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Nachhaltigkeit Ist verpackungsfrei die Zukunft des Einkaufens?

Bio.Lose in Hamburg
Bio.lose bedient in Hamburg Eimsbüttel eine Nische: Das unverpackte Einkaufen
© Malte Joost / GEO
Viele Produkte sind in Plastik eingeschweißt – manche gleich zwei oder drei Mal. Das kostet Ressourcen, verschlingt Energie und hat Folgen für die Umwelt. Das Problem und die Lösung liegen in unserem Konsum: Moritz und Marc von Bio.lose beantworten im Interview viele offene Fragen, die das verpackungsfreie Einkaufen mit sich bringt

Plastik ist überall: In Duschgel, Klamotten, Computern, Putzmitteln, Autoreifen und Verpackungen. Mindestens acht Millionen Tonnen Plastik landen so jedes Jahr sichtbar oder als kleinste Mikroplastik-Partikel in den Ozeanen und auf diesem Wege in den Mägen von Tieren und auf den Tellern von uns Menschen. Nachgewiesen wurde Mikroplastik in Fisch, Muscheln, Mineralwasser, Bier, Honig und vielen anderen Lebensmitteln. So finden Keime oder Schadstoffe wie Cadmium und Blei einen direkten Weg in unsere Körper – von den Auswirkungen auf die Umwelt ganz zu schweigen.

Wir Deutschen stehen dabei an der europäischen Spitze: In keinem EU-Land fällt mehr Verpackungsmüll pro Kopf an. Viele Produkte sind in Plastik eingeschweißt – manche gleich zwei oder drei Mal. Das kostet Ressourcen, die Herstellung verschlingt Energie und erzeugt Klimagase. Und dabei gibt es viele Möglichkeiten, den eigenen Plastikkonsum zu minimieren: Wenn jeder Einzelne sich entscheiden, beim Einkaufen auf Plastiktüten zu verzichten, könnten wir allein in Deutschland zum Beispiel über sechs Milliarden Tüten pro Jahr einsparen. Noch besser: Zusätzlich unnötige Verpackungen meiden. Am besten: Verpackungsfrei einkaufen.

Diesen Gedanken haben sich Moritz Ehrtmann und Marc Turjanica zu Herzen genommen und mit Bio.lose in Hamburg einen Laden eröffnet, der ein großes Sortiment an unverpackten Produkten bereitstellt. Wir haben mit den beiden darüber gesprochen, wie die Produkte in den Laden gelangen, wie das Angebot angenommen wird und warum sich trotzdem noch verpackte Nudeln in den Regalen finden lassen.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euren Laden Bio.lose zu eröffnen?

Man kennt es ja selbst: Im Mülleimer landet immer mehr Plastikmüll und da stellt man sich häufiger die Frage, ob das wirklich Sinn macht und welche Folgen das hat.

Das Konzept, Lebensmittel unverpackt und aus Spender-Behältern zu verkaufen, gibt es in den USA bereits seit ungefähr zehn Jahren. Allerdings eher vor dem Hintergrund, möglichst viele trockene Lebensmittel als Vorrat einkaufen und horten zu können. In Deutschland ist die Idee vor ungefähr drei Jahren aufgekommen – aus dem Nachhaltigkeits-Gedanken heraus, sprich, um wirklich Müll zu vermeiden. Damals wurden fast gleichzeitig Läden in Kiel und Berlin eröffnet. In Hamburg fehlte so ein Konzept bisher. Also wollten wir nach unserem Studium –ich habe Nachhaltigkeitswissenschaften und Marc Energie- und Umweltwissenschaften studiert– einen Unverpackt-Laden eröffnen.

bio.lose in Hamburg
Das Obst und Gemüse stammt zum Großteil nicht nur aus der Region, es ist selbstverständlich auch unverpackt – gerade bei Produkten in Bio-Qualität versagen selbst an einer vermeintlichen Selbstverständlichkeit große Einkaufsketten. Der Grund: Bio-Produkte müssen von Nicht-Bio-Gütern optisch zu unterscheiden sein und so wird das geringer nachgefragte Sortiment zusätzlich verpackt
© Malte Joost / GEO

Eigentlich war ein Laden geplant, in dem es nur unverpackte Produkte zu kaufen gibt. Nun findet man bei euch auch einige verpackte Sachen. Warum?

Wir haben vorher andere Läden besucht und mussten feststellen, dass es gar nicht so einfach ist, so einen Laden zu führen. Denn unverpackt sind meistens Trockenprodukte – Reis, Nudeln, etc. Nur damit Geld zu verdienen, ist ganz schön schwer.

Hinzu kommt, dass die Lebensmittelkonkurrenz natürlich groß ist – von Discountern bis hinzu Bioläden gibt es ein riesiges Angebot. Deshalb haben wir uns gefragt, wie wir die Leute am besten an das Thema „unverpackt“ heranführen können. So sind wird von dem ganz radikalen Schritt abgekommen und haben erst einmal mit einem Konzept angefangen, das die Leute nicht erschlägt. Wenn man nicht gerade 20 eigene Beutel oder Gläser mitbringen will, sondern erst einmal nur zwei, kann man bei uns noch fast alles „normal“ einkaufen. Wir glauben, dass man die Leute auf diesem Weg langsam an das Prinzip unverpackt einzukaufen heranführen kann. Und genau das wollen wir vermitteln: Unverpackt einzukaufen ist keine radikale Lebensumstellung, sondern geht eigentlich ganz einfach – fast spielerisch. Man holt sich ein Säckchen und ein Glas und füllt sich etwas ab. Das dauert vielleicht eine Minute länger, aber am Ende des Tages haben alle etwas davon.

Eine weitere Motivation ist natürlich auch der Preis: Wenn wir in großen Mengen einkaufen, zahlen wir natürlich auch weniger und können die Produkte entsprechend günstiger im Laden anbieten. Die unverpackten Produkte sind pro Kilo entsprechend günstiger als die verpackten Produkte.

bio.lose in Hamburg
"Unverpackt einzukaufen ist keine radikale Lebensumstellung, sondern geht eigentlich ganz einfach – fast spielerisch"
© Malte Joost / GEO

Und wie wird das Angebot angenommen?

Alle finden das Angebot richtig gut. Wie viele es dann wirklich machen, ist noch einmal eine andere Sache. Aber das ist im Bereich Nachhaltigkeit immer so. Alle sagen zum Beispiel, sie wollen mehr mit dem Fahrrad fahren, aber die wenigsten tun es dann auch. Oder: Viele wollen auf das Fliegen verzichtet aber fliegen dann doch wieder in den Urlaub.

Dennoch: Je einfacher man es den Leuten macht und je positiver die Idee behaftet ist, desto besser läuft es dann eben. Nichtsdestotrotz verkaufen wir hier im Vergleich viel mehr unverpackt als verpackt.

Und wie viel Verpackungsmaterial wird am Schluss wirklich gespart?

Das kommt natürlich auf das Produkt an. Wir bekommen die Sachen teilweise natürlich auch in Plastik verpackt geliefert. Die meisten anderen Produkte aus unserem Sortiment kommen in Papier-Säcken, Nudeln hingegen gibt es einfach nicht in nachhaltiger Verpackung. Und klar, die wiegen auch ein bisschen was – da ist es auch eine Frage des Recyclings. Der andere entscheidende Punkt ist, wie unsere Kunden ihre Produkte abfüllen. Also, ob sie wieder Papiertüten nehmen oder das eigene Gefäß aus Glas immer wieder und wieder befüllen. Auf diesem Weg spart man natürlich über das Jahr hinweg richtig viel ein.

Habt ihr Einfluss darauf, in welcher Verpackung die Produkte bei euch ankommen?

Wie gesagt: Die Produkte sind natürlich auch alle verpackt. Aber allein durch das Volumen wird Plastik eingespart. 20 Kg in einer Packung verbraucht weniger Verpackungsmaterial als 20 kg in 100g Tüten. Und wir fragen natürlich nach, wie ein Produkt bei den Großhändlern eingepackt wird und gucken, dass es möglichst ökologisch ist. Also am besten in Papiertüten. Wir füllen die Produkte dann in unsere Behälter um, die natürlich auch einigen Vorschriften unterliegen: Mottenschutz, Lebensmittelechtheit (wie in der Gastro), usw.

Bio.lose in Hamburg
"Man holt sich ein Säckchen und ein Glas und füllt sich etwas ab. Das dauert vielleicht eine Minute länger, aber am Ende des Tages haben alle etwas davon."
© Malte Joost / GEO

Gab bzw. gibt es große Hürden, die ihr für so ein noch recht ungewöhnliches Angebot nehmen müsst?

Klar, es gibt überall Hürden. Zum Beispiel bei der Beschaffung. Man denkt sich: "Klar, ist doch kein Problem, 20-Kilo-Säcke zu bestellen". Aber das ist es leider doch – nicht jedes Produkt wird (bisher) in so großen Mengen angeboten. Es gibt auch einfach Produkte, die verkauft man nicht so leicht innerhalb von 2 Monaten.

Zudem sollten bei uns eigentlich alle unverpackten Produkte nicht nur der EG-Öko-Verordnung entsprechen sondern von Demeter- oder Bio-Land-Qualität sein und bestenfalls regional bezogen werden – da wird es dann wirklich schwierig, solche Produkte in großen Mengen zu beziehen. Es gibt immer wider Lieferengpässe, weil sich die Großhändler noch nicht auf diese Situation eingespielt haben. Aber da macht es am Schluss natürlich die Nachfrage aus. Steigt die Nachfrage durch solche Konzepte, steigt sicherlich auch das Angebot.

bio.lose in Hamburg
Nudeln, Nüsse und Müsli sind bei Bio.lose selbstverständlich unverpackt. Doch es gibt auch Seifen, Spül- und Waschmittel zum selber nachfüllen.
© Malte Joost / GEO

Würdet ihr euch eine staatliche Unterstützung wünschen?

Wenn man an Nachhaltigkeit denkt, gäbe es sicherlich viele Instrumente, die so ein Konzept unterstützen könnten. Eine CO2-Steuer zum Beispiel, bei der alle Verpackungen je nach Emission besteuert würden. Damit würde auch der Preis der verpackten Lebensmittel steigen, während unverpackte Lebensmittel denselben oder einen günstigeren Preis beibehalten würden. So etwas wäre toll! Das hätte nicht nur für uns sondern auch gesamtgesellschaftlich einen positiven Effekt.

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