Besonders einfallsreich war das Entsorgungskonzept der Atomindustrie noch nie. Im Prinzip besteht es darin, den nuklearen Müll zu vergraben. Tief unter der Erde soll der mitunter Hunderttausende von Jahren strahlende Abfall unwiederbringlich lagern, bis auch das letzte Fünkchen Radioaktivität abgeklungen ist. Doch trotz langer, intensiver Forschung kennen Wissenschaftler keine geologische Formation, die zweifelsfrei stabil genug ist, um das tödliche Erbe der Kernkraftwerke so lange Zeit sicher einzuschließen.
Das Hauptproblem sind Stoffe wie die radioaktiven Isotope Plutonium-239 oder Jod-129, die aufgrund ihrer langen Zerfallszeit die Lagerfrist verlängern. Andere Isotope, wie Barium-140 oder Cäsium-137, zerfallen schneller und sind schon nach einigen Tagen oder Jahren nicht mehr vorhanden. Physiker versuchen daher schon seit geraumer Zeit, die langlebigen Stoffe in den abgebrannten Brennelementen der Kernreaktoren in andere Stoffe mit kurzer Lebensdauer zu verwandeln. Transmutation heißt diese Methode, welche - würde sie wirtschaftlich arbeiten - die Entsorgung revolutionieren könnte: Aufbewahren und Umwandeln statt Verbuddeln und Vergessen.
Ein wichtiger Schritt ist nun einer internationalen Gruppe von Forschern vom European Commission Institute for Transuranium Elements in Karlsruhe, der University of Strathclyde in Glasgow und der Universität Jena gelungen. Die Halbwertszeit von Jod-129, also die Zeitspanne, innerhalb der die Hälfte des Jods zerfällt, wurde mit einem neuen Laserverfahren von 15,7 Millionen Jahren auf 25 Minuten verkürzt. Dazu haben die Forscher sehr kurze Laserpulse von weniger als einer Billionstel Sekunde Dauer auf eine Metallfolie geschossen und dadurch Gammastrahlung erzeugt. Diese ist so energiereich, dass sie aus dem Atomkern von Jod-129 ein Neutron herausschlägt und dadurch in einen Kern von Jod-128 verwandelt. Dieser zerfällt in das nichtradioaktive Edelgas Xenon-128.
Allerdings ist für diese Transmutation ein extrem starker Laser erforderlich, mit einer Leistung von fünf Milliarden Gigawatt pro Quadratmillimeter - und der benötigt eine so gewaltige Menge elektrischer Energie, "dass man einige Kraftwerke brauchen würde, um den Abfall auch nur eines Reaktors umzuwandeln", so der Laser-Physiker Karl Krushelnick vom Londoner Imperial College.
Ein weiterer Nachteil liegt darin, dass jede Transmutation zwangsläufig die Aktivität erhöht. Aus dem gemächlich zerfallenden Jod-129 - rund fünf Millionen Zerfälle pro Sekunde bei einem Gramm Jod - entsteht das hochradioaktive, heiße Jod-128 mit über einer Trillion Zerfällen pro Sekunde; es ist damit 300 Milliarden Mal so aktiv wie das Ausgangsmaterial.
Trotz dieser Nachteile wäre es sinnvoll, den Atommüll so zu lagern, dass man ihn jederzeit wieder zurückholen kann. Denn bei der Kernspaltung bilden sich viele Stoffe, die in dieser Menge nur im Reaktor entstehen; und niemand weiß, ob man nicht einige der über 200 verschiedenen Isotope im Atommüll in der Zukunft einmal braucht, etwa für medizinische oder technische Anwendungen. Oder ob nicht doch eines Tages ein wirtschaftliches Verfahren der Transmutation gefunden wird.