Heute hat eine entscheidende Änderung der Vulkanaktivität stattgefunden, die
möglicherweise einen weiteren Schritt in Richtung der Hauptphase der Eruption bedeutet.
Matthias und ich haben dies mitbekommen, als wir gerade am Beobachtungsposten Babadan
waren, um noch ein paar letzte Änderungen an der Radarsoftware aufzuspielen. Schon als wir die Flanke des Vulkans zum Posten hochfuhren, sind wir in einen Ascheregen gekommen, der die gesamte Vegetation mit einem weiteren Millimeter Asche bedeckt hat.

Ein Geruch von verbranntem Gestein liegt in der Luft
Die Fahrt war etwas gruselig in ihrer Weise, da so ein Ascheregen eine sehr seltsame
Stimmung bewirkt. Das Licht, das durch die Wolke kommt, ist sehr dunkel und gelblich, wie
vor einem schweren Gewitter. Dazu ist es totenstill, denn Asche absorbiert Schall
ähnlich wie Schnee. Innerhalb von kürzerster Zeit ist man von einer grauen Schicht
bedeckt, die sich hartnäckig in die Kleidung setzt. Und ein beeindruckender Geruch von
verbranntem Gestein liegt in der Luft.

Auf dem Weg entlang der Bergflanke hoch nach Babadan kommt man durch mehrere Dörfer, deren Bewohner leider immer noch alle da sind. Die meisten Leute tragen zum Glück Staubmasken aus alten Unterhemden gegen die extrem feinen Aschepartikel, die dort permanent in kleinen Flocken fallen. Deren Konsistenz ist fast wie feiner Schnee - leider schmilzt er nicht. Die Tabak- und Gemüsepflanzen, welche die einheimische Bevölkerung hier anbaut, sind allesamt von einer dicken Ascheschicht bedeckt, und werden wohl leider alle in der nächsten Zeit eingehen.
Dass die Asche hier im Nordwesten landet, ist ein großes Glück für die Stadt Yogyakarta,
die mit ihren 450.000 Einwohnern und mehreren hunderttausend Obdachlosen genau im Süden des Berges liegt. Man kann nur hoffen, dass sich die Windrichtung nicht noch ändert.
Vermehrte Ausschläge des Radars
Die Änderung in der Aktivität des Bergs hat sich gegen Nachmittag ereignet, als die
Anzahl der Glutwolken, die derzeit ja meist nach Süden angehen, sich dramatisch erhöhte.
Auf unserer Seite des Bergs machte sich dies durch vermehrte Ausschläge des Radars
bemerkbar, vor allem aber durch mehrere Pulse von schweren Aschewolken, die von den
Glutwolken aufstiegen, und deshalb auch Phönixwolken genannt werden. Jede dieser Wolken
brachte uns einen schweren Ascheregen, der sich innerhalb eines Tages als eine weitere, einen Millimeter dicke Schicht auf die Landschaft legte. Zum ersten Mal ist es uns dabei auch
gelungen, die Aschewolken selbst mit dem Radar aufzunehmen, was in der Zukunft sehr wichtig für die Frühwarnung an Vulkanen sein könnte.
Als wir mit den Arbeiten an unseren Geräten fertig waren, sahen wir beide aus wie Arbeiter
in einem Zementwerk - mit Aschenputtel Look. Auf der Heimfahrt nach Yogyakarta hatten wir
einen guten Blick von der Seite auf den Vulkan, wodurch wir das ganze Ausmaß der Aktivität
sehen konnten: Alle zehn Minuten ergoss sich eine riesige Feuerwolke Richtung den Berghang Richtung Süden hinunter, und ganz offensichtlich war die Reichweite der Wolken nun erheblich größer als in den Tagen zuvor. Genau dies war von den Wissenschaftlern erwartet worden. Matthias und ich konnten während der Fahrt leider das Observatorium nicht
telefonisch erreichen und befürchteten schon das Schlimmste für die Bevölkerung im Süden
des Bergs.
Die Glutwolken machten kurz vor den bewohnten Gebieten halt
Nach beinahe ewig wirkenden, nervenaufreibenden 60 Minuten kamen wir endlich am
Observatorium in Yogyakarta an, und erfuhren, dass die Glutwolken zum Glück wieder allesamt kurz vor bewohnten Gebieten halt gemacht hatten. Auch dies hatte zur Folge, dass die Bevölkerung dort, die sich bisher strikt geweigert hatte zu gehen, nun alles stehen und
liegen ließ und den Wissenschaftlern endlich glauben schenkte.
Die Phase dieser erhöhten Aktivität hielt von da ab für mehrere Stunden an, und zu dem
Zeitpunkt hielten wir es für möglich, dass dies der Anfang des großen Domkollapses sein
könnte. In der Nacht beruhigte sich der Berg jedoch wieder etwas, und von Yogyakarta aus konnte man den 24 Kilometer entfernten Dom hell glühen sehen. Selbst von der hell erleuchteten Stadt aus konnte man immer noch viele der gespenstisch glühenden Feuerwolken den Berg hinabrasen sehen. Und auch sehr eindrucksvoll ist, dass selbst nach dieser wütenden Vorstellung heute der Dom visuell fast genauso groß wie zuvor ist, scheinbar vollkommen unbeeindruckt. Ich kann nur hoffen, dass der Rest vom Dom nicht in einem Stück kollabiert, denn sonst war die Vorstellung heute nur ein kleiner Vorgeschmack. Um sicher zu gehen, ob das Ereignis heute den Vulkan etwas entschärft hat, müssen wir gute Sichtbedingungen abwarten, und das kann unter Umständen ein paar Tage dauern.
Ruhepause vor der Eruption ist besonders gefährlich
Aus statistischer Sicht ist es ziemlich wahrscheinlich, dass der Kollaps des Doms (in
welcher Form auch immer) entweder sehr bald, d.h. in den nächsten zwei Wochen stattfindet,
oder aber erst nach einer mehrwöchigen Ruhepause. Dieses Verhalten hat der Vulkan auch bei vergangenen, wenn auch kleineren Eruptionen an den Tag gelegt. Die mögliche Ruhepause vor der Eruption wäre besonders gefährlich, da es beinahe unmöglich ist, die Bevölkerung so lange aus dem Gefahrenbereich herauszuhalten. Man kann also nur hoffen, dass es bald geschieht.