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Mt. Erebus/Christchurch - 7. Dezember

Die Zeit in der Antarktis geht für Lars Abromeit zu Ende. Auf dem Rückweg in den neuseeländischen Sommer erzählt er von den letzten Tagen im Eis
Eine Hütte bietet auf dem Mt. Erebus tagsüber Schutz vor dem Sturm. Geschlafen wird in Zelten. Um Wasser zu kochen, muss einer zum Schneeschaufeln vor die Tür...
Eine Hütte bietet auf dem Mt. Erebus tagsüber Schutz vor dem Sturm. Geschlafen wird in Zelten. Um Wasser zu kochen, muss einer zum Schneeschaufeln vor die Tür...
© Lars Abromeit

Seit gestern sind wir wieder in Neuseeland, und es fühlt sich an, als kämen wir zurück von einem fremden Planeten. Wir staunen über den Regen, über Bäume und grüne Blätter, über Menschen in T-Shirts und Anzügen. In Christchurch ist Sommer, 20 Grad über Null. Während der letzten zwei Wochen in der Antarktis haben wir uns hin und wieder gefragt, wann wir jemals wieder solche Temperaturen erleben würden. Denn zwischendurch sah es so aus, als müssten wir doch länger im Eis bleiben als geplant. Ein Schneesturm hielt uns einige Tage lang auf dem Mt. Erebus, einem 3790 Meter hohen Vulkan östlich der Dry Valleys, fest: Die "gefühlte", also den Windchill-Faktor berücksichtigende Temperatur war auf 71 Grad unter Null gesunken, der Sturm pfiff mit einer Geschwindigkeit von 50 Knoten und der Lautstärke eines Eisenbahnzuges um unsere Zelte. Bald war klar: Kein Helikopter würde uns bei diesem Wetter von dem Vulkan herunterbringen. "It´s a harsh continent", wiederholte einer der Geologen, die mit uns auf dem Mt. Erebus auf besseres Wetter warteten, unermüdlich. Auch sie, die Forscher, wurden langsam ungeduldig. Sie wollten zum Kraterrand aufsteigen.

Der Mt. Erebus ist einer der wenigen noch aktiven Vulkane in der Antarktis, und als solcher ein phantastisches Fenster zur Erdgeschichte. In seinem Krater brodelt ein rot glühender Lavasee, der mehrmals am Tag, wenn Gasblasen aus dem Erdinnern nach oben steigen, Gesteinsbrocken ausspuckt, die als schwarze Geschosse im Schnee einschlagen. Wir allerdings bekamen davon in den ersten Tagen wenig mit: Es war viel zu kalt, viel zu windig, um den Krater und die Lavabomben zu erkunden, die manchmal noch heiß und innen zähflüssig sind, wenn sie zu Boden fallen. Stattdessen stiegen wir in den Untergrund ab. Heiße Lavaströme haben unter den Gletschern an den Vulkanflanken Eishöhlen herausgetaut, sich in bizarren Labyrinthen durch den Untergrund winden. Die Geologen schätzen diese windstille Welt als „Museum“: Denn hier, vom Eis geschützt, ist die Lava des Mt. Erebus seit Jahrtausenden kaum verwittert.

Eruption: Der Mt. Erebus speiht mehrfach am Tag Lavabomben aus
Eruption: Der Mt. Erebus speiht mehrfach am Tag Lavabomben aus
© Lars Abromeit
Als das Wetter besser wurde: Lars Abromeit, dick verpackt, auf dem Gipfel des Mt. Erebus
Als das Wetter besser wurde: Lars Abromeit, dick verpackt, auf dem Gipfel des Mt. Erebus
© Alex Herst

Als der Sturm nach zwei Tagen schließlich nachließ, konnten wir dann sogar doch noch auf den Gipfel des Mt. Erebus aufsteigen. Dick verpackt und völlig außer Atem erreichten wir nach gut zwei Stunden den Kraterrand - und hätten uns keinen schöneren Ort als Abschluss unserer Antarktis-Reise wünschen können. Vom Gipfel des Mt. Erebus aus war das gesamte Ross-Eisschelf zu überblicken; am Horizont trieben die Eisberge in den blauen, offenen Ozean, im Westen strahlten die Transantarctic Mountains, in denen sich die Dry Valleys verbergen, in goldenem Licht. Und im Süden: ewiges Eis.

Wir wissen nicht, ob wir jemals wieder in diesen einzigartigen Teil der Erde zurückkehren werden. So extrem ist der logistische und zeitliche Aufwand dafür, dass eine Reise hierher fast automatisch zur Expedition wird. Aber wir hoffen, mit unserer journalistischen Dokumentation die Magie dieses wundersamen Endes der Welt auch all jenen näher bringen zu können, die nicht das seltene Glück haben, sie selbst zu erleben. Orte wie die Antarctic Dry Valleys oder der Mt. Erebus existieren in einem empfindlichen Gleichgewicht. Es sind unwahrscheinliche Plätze. Solche, die allein dadurch faszinieren, dass es sie gibt. Wir hoffen, dass es noch lange so bleiben wird.

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