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Umweltschutz Endlich Weltnaturerbe!

Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer ist Unesco-Weltnaturerbe. Das hätte Hamburg früher haben können. Und was bedeutet das eigentlich?

Hamburg, das Tor zur Welt an Elbe und Alster, besitzt ein einzigartiges Naturjuwel außerhalb seines eigentlichen Stadtgebiets: ein Stück Wattenmeer an der Elbmündung bei Cuxhaven. Die Exklave, 137,5 Quadratkilometer groß, mit den drei kleinen Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn und deren 40 Bewohnern, gehört schon seit dem Mittelalter zur Hansestadt und bildet einen rund 25 Kilometer langen Keil zwischen dem Schleswig-Holsteinischen und dem Niedersächsischen Wattenmeer.

Umweltschutz: Bei Ebbe sind die drei Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn auf Wattwegen zu erreichen
Bei Ebbe sind die drei Inseln Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn auf Wattwegen zu erreichen
© Klaus Janke

Erst im Jahr 2008 wurde vielen Hamburgern wieder schmerzlich bewusst, dass zur Stadt auch das Stückchen Wattenmeer gehört. Denn nachdem die Hansestadt jahrelang dessen Ernennung zum Unesco-Weltnaturerbe betrieben hatte, scherte der CDU-Senat unter Bürgermeister Ole von Beust in letzter Minute aus und zog die Bewerbung zurück. Naturschützer waren entsetzt. Was war geschehen?

Offiziell war die Sorge um den Hamburger Hafen ausschlaggebend: Damit auch große Containerschiffe den Binnenhafen an der Elbe anlaufen können, muss die Fahrrinne der Elbe ständig ausgebaggert werden. Und sie soll sogar noch vertieft werden, damit auch die Giganten der jüngsten Schiffsgeneration mit einem Tiefgang von 14,50 Meter den Hafen erreichen können. Das Planfeststellungsverfahren dazu läuft seit dem Jahr 2006.

Umweltverbände warnen allerdings, dass die Vertiefung sich auf die Natur in und an der Unterelbe nachteilig auswirkt. Denn ökologisch wertvolle Flachwasserzonen könnten verlanden. Diese Biotope sind aber Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten - unter ihnen so seltene wie der Schierlings-Wasserfenchel. Die Pflanzenart kommt weltweit nur noch entlang der Unterelbe vor.

So trieb die Wirtschaftsbehörde des CDU-Senats die Angst um, der Titel "Weltnaturerbe" könnte die Pläne zur Elbvertiefung behindern oder sogar zunichte machen. Auf politischen Druck scherte Hamburg im Jahr 2008 aus der gemeinsamen Bewerbung mit den Nachbarländern aus - und verzichtete vorläufig auf den prestigeträchtigen Titel.

Von einer "Blamage für Hamburg" spricht BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Baasch. Zumal die Bedenken nie plausibel begründet gewesen seien. In der Ausweisung des Weltnaturerbes sei die Fahrrinne der Außenelbe explizit ausgenommen. Man habe in der Wirtschaftsbehörde im Grunde irrationale Bedenken gehabt, dass die Umweltverbände den Welterbe-Status ausnutzen könnten, um die Elbvertiefung "abzuschießen", sagt Baasch.

Doch ebenso schnell, wie die Bedenken gekommen waren, verflogen sie auch wieder. Im Februar 2010 entschied der nun schwarz-grüne Senat, die Bemühungen um den Titel wieder aufzunehmen und die Bewerbung nachzureichen. Am 27. Juni 2011 erklärte das Unesco-Welterbekomitee in seiner 35. Sitzung auch den fehlenden Rest des deutschen Wattenmeeres zum Weltnaturerbe - und erkannte ihm damit einen "außergewöhnlichem universellen Wert" zu. Das hamburgische Wattenmeer spielt nun in derselben Liga wie die Galápagos-Inseln, der Serengeti-Nationalpark oder das Great Barrier Reef. Und endlich hat auch Hamburg, als letztes Bundesland, sein Unesco-Welterbe.

Wer könnte sich darüber mehr freuen als der Leiter des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer, Klaus Janke? "Eine größere Auszeichnung für erfolgreiche Naturschutzarbeit gibt es nicht", sagt der Biologe. In der nachträglichen Bewerbung und Ernennung sieht er in der Rückschau sogar einen Vorteil. Denn jetzt habe das Wattenmeer - auch wenn es nicht beabsichtigt war - zum zweiten Mal weltweite Aufmerksamkeit erhalten.

Besonderen zusätzlichen Schutz genießt das Wattenmeer durch die Auszeichnung allerdings nicht. Schon seit 1990 ist das Hamburgische Wattenmeer Nationalpark, seit 1992 Biosphärenreservat und unterliegt damit den Bestimmungen der europäischen Flora-Fauna-Habitat- und der Vogelschutz-Richtlinie. Den Titel "Weltnaturerbe" versteht Janke darum auch eher als eine "Medaille" für bisherige Bemühungen um den Naturschutz in einem weltweit in dieser Ausdehnung einzigartigen und weitgehend unversehrt erhaltenen Lebensraum. Zugleich sieht er in ihm ein "regionales Wirtschaftsförderungsinstrument". Denn konkrete Auswirkungen dürfte die Ernennenung zunächst nur auf die Entwicklung der Besucherzahlen haben. Der Titel wird, so Janke, mehr und auch andere Touristen anziehen - etwa solche, die nicht nur Erholung suchen, sondern sich vor allem für das Prädikat "Welterbe" interessieren.

Vor nachteiligen Auswirkungen auf die sensible Natur hat er keine Angst. Schließlich regeln Nationalparkgesetze, wer sich wo aufhalten darf und wie er sich zu verhalten hat. Daran halten sich auch die meisten. "Die Leute, die zu uns kommen, sind sehr diszipliniert und verständnisvoll, das ist wirklich klasse", sagt Janke. Zudem sei der Besucheransturm auf das hamburgische Watt begrenzt - zum Beispiel durch die Kapazitäten von Fähren und Wattwagen und durch die beschränkte Bettenzahl auf Neuwerk, der größten Insel des Nationalparks.

Schwerer wiegt da schon, dass selbst im streng geschützten hamburgischen Wattenmeer immer noch Krabbenfischerei betrieben wird. Darauf weist der Greenpeace-Experte Thilo Maack hin. Zwar machen die ausgewiesenen Fischgründe weniger als ein Prozent der Gesamtfläche aus. Doch die sogenannte Baumkurrenfischerei gilt als besonders zerstörerisch. "Mit ihrem Rollen- oder Kettengeschirr pflügen die Fischer die empfindliche Fauna auf der Oberfläche des Wattbodens einfach um", erläutert der Meeresbiologe. Zudem produziere diese Art der Krabbenfischerei pro Kilogramm Krabben bis zu acht Kilogramm Beifang. "Da kann etwas nicht stimmen", sagt Maack. Unter einem Weltnaturerbe stellt sich der Greenpeace-Mann etwas vor, was "vollkommen ungestört bleibt".

Doch vollkommen ungestört wird die Nordsee wohl auf lange Sicht nicht auf- und ablaufen können - selbst dann nicht, wenn, vielleicht schon in wenigen Jahren, der dänische Teil der einzigartigen Naturlandschaft das Welterbe wirklich komplett macht.

Die Homepage des Nationalparks Hamburgisches Wattenmeer

Die Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer e.V. hat sich zum Ziel gesetzt, das Verständnis und die Faszination für das "Ökosystem Wattenmeer" zu fördern

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