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Explodiert der Yellowstone?
Einen Tag nach Weihnachten, am 26. Dezember 2008, schlagen die seismologischen Geräte rund um den Yellowstone-Nationalpark plötzlich vermehrt aus. Viel häufiger als sonst. Gewöhnlich halten sie maximal 3000 Minibeben pro Jahr fest, doch nun sind es 500 in einer Woche.
Nur wenige Menschen sind in diesen dunklen Wintertagen im Nationalpark unterwegs, doch ohnehin sind die meisten Stöße so schwach, dass Besucher sie nicht bemerken. Ein Grummeln, tief in der Erde. Die Instrumente aber fangen es auf und leiten die Daten 500 Kilometer weiter südlich an die Universität von Utah, wo Geologen sie so schnell wie möglich auswerten.
Teile ihrer Arbeit sind über das Internet öffentlich zugänglich, und so dauert es nicht lang, bis erste nervöse E-Mails bei Jake Lowenstern, dem verantwortlichen Forscher im Park, eintreffen: Droht eine größere Gefahr? Evakuierungsgerüchte kommen auf. Sie sind unbegründet, doch selbst wenn sie es nicht wären – wohin könnte man gehen?
Drei Millionen Menschen besuchen jährlich Amerikas ältesten Nationalpark. Sie fotografieren die Bisons und Wapiti-Hirsche, die hier umherstapfen, und hoffen, Grizzlybären, Wölfe oder Luchse zu erspähen. Doch vor allem kommen sie wegen der Geysire, der brodelnden Schlammlöcher, der kochend heißen Quellen.

An mehr als 10 000 Stellen im Park blubbert, dampft oder stinkt es oder schießt Wasser bis zu 100 Meter hoch aus dem Grund. So unwirklich und feind-selig wirke die Landschaft, dass man an die Hölle und das Jüngste Gericht denken müsse, bekannte ein Pionier des 19. Jahrhunderts. Er ahnte nicht, wie nah er der Wahrheit damit kam.
Denn in Yellowstone schlummert ein Monster biblischen Ausmaßes. Rund acht Kilometer unter den Füßen der Besucher liegt eine der gewaltigsten Magmakammern der Welt. Mit einer Ausdehnung von 2500 Quadratkilometern ist sie etwa so groß wie Luxemburg, dazu acht Kilometer dick und gefüllt mit einem mehr als 800 Grad heißen Gemisch aus Gas, flüssigem und festem Gestein. Kurz: Yellowstone ist nichts anderes als – ein Vulkan.
Aber kein gewöhnlicher. Einen Kegel sucht man hier vergebens, auch ein Krater scheint zunächst nicht sichtbar. Lange waren es nur die meterhohen Ascheablagerungen und das heiße Geblubber allenthalben, das Geologen aufmerksam machte. Jahrelang vermaßen und analysierten sie das Gestein, bis Satellitenfotos bestätigten, was vom Boden schwer zu erkennen war: Weite Teile des Parks sowie Gebiete darüber hinaus – insgesamt etwa 4000 Quadratkilometer – bilden den Krater eines Vulkans.
Oder besser gesagt: eines „Supervulkans“.
Seinen bisher mächtigsten Ausbruch erlebte er vor 2,1 Millionen Jahren. Gut 2500 Kubikkilometer Geröll und Material (Magma genannt, wenn es im Erdinneren steckt, Lava, sobald es den Vulkan verlässt) spuckte er damals aus. Das entspricht einem Würfel von 13,5 Kilometer Kantenlänge. Größer als der Mount Everest – und genug Material, um ganz Deutschland sieben Meter tief zu begraben.

Die Explosion muss die Kraft mehrerer Hunderttausend Hiroshima-Bomben gehabt haben. Gut 30 Kilometer hoch katapultierte sie Asche, Gase und Wasserdampf in die Stratosphäre. Die Auswurfsäule war so mächtig, dass Gewitter darin tobten. Noch am Pazifik im Westen und am Mississippi im Osten regnete es Asche. Flüsse aus Lava sowie rasend schnelle Feuerwalzen aus Gas und glühenden Gesteinspartikeln wälzten sich bis zu 130 Kilometer weit ins Umland. Was ihnen im Weg stand, verbrannte.
Als das Inferno erstarb, hatte sich eine Fläche so groß wie Schleswig-Holstein in eine Mondlandschaft aus heißem Fels, Schlamm und Geröll verwandelt. Teils türmte sich das Material 760 Meter hoch auf, wie umfangreiche Bodenvermessungen und Gesteinsanalysen ergaben. Vor 1,3 Millionen sowie vor 640 000 Jahren brach der Vulkan erneut aus und verteilte dabei noch einmal insgesamt halb so viel Lava und Asche in der Landschaft. Seither haben rund 80 kleinere Eruptionen den Kessel so weit gefüllt, dass die meisten Yellowstone-Besucher gar nicht gewahr werden, in einem Vulkan zu stehen.
Zu dem letzten (im Vergleich zu den drei Supereruptionen jedoch harmlosen) Ausbruch kam es vor 70 000 Jahren. Doch nicht nur die Beben vom Dezember zeigen, dass der Vulkan noch immer aktiv ist. Am 17. August 1959 rüttelte die Erde im Park so heftig, dass 28 Menschen starben – 19 bei einem Bergrutsch, der so mächtig war, dass man die Leichen nie fand. Und 1989 schoss eine hydrothermale Explosion Felsbrocken 60 Meter in die Luft.
Messungen zeigen, dass sich der Boden des Parks hebt und senkt wie der Brustkorb eines Riesen. Mal sind es neun Millimeter pro Jahr, dann wieder 14, und jüngst waren es sogar sechs Zentimeter – so viel wie noch nie seit
der Aufnahme systematischer Messungen. Es ist für Geologen keine Frage, dass der Yellowstone-Vulkan wieder ausbrechen wird. Offen ist nur, wann. Und wie heftig.
Vulkane sind Orte auf unserem Planeten, an denen dessen äußere Schicht – die rund 100 Kilometer dicke Erdplatte, auf der wir leben – aufreißt und das Erdinnere in Form glühenden Magmas hervorquillt. Weltweit kennen Geologen rund 1000 solcher Regionen (weit mehr liegen vermutlich in den Tiefen der Ozeane).
Geologische Hotspots
Manche Vulkane brechen alle 20 Minuten aus, so wie der auf der italienischen Insel Stromboli. Andere liegen Jahrtausende still und verwüsten dann mit einem Knall ganze Landstriche, wie das Monstrum vom Yellowstone-Park. Und noch immer entstehen neue.
Am 20. Februar 1943 verbrannte der Bauer Dionisio Pulido gerade Pflanzenreste auf seinem Maisfeld in der Nähe des Dorfes Paricutin, 300 Kilometer westlich von Mexiko-Stadt, als die Erde vor ihm mehrere Meter weit aufplatzte. „Ich fühlte Donner, die Bäume zitterten, und dann sah ich, wie in dem Loch der Boden um mehr als zwei Meter anschwoll. Es qualmte und pfiff und stank nach Schwefel“, erzählte der schockierte Pulido später.
Innerhalb einer Woche türmte sich der neue Vulkan gut 100 Meter auf, und im Verlauf der folgenden Monate überflutete er zwei nahe gelegene Dörfer mit Lava. Nach neun Jahren (er maß nun 424 Meter) stoppte der Ausbruch so unvermutet, wie er begonnen hatte. Mehr als 90 Prozent der Vulkane liegen an den „Nahtstellen“ tektonischer Platten – vor allem dort, wo sich diese Platten aufeinander zubewegen und sich eine unter die andere schiebt. Dabei erwärmt sich die Oberfläche der abtauchenden Erdkruste, und eingeschlossenes Wasser steigt auf.
Es sorgt über einen komplizierten chemischen Prozess dafür, dass das Mantelgestein schmilzt – Magmakammern entstehen, die sich dann durch Vulkanausbrüche entleeren. Dieser Prozess hat beispielsweise zur Bildung des Pazifischen Feuerrings geführt: eines Vulkangürtels, der sich von der Westküste Süd- und Nordamerikas über den Aleutengraben im nördlichen Pazifik und entlang der japanischen Ostküste bis hinunter nach Australien zieht. Auch in Regionen, wo zwei Platten voneinander wegtreiben, entstehen häufig Vulkane. Denn in die Risse strömt heißes Material aus tieferen Schichten der Erde und schmilzt, da durch die Druckentlastung der Schmelzpunkt des Gesteins herabgesetzt wird.
Und dann gibt es noch die „Hotspots“. Geologen vermuten, dass es sich dabei um Orte handelt, an denen aus großer Tiefe heißes Material aufsteigt wie die Flamme eines Bunsenbrenners. Weltweit existieren knapp 50 dieser Aufwallungen. Viele von ihnen liegen seit Millionen von Jahren an der jeweils gleichen Position im Erdmantel. Weil die Erdkruste in dieser Zeit über sie hinwegwanderte, schuf das aus ihnen hervorströmende Material oft ganze Ketten von Vulkaninseln, etwa die von Hawaii oder Galápagos.
Eine besonders junge Hotspot-Insel entstand 1963 vor der Küste Islands. Innerhalb von nur dreieinhalb Jahren wuchs hier eine fast drei Quadratkilometer große Felskuppe aus dem Ozean, die heute den Namen Surtsey trägt. Manche Forscher glauben, dass die mineralstoffreichen Schlote von Unterwasser-Vulkanen jene Orte waren, an denen einst vor 3,5 Milliarden Jahren das Leben entstand. Gleichzeitig aber zählen Feuer speiende Berge zu den tödlichsten Gefahren auf diesem Planeten. Und Supervulkane sind sogar derart gefährlich, dass sie mit einer einzigen Eruption ein weltweites Massensterben einleiten könnten. Neben dem Vulkan von Yellowstone haben Geologen mittlerweile rund ein Dutzend weitere gefunden, etwa in Indonesien, Kalifornien, Neumexiko und in den Anden. Bisher brachen sie 47-mal aus. Was das bedeutet, mussten viele Lebewesen und auch der Mensch schon erfahren.
1977 machte ein Paläontologe namens Mike Voorhies im US-Bundesstaat Nebraska eine seltsame Entdeckung. In einer Vertiefung fand er prähistorische Asche und darin 200 fossile Tierskelette. Nashörner waren darunter, drei Arten von Kamelen, drei Arten mehrzehiger Pferde sowie ein säbelzahnbestückter Hirsch mit einem Schultermaß von nur 45 Zentimetern. Wo die Tiere lagen, hatte einst ein Wasserloch existiert, und sie waren vor rund zwölf Millionen Jahren innerhalb kurzer Zeit gestorben.
In Nebraska gab es damals aber keine Vulkane. Schließlich erkannten die Geologen, dass die Asche aus Idaho stammte – 1600 Kilometer entfernt. Dort war jener Hotspot, der heute aufgrund der tektonischen Bewegung der Nordamerikanischen Erdplatte unter dem Yellowstone-Park liegt, in einer frühen Supereruption ausgebrochen.
Veränderungen an den Knochen der Tiere signalisierten Sauerstoffmangel und verrieten dadurch, wie sie gestorben waren: Sie hatten glasscharfe Aschepartikel eingeatmet, die der Wind heranblies, und sich damit die Lungen zerfetzt. Über Wochen waren sie gewissermaßen an ihrem Blut erstickt und schließlich auf der Suche nach letzter Linderung an dem Wasserloch verendet.
Ein ähnliches Schicksal erlitten vor rund 74 000 Jahren vermutlich auch viele unserer eigenen Vorfahren. Damals brach auf der indonesischen Insel Sumatra ein Supervulkan mit noch mehr Macht aus als der von Yellowstone. Die Explosion riss einen etwa 100 Kilometer langen und 30 Kilometer breiten Kessel auf, der heute vom Tobasee gefüllt wird. Knapp 3000 Kubikkilometer Vulkangeröll und Asche verteilten sich über die Region.
Womöglich wurde auch das größte Massenaussterben der Erdgeschichte von Supervulkanen ausgelöst: Vor rund 250 Millionen Jahren gingen bei einer gigantischen Katastrophe rund 70 Prozent aller Arten von Landlebewesen und etwa 90 Prozent der Meerestier-Spezies unter, wie Wissenschaftler anhand von Fossilienverteilungen herausgefunden haben. Und genau in jener Zeit brach ein Supervulkan durch die Erdoberfläche, überflutete große Teile Sibiriens (etwa die doppelte Fläche Europas) mit Lava und löste vermutlich einen dramatischen globalen Klimawandel aus, der völlig neue Umweltbedingungen schuf und so für viele Tierarten den Tod bedeutete.
Die Intensität eines Ausbruchs definieren Forscher auf einer Skala von null bis neun (wobei jede Eruptionsstufe um eine Zehnerpotenz mächtiger ist als die jeweils niedrigere), und wie eine Eruption in diesem System bewertet wird, hängt weitgehend von zwei Faktoren ab: von der Menge an ausgestoßenem Material sowie der Höhe der Rauchsäule. Die Stärke einer Vulkanexplosion wird vor allem durch die Zusammensetzung des Magmas beeinflusst. Je zähflüssiger das Magma ist und je reicher an Gasen, desto heftiger fällt die Eruption aus.

Was passiert beim Vulkanausbruch?
Der Kilauea auf Hawaii etwa blubbert seit Jahrzehnten täglich Lava mit der Eruptionsstärke null hervor, weil die dort aufsteigende basaltische Gesteinsschmelze, hervorgerufen durch einen Hotspot, nicht nur dünnflüssig, sondern zusätzlich gasarm ist. Das beeinflusst auch die Gestalt des Berges: Der Kilauea ist ein Schildvulkan mit extrem sanft geschwungenen Flanken, da sich die Lava aufgrund ihrer Konsistenz großflächig verbreiten konnte. Seine Hänge setzen sich bis in eine Tiefe von fünf Kilometern unterhalb des Meeresspiegels fort.
Kegelförmige Vulkane – von Experten unterteilt in die kleineren Schlackenkegel, deren Flanken nur aus Locker-material bestehen, und in die großen Schichtvulkane, deren Hänge abwechselnd aus Lava und Gesteinsfragmenten aufgebaut sind – entstehen an Orten, an denen das Gestein reich an Quarz ist. Damit ist es selbst geschmolzen zähflüssig wie kalter Honig und fließt gut zehnmal langsamer als die basaltische Lava der Schildvulkane. Deshalb erstarrt die quarzreiche Lava bereits nach einer wesentlich kürzeren Strecke. Das ausgeworfene Material häuft sich also in der Nähe des Schlots an – und auf diese Weise bildet sich im Lauf der Zeit die typische Vulkankegelform.
Bevor es zu einem Ausbruch kommt, sammelt sich die Gesteinsschmelze in einer meist mehrere Kilometer tief gelegenen Kammer im Boden. Das dickflüssige Magma enthält oft viele Gase – darunter Schwefelwasserstoff oder Kohlendioxid –, die wegen seiner Zähigkeit zunächst nicht entkommen können. So baut sich ein enormer Druck unter der Erdoberfläche auf. Dieser hebt den Boden zum Teil um Dutzende Meter an, bis der Gesteinsdeckel den Kräften nicht mehr standhalten kann. Dann bricht die obere Gesteinsschicht auf, und die befreiten Gase lassen das Magma hervorschäumen wie Limonade aus einer geschüttelten Flasche.

Oft schießen die Bruchstücke des Deckels mit einer Geschwindigkeit von mehreren Hundert km/h hoch in den Himmel. Neben der Lava selbst ergießen sich aus dem Feuerberg danach häufig pyroklastische Ströme aus heißem Gas und glühenden Gesteinspartikeln, die sich mit Hurrikangeschwindigkeit die Vulkanflanke herabwälzen – so wie im Jahr 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuvs, als heiße Asche und Geröll die Stadt Pompeji begruben.
Schmelzen sie dabei Schnee oder regnet es stark, können sich zusätzlich Lahare bilden: oft kochend heiße Ströme aus Asche- und Geröllschlamm mit der Konsistenz von nassem Beton. Lava, Lahare, pyroklastische Ströme, giftige Gase, Tsunamis und andere Folgen von Vulkanausbrüchen kosteten allein in den vergangenen 400 Jahren schätzungsweise 300 000 Menschen das Leben.

Viele dieser folgenreichen Ausbrüche hatten auf der Eruptionsskala eine Intensität zwischen drei und sechs. So spuckte etwa der kolumbianische Vulkan Nevado del Ruiz 1985 rund 0,01 Kubikkilometer Material aus – ein Ausbruch der Klasse drei. Lahare töteten damals knapp 25 000 Menschen.
Bei der Eruption des Mount St. Helens 1980 explodierten rund ein Kubikkilometer Lava und Asche – eine Fünf auf der Intensitätsskala. Und als südlich von Sumatra 1883 der Krakatau in die Luft flog, setzte er rund 20 Kubikkilometer Erdinneres frei, ein seltener Ausbruch der Klasse sechs; 36 000 Menschen starben damals. Doch auch das ist nur ein Hundertstel einer Supereruption.

Gemäß der derzeit gängigsten Definition brechen dabei mindestens 1000 Kubikkilometer Material auf einmal hervor – eine Intensität der Klasse acht. Dazu kommt es, wenn sich besonders viel zähes und mit Gas angereichertes Magma dicht unter der Oberfläche staut. Manche dieser Kammern haben bis zu 100 Kilometer Durchmesser und setzen Tausende Quadratkilometer Oberfläche unter Druck. Brechen sie schließlich großräumig auf, können pyroklastische Ströme mit solcher Gewalt hervorplatzen, dass sie eine Fläche von der Größe Ostdeutschlands in Minuten überrollen. Hat sich die Magmakammer entleert, fällt der Gesteinsdeckel auf den Boden der Kammer und bildet einen riesigen Kessel, eine „Caldera“, so wie nach der Toba-Eruption vor 74 000 Jahren.

Bedrohung durch Super-Vulkane
Forscher schätzen, dass der Wind nach dem Ausbruch des Toba eine 15 Zentimeter dicke Lage Asche über Indien und weite Teile Südostasiens verteilte. Schlimmer für die damals lebenden Menschen aber war, dass jeder Vulkan Staub und Gase in die Atmosphäre schleudert, wo sie das Sonnenlicht reflektieren – und selbst deutlich kleinere Ausbrüche können das Weltklima so nachhaltig beeinflussen. Als 1991 der Pinatubo auf den Philippinen und einen Monat später der Cerro Hudson in Chile explodierten, sank die globale Durchschnittstemperatur für zwei Jahre um ein Grad Celsius.
Als Indonesiens Vulkan Tambora 1815 mit einer Kraft zwischen sechs und sieben ausbrach, schneite es in Europa im kommenden Sommer noch im August. Etwa 10 000 Menschen starben bei der Eruption, schätzen Experten. Und vermutlich 100 000 verhungerten, weil die Ernten ausblieben.
Nach der Eruption des Supervulkans von Toba verdunkelte sich die Atmosphäre derart, dass die Durchschnittstemperaturen quer über den Globus möglicherweise mehr als sechs Jahre lang um fünf Grad Celsius niedriger lagen als zuvor. Die Sommer wurden womöglich sogar um bis zu 15 Grad kälter. Allein in Südostasien haben die erstickende Asche und der vulkanische Winter vermutlich so gut wie alle Bäume getötet.
Untersuchungen am menschlichen Genom liefern Hinweise darauf, dass der Mensch just zu dieser Zeit einen Populationsengpass durchlaufen haben könnte. Der Anthropologe Stanley H. Ambrose von der Universität in Illinois vermutet, dass nur einige Tausend unserer Ahnen den Ausbruch des Toba und den folgenden Klimawandel überlebten, vor allem in tropischen Gefilden Afrikas. Was aber würde eine Supereruption heute anrichten?
Bräche etwa der Vulkan unter dem Yellowstone erneut so heftig aus wie vor 2,1 Millionen Jahren, würden in einem Umkreis von 100 Kilometern vermutlich nur wenige Menschen überleben. Selbst Autos wären zu langsam, um den mit bis zu 400 km/h heranrollenden pyroklastischen Strömen zu entkommen. Noch in 200 Kilometer Entfernung fiele Asche, so dick wie Schnee. Der Himmel wäre derart verdunkelt, dass es über Tage oder sogar Wochen selbst mittags dämmrig bliebe. Asche würde Abwasserrohre blockieren, Mobiltelefone lahmlegen und Generatoren verkleben. Auch viele Flüsse wären verstopft.
Noch 300 Kilometer entfernt läge die Asche knietief, und Häuser liefen Gefahr, beim nächsten Regen unter dem Gewicht des Wasser-Asche-Gemisches zusammenzubrechen. Der Vulkanauswurf würde die Felder der Great Plains bedecken – des Brotkorbs der USA. Farmtiere würden sterben und ohne Atemschutz auch viele Menschen. Der vulkanische Winter würde mehrere Jahre andauern und noch in fernen Ländern Ernten ruinieren. Weltweite Hungersnöte wären die Folge. Direkt und indirekt könnten mehr als eine Milliarde Menschen durch eine Supereruption sterben, vermuten Katastrophenforscher.
Vulkane mit 1000-Kubikkilometer-Eruptionen haben Geologen unter anderem auch in Argentinien, Chile, Jemen und in Neuseeland gefunden (aber keinen in Europa, selbst die Phlegräischen Felder nahe Neapel haben nicht das Potenzial für einen Stärke-acht-Ausbruch). Den bisher größten Supervulkan – und den einzigen mit der Ausbruchstärke neun – haben Forscher im Südwesten Colorados entdeckt. Ascheablagerungen zeigen, dass aus der La-Garita-Caldera vor knapp 28 Millionen Jahren 5000 Kubikkilometer Magma in die Luft flogen: doppelt so viel wie bei dem größten Ausbruch des Yellowstone-Feuerbergs.
Viele dieser Vulkane sind bis heute aktiv. Glücklicherweise aber sind Supereruptionen relativ selten. Nur alle 100 000 Jahre müsse die Welt damit rechnen, kalkulierte kürzlich die Geologische Gesellschaft von London. Andererseits jedoch sei die Wahrscheinlichkeit fünfmal größer als die des Einschlags eines großen Meteoriten, der die Zivilisation gefährden würde.
Langfristig sei eine Supereruption „unvermeidlich“, schreibt die Geologische Gesellschaft. „Sie kann in 10 000 Jahren passieren – oder morgen. Und im schlimmsten Fall wird sie unsere ganze Spezies bedrohen.“ Verhindern können die Menschen das nicht. Es ist noch nicht einmal sicher, ob sich eine Supereruption präzise vorhersagen lässt. Würde der Vulkan zuvor monatelang beben und sich verformen, wie viele Geologen glauben? Oder ginge vielleicht doch alles so schnell, dass keinerlei Vorkehrungen, etwa großflächige Evakuierungen, getroffen werden können?
Zumindest in Yellowstone scheint sich die Lage zunächst wieder beruhigt zu haben. Nach 813 Erdstößen beendete der Vulkan Anfang Januar sein exzessives Rumoren. Nun zittert und bebt er wieder normal. Der Gigant schläft.
Aber niemand weiß, wie lange.