Wer Marsforscher nach der Farbe ihres Untersuchungsobjekts befragt, erhält eine eindeutige Antwort: Der Mars ist rot, des oxidierten Eisens an seiner Oberfläche wegen. Doch die exakte Wiedergabe der Farbe ist weit weniger einfach. In welchen Rot-Nuancen sich der Mars einem Astronauten präsentieren würde, kann selbst nach über 30 Marsmis-sionen im Lauf der letzten 45 Jahre kein Wissenschaftler sicher sagen.
Auch Ernst Hauber nicht. Der Geologe arbeitet beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof. Als Aufnahmeplaner des Kameraexperimentes an Bord der europäischen Sonde "Mars Express" kontrolliert er, welche Ausschnitte die hochauflösende Stereokamera HRSC (High Resolution Stereo Camera) an Bord aufnimmt. Das Gerät kommt dem Planeten im günstigsten Fall 265 Kilometer nah. Die Aufnahmen haben eine Auflösung von bis zu zwölf Meter pro Bildpunkt. Bestimmte Ausschnitte können mit einem zweiten Kamerakopf sogar noch genauer erfasst werden. Bis zum Jahr 2007 soll die HRSC die gesamte Oberfläche des Mars detailscharf in Farbe und dreidimensional erfassen.
Auf der Erde werden die Bilddaten, die insgesamt 40 Prozent der Sendekapazität von "Mars Express" in Anspruch nehmen, von den Antennen der Esa und der Nasa eingefangen - und nach Berlin geschickt. Ernst Hauber und seine Kollegen am DLR müssen daraus verwertbare Bilder produzieren. Nachdem die Wissenschaftler Helligkeitsfehler beseitigt und geometrische Verzerrungen korrigiert haben, beginnt die eigentliche Stereobearbeitung: der so genannte "Level-4-Prozess". Denn um dreidimensionale Bilder zu generieren, müssen die Forscher möglichst viele identische Bildpunkte auf den einzelnen Aufnahmen miteinander verknüpfen. Aus den so entstandenen "Ortho-Bildern" - Aufsichten mit detaillierten Höhenangaben zu jedem Bildpunkt - können die Wissenschaftler später perspektivische Ansichten errechnen.
Was den digitalen Geländemodellen jetzt noch fehlt, ist Farbe. Doch die exakte Farbgebung ist laut Hauber "ein heikler Schritt". Zwar zeichnen die vier Farbkanäle der HRSC multispektrale Daten auf. Die Wellenlängenbereiche entsprechen dabei aber nicht genau dem Bereich, in dem das menschliche Auge "arbeitet", sondern wurden nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt. Deshalb sei es schwierig, die absolute Farbe des Roten Planeten exakt so wiederzugeben, wie ein Mensch sie vor Ort wahrnehmen würde.
Der Mangel an Präzision stört die Wissenschaftler jedoch nur in Maßen: Die Farbechtheit der in der Öffentlichkeit gezeigten Bilder spielt für ihre Arbeit eine untergeordnete Rolle. Die Zusammensetzung des Oberflächenmaterials lässt sich mit spektralen Untersuchungen wesentlich präziser bestimmen. Kaum ein Wissenschaftler, so Hauber, würde daher für die korrekte Farbwiedergabe seiner Marsaufnahmen in der Presse oder im Fernsehen die Hand ins Feuer legen. "Da werden wir wohl warten müssen, bis die Technik sich deutlich verbessert oder der erste Mensch sich persönlich einen Eindruck vor Ort verschafft hat."
Und so legt in Berlin der Leiter des Kameraexperimentes, Gerhard Neukum, beim Finish noch einmal selbst Hand an und gibt den Marsbildern den letzten Farbschliff. Die spektakulärsten der für die Öffentlichkeit bearbeiteten Marsbilder werden noch bis zum 1. April 2005 in der DLR-Marsausstellung in Bonn-Oberkassel und anschließend in mehreren deutschen Städten ausgestellt.