Radarmessungen hatten ergeben, dass unterhalb eines gigantischen Eisschilds von vier Kilometer Dicke ein See verborgen ist: der Wostoksee in der östlichen Antarktis. Dessen Wasser steht unter so viel Druck, dass es selbst bei Minustemperaturen flüssig bleibt. Das Gewässer ist wahrscheinlich so groß wie der Ontariosee und viermal so tief. Und seit 15 bis 25 Millionen Jahren von der Außenwelt abgeschnitten: einer Zeit, als der gemeinsame Vorfahr der Menschen und Menschenaffen noch auf der Erde wandelte und im heutigen Westerwald noch Krokodile lebten.
In diese versunkene Wasserwelt sind russische Forscher nach eigenen Angaben im Februar 2012 eingedrungen – mit einem kilometerlangen Bohrgestänge. Durch den hohen Druck der Eisdecke wurde Wasser nach oben in das Bohrloch gedrückt, wo es schnell gefror. Erst Ende 2012, im antarktischen Sommer, sollen Proben aus diesem Seewasser-Eis an die Oberfläche geholt und analysiert werden. Dann wird sich zeigen, ob sich im Wostocksee über Jahrmillionen etwas erhalten hat, was die Forscher brennend interessiert: Leben.
Denn obwohl es dort absolut dunkel ist, dürfte genügend Sauerstoff vorhanden sein. Und obschon in dieser Region die kältesten Temperaturen der Welt gemessen wurden (minus 89 Grad Celsius), ist es im See geradezu angenehm warm – um minus drei Grad Celsius. Gut möglich, dass sich während der extrem langen Isolation dort Lebewesen entwickelt haben, die völlig anders sind als die "frei lebenden". Aber es mag auch sein, dass das Anbohren das Ende dieser "Aliens" bedeutet – durch Kontamination mit Bakterien, auf die sie nicht vorbereitet sind. Unbestritten sind bereits jetzt Kerosin und Frostschutzmittel in die Tiefe gelangt, die beim Bohren verwendet worden sind. Die russische Belegschaft hält diese Sorgen aber für unbegründet, da der hohe Druck alles Fremde sogleich wieder nach oben gespült habe.