Noch herrscht die Ruhe vor dem Sturm. Doch die Forscherinnen Valérie Clouard und Muriel Gerbault von der chilenischen Universität Santiago denken in anderen Zeitdimensionen als Normalbürger und sehen Nordamerika bereits im Feuerchaos versinken. Denn die Pazifische Platte, eine der besonders großen „Schollen“, aus denen die Erdkruste zusammengesetzt ist, bricht in der Mitte auseinander.
Die riesige Platte trägt den Großteil des Ozeans und reicht von der Küste Nordamerikas über die Osterinsel bis Neuseeland und vor Kamtschatka. Bisher hatten Forscher angenommen, dass die Scholle lediglich wie ein gewaltiges Floß langsam von Osten nach Westen treibt — auf der zähflüssigen Schicht der Erdkruste, der sogenannten Asthenosphäre.
Jetzt aber kommt mehr Dynamik in die Vorstellung von der Plattenbewegung: Die Geologinnen haben Risse in der Pazifischen Platte entdeckt, die sich von Osten nach Westen ziehen. Die Sprünge reichen vom 15. bis zum 30. südlichen Breitengrad, einer Zone, in der Oster- und Pitcairninsel, Französisch- Polynesien, Cookinseln und Samoa liegen. Clouard und Gerbault simulierten mithilfe von Satellitendaten das Gleiten der Pazifikplatte am Computer. Ihre Rechnungen haben schließlich ergeben, dass der nördliche Teil auf der Überholspur ist: Er bewegt sich wesentlich schneller Richtung Asien und Australien als das südliche Ende.
Durch die angestaute Spannung zerspringt die Platte in der Mitte. Noch hängen Nordund Südhälfte aneinander, aber in schätzungsweise fünf Millionen Jahren werden sie getrennte Wege gehen. Dann, so die apokalyptische Vision, wird aus dem Riss glühend heißes Magma quellen, das die Plattenteile immer stärker auseinandertreibt. Das nördlichste Stück wird sich dereinst unter die Nordamerikanische Platte schieben, wobei es in den Erdmantel hinabsinkt. Aus den schmelzenden Gesteinsmassen werden sich riesige unterirdische Magmaseen bilden.
In Kalifornien wird es zu gewaltigen Vulkanausbrüchen kommen, und Lavaströme werden das Land überziehen. Die Bruchstelle zwischen den Plattenhälften vernarbt zwar, wird sich aber nie wieder schließen. Aus dem Schlund brodelt dann fortwährend Magma und bildet neuen Ozeanboden. Die erstarrten Reste des Glutstroms werden sich schließlich zu einem gigantischen untermeerischen Gebirge auftürmen - einem Mittelozeanischen Rücken.
