Schwarzer Lavasand auf Teneriffa, rote Berge auf Lanzarote oder schneebedeckte Krater auf La Palma: Der vulkanische Ursprung der Kanarischen Inseln ist allgegenwärtig. Denn vor dem afrikanischen Festland brodelt das Meer; Lava tritt am Meeresboden etwa zwei Kilometer südlich der Insel El Hierro (spanisch: "das Eisen") aus. Zuvor hatte die Erde unter dem Vulkan Tanganasoga in der Bucht von El Golfo mehr als 10.000 Mal gebebt. Seit der letzten Eruption auf der mit 278,5 Quadratkilometern kleinsten Kanarischen Insel waren mehr als 200 Jahre vergangen.
Die Entstehung einer achten Kanarischen Insel wäre genauso spektakulär wie die ihrer sieben Schwestern: Unter dem Meeresboden befindet sich der so genannte Kanaren-Hotspot, eine Stelle innerhalb der Afrikanischen Erdplatte, an der heißes Material aus den Tiefen des Erdmantels aufsteigt. Aus bis zu 2900 Kilometern Tiefe bahnt sich das Magma seinen Weg an die Oberfläche.

Immer wieder frisst sich der rund 1000 Grad Celsius heiße Gesteinsbrei durch die feste Erdkruste. Am Ozeanboden in der Nähe eines Hotspots beträgt ihre Dicke nur etwa zehn Kilometer. Das ist vergleichsweise dünn, kann sie doch unter den Kontinentalplatten bis zu 80 Kilometer mächtig sein. Entsprechend häufig kommt es am Meeresboden in Tiefen von mehreren Tausend Metern zu Vulkanausbrüchen. Die dabei entstandenen Vulkankegel, sogenannte Seamounts, durchbrechen die Meeresoberfläche aber äußerst selten. Meist bemerkt man von oben nicht einmal, dass in der Tiefe gerade ein Unterwasservulkan Lava spuckt.
Die Situation vor El Hierro ist hingegen ein Sonderfall: Die Wassertiefe beträgt hier nur etwa 250 Meter. Von einem Tag auf den anderen tauchte in einem Unterwassertal ein Vulkankrater auf, der inzwischen bereits über hundert Meter hoch ist. Weitere 150 Meter - und er würde als achte Kanarische Insel aus dem Meer ragen. Allerdings wissen selbst Experten nicht, wie die weitere Entwicklung ablaufen wird. Auch Wissenschaftler könnten nur auf Beobachtungen aus anderen Erdteilen zurückgreifen, sagte die Direktorin des Nationalen Geografischen Institutes auf den Kanaren, María José Blanco. Da sich die Eruptionen vor El Hierro aber sehr untypisch verhielten, sei eine Zukunftsprognose schwer.
Kontinuierlich füllt die Lava das Tal, fließt aus einer Spalte von mehr als drei Kilometern Länge aus. Und das relativ langsam. Denn der Hotspot-Vulkanismus der Kanarischen Inseln verfügt über relativ dünnflüssige Magmen. Der Gesteinsbrei bleibt dadurch nicht in der Erdkruste stecken, wie es bei zähflüssigen Magmen oft der Fall ist. Es kann sich also kein Druck aufbauen. Das bedeutet auch, dass explosionsartige Eruptionen wie etwa beim Vesuv ausbleiben werden. "Es ist verständlich, dass die Menschen erschrocken sind, aber es besteht keinerlei Gefahr", sagte Vulkanologe Eumenio Ancochea. Von den etwa 600 zunächst evakuierten Inselbewohnern sind die meisten bereits in ihr Fischerdorf La Restinga zurückgekehrt.
Die letzte Geburt einer Insel im Atlantik liegt nach geologischen Maßstäben noch gar nicht lange zurück. Sie ereignete sich mehrere Tausend Kilometer nördlich, vor Island. Hier entstand seit dem November 1963 die Vulkaninsel Surtsey. Das Meer begann zu kochen, den Fischern stieg beißender Schwefelgeruch in die Nase. Eine gigantische Fontäne aus Wasserdampf schoss in die Höhe, Asche stieg bis in eine Höhe von zwölf Kilometern auf. Die Eruptionssäule war auch vom 110 Kilometer entfernten Reykjavik aus zu sehen. Am nächsten Tag hob sich ein kleiner Berg aus den Fluten. Eine neue Insel war geboren. Viereinhalb Monate dauerte die explosive Phase. Nach zwei Jahren versiegte der Lavafluss, bis dahin hatte die Insel mit einer Oberfläche von 2,5 Quadratkilometern und einer Höhe von 174 Metern ihre größte Ausdehnung erreicht. Die isländische Regierung taufte sie auf den Namen Surtsey, nach dem nordischen Feuergott Surtur, der der isländischen Mythologie zufolge am jüngsten Tag von Süden kommt und sein Schwert bis in den Himmel schwingt.
Auch wenn sich die Entstehungsmechanismen von Surtsey und dem noch ungeborenen Eiland vor El Hierro ähneln: Ein vergleichbar rasantes Auftürmen des Materials erwarten die Wissenschaftler nicht. Denn der Nachschub aus der Magmakammer in rund zehn Kilometern Tiefe fließt an zu vielen Stellen aus. Das führt zu einer großflächigen, aber nur langsamen Annäherung an die Meeresoberfläche. Doch das hält die Einheimischen nicht davon ab, schon einmal über einen Namen für die neue Insel nachzudenken.
