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Experimente seit 1955 Dieser Wald ist ein gigantisches Labor

Ice Storm Experiment, Hubbard Brook
Gespenstisch: Unter einer zentimeterdicken künstlichen Eisschicht ächzen die Bäume im Hubbard Brook Experimental Forest
© Joe Klementovitch
Im Nordosten der USA wird seit 1955 am lebenden Wald geforscht. Zuletzt sorgten Wissenschaftler mit einem Eis-Experiment weltweit für Aufsehen

Inhaltsverzeichnis

Ein abgelegenes Waldstück im Nordosten der USA: Unerschrockene Männer und Frauen bringen schweres Feuerlöschgerät in Stellung und jagen Tausende Liter Wasser durch die Kompressoren. Ihr Job: nicht Feuerlöschen - sondern Vereisen. In einem wissenschaftlichen Experiment wollen die Forscher herausfinden, welche Wirkung Eisregen auf einzelne Bäume, aber auch auf den Wald als Ganzes hat.

Es friert. Die Durchschnittstemperaturen liegen hier, auf einer Höhe zwischen 222 und 1015 Metern, im Januar bei minus neun Grad Celsius. Das austretende Wasser benetzt Baumstämme und Äste – und legt sich als kompakter, zentimeterdicker Eispanzer um die Pflanzen. Schon bald brechen die ersten dünnen Äste unter der Last des Eises. Kleinere Bäume biegen sich peitschenartig bis zum Boden durch.

Was macht Eisregen mit dem Wald?

Klimaforscher prognostizieren, dass es in manchen Regionen der USA und anderswo auf der Welt zukünftig vermehrt zu solchen extremen Wetterereignissen kommen wird. Ist das gut oder schlecht für den Wald? Die Auswertung der Messergebnisse zeigt: Es ist beides. Gut, weil bei leichtem Eisregen überzählige Triebe ausgedünnt werden. Bei häufigen und heftigen Eisstürmen jedoch können die Folgen verheerend sein: Denn dadurch verringert sich die Fähigkeit des Waldes, Kohlenstoff zu speichern.

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Schon seit 1955 wird hier, unweit der kanadischen Grenze, ökologische Freilandforschung betrieben. Der Hubbard Brook Experimental Forest ist ein 3160 Hektar großes Areal mitten im riesigen White Mountain National Forest. Zunächst eingerichtet, um die Forstwirtschaft voranzubringen, dient der Laborwald mit seinen zahlreichen Wasserläufen heute der Erforschung des Ökosystems Wald. Ein besonderer Fokus liegt auf den Auswirkungen von Luftverschmutzung und Klimaerwärmung auf den Boden, den Wasserhaushalt und das Wachstum der Pflanzen.

Saurer Regen schädlicher als gedacht

Eine viel beachtete Studie widmete sich etwa den Auswirkungen des sauren Regens. Das Fazit damals: Zwar konnten schädliche Emissionen durch Gesetze zur Luftreinhaltung in den 70er und den 90er Jahren stark reduziert werden. In der 2001 veröffentlichen Studie konnten die Wissenschaftler jedoch zeigen: Die negativen Folgen der Versauerung der Waldböden waren unterschätzt worden. Weitere Anstrengungen zur Luftreinhaltung waren erforderlich.

Hubbard Brook
Als der Experimentierwald 1955 gegründet wurde, lautete die Fragestellung: Welchen Einfluss haben forstwirtschaftliche Maßnahmen - etwa Kahlschläge und Neupflanzungen - auf den Wasserhaushalt des Bodens?
© Hubbard Brook

Wald und Klimawandel im Jahresverlauf

Was große Teilchenbeschleuniger für die Physik sind, das ist der Hubbard Brook Experimental Forest für die Waldökologie. Forscher reisen aus den USA und dem Ausland an, um hier zu arbeiten.

In einem aktuellen Langzeitexperiment wollen die Wissenschaftler herausfinden, wie der Wald auf die steigenden Temperaturen reagiert. Denn bis zum Jahr 2100, so die Prognosen der Klimaforscher, könnten die Temperaturen in dieser Region um bis zu fünf Grad Celsius ansteigen.

Schon jetzt zeigt sich: Höhere Temperaturen regen das Wachstum der Bäume an. Das ist gut, denn so bilden sie mehr Holz und binden dadurch mehr klimaschädliches Kohlendioxid aus der Luft. Zumindest im Sommer. Im langen Winter dagegen fehlt immer öfter die schützende Schneedecke. Der Boden friert mal durch, dann taut er wieder auf. Das stresst die Wurzeln der Bäume – und hemmt das Wachstum im Sommer.

Wie gut der Wald in Zukunft seine Funktion als CO2-Senke ausüben kann, das werden die Forscher nach Abschluss dieses Experiments besser als bisher vorhersagen können.

Doch schon jetzt steht fest: Eisregen wird ihm in Zukunft häufiger zusetzen. Und damit seine Fähigkeit schwächen, den Klimawandel abzumildern.

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