fahrverbot auf handverlesenen Streckenabschnitten kaum geeignet ist, in der Innenstadt für bessere Luft zu sorgen. Sondern wohl eher dazu dient, den Messstationen – und damit der klageführenden EU-Kommission – einen besseren Eindruck zu vermitteln.

Diesel-Fahrverbot, Hamburg
Ein Fahrverbotsschild für Fahrzeuge mit Dieselmotor bis Euro5 wird an der Zufahrt zur Max-Brauer-Allee in Hamburg aufgehängt. Zur Luftreinhaltung werden auf der Stresemannstraße und der Max-Brauer-Allee Fahrverbote eingeführt.
© picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa

Fahrverbote sind unumgänglich, Fahrverbotszonen nicht

Tatsächlich ist zu befürchten, dass die Luft in Hamburg durch solche Verbote eher noch schlechter wird. Weil die 168.000 in Hamburg gemeldeten Fahrzeuge, die von dem Verbot betroffen sein werden, die No-Go-Areas umfahren werden, und dadurch noch mehr Sprit verbrauchen. Das bedeutet: niedrigere Werte an den kritischen Messstationen – und mehr Verkehr, Lärm und Gestank in Straßen, die vorher ruhiger waren.

Verbötchen à la Hamburg nach dem Motto „Wir tun was!“ werden das eigentliche Problem nicht beheben. Sondern höchstens Strafbescheide aus Brüssel abwenden. Sie erinnern an die Strategie, mit der im vergangenen Jahrhundert giftige Abgase aus der Stadt verbannt wurden. Man baute die Schornsteine einfach höher. So verteilte sich das Gift besser – im Umland und in der Atmosphäre.

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Das eigentliche Problem sind nicht die Messwerte an einzelnen Stationen. Sondern, dass die Emissionen des Verkehrs von Jahr zu Jahr steigen, dass viele Innenstädte am Verkehr ersticken. Genauer: am motorisierten Individualverkehr.

Was wir jetzt brauchen, sind Konzepte, die nicht nur die Hamburger Verkehrsbrennpunkte wieder lebenswert machen. Fahrverbote können nur ein Teil davon sein.

Wichtig ist vor allem ein Maßnahmen-Mix, der den Verkehr tatsächlich reduziert und nicht nur verlagert. Die Werkzeuge dazu liegen allesamt bereit: etwa ein attraktiver Personennahverkehr (den Hamburg schon hat), eventuell auch kostenloser ÖPNV, großflächige Verkehrsberuhigung mit Umwelt-, Tempo-30- und Shared Space-Zonen, mehr Park+Ride-Angebote, mehr Fußgängerzonen und Fahrradstraßen. Kurz gesagt: Das Autofahren in der Stadt, jetzt schon nervig, muss noch unattraktiver werden. Und die Stadt dadurch attraktiver.

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