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Europaweiter Tierschutz
Sechs maltesische Hundewelpen überlebten nur knapp: Ihre Mutter, herren- und heimatlos, legte sich hochschwanger bei Temperaturen von 35 Grad an den Rand einer vielbefahrenen Straße und verharrte dort fast zwei Tage. Sie wartete auf die Geburt. Oder den Tod. Einheimische gingen regungslos vorbei. Doch dann bekam Claire Gafa, Mitbegründerin und Hauptverantwortliche der Hundeauffangstation Island Sanctuary auf Malta, einen anonymen Hinweis. Sie rettete die geduldige Mischlingshündin womöglich in letzter Minute, päppelte sie auf und verhalf dem mittlerweile kerngesunden Nachwuchs zum Start ins Leben.

Eine derartige Situation ist kein Einzelfall in beliebten Urlaubsländern rund ums Mittelmeer. Leidende Tiere leben millionenfach am Rand des touristischen Geschehens und vermehren sich ohne Kontrolle. Sie sind oft krank und unterernährt. Keiner kümmert sich um sie. Nur in Hinterhöfen von Restaurants oder bei Touristen, die Herz zeigen wollen, finden sie Nahrung. Häufig verenden sie qualvoll an Krankheiten, die mit menschlicher Hilfe einfach zu behandeln wären. Allein in Italien sind laut einer Studie des Gesundheitsministeriums 600.000 Tiere herren- und heimatlos. In Griechenland wird die Zahl auf rund 300.000 Streuner geschätzt. Doch damit nicht genug: Auch Tiere mit Besitzer oder jene, die von vermeintlichen Tierschützern im Heim abgegeben wurden, leben in vielen südlichen Regionen nicht tierschutzgerecht. 2003 wurden im spanischen Castellón laut Schätzungen der Pfotenhilfe Europa 1405 von 2046 eingefangenen Tieren getötet. Sie konnten in den Tierheimen nicht vermittelt werden und für die Versorgung war die finanzielle Lage nicht gut genug. Das Problem sehen die internationalen Tierschützer bei den Einwohnern: Während es für Deutsche in der Regel selbstverständlich ist, ein Haustier angemessen zu behandeln, haben sie für Menschen in südlichen Ländern oft nur einen geringen Stellenwert. Dementsprechend werden sie oft behandelt: Bringen sie Nutzen, bleiben sie (Jagdhunde, Wachhunde, etc.). Kosten sie Geld, verschwinden sie. Entweder werden sie dann illegal getötet oder auf die Straße gesetzt und sich selbst überlassen. Darüberhinaus wird oft von sadistischen Tierquälereien berichtet.
Weil die Zahl der heimatlosen und somit stark gefährdeten Tiere von Jahr zu Jahr steigt, engagieren sich immer mehr mittel- und nordeuropäische Tierschutzorganisationen in Südeuropa. Vorbildlich arbeitet beispielsweise die Tierrechtsorganisation PETA Deutschland e.V. Durch öffentliche Aktionen, Petitionen, Kastrationsarbeit und medizinische Versorgung vor Ort wollen sie das Leid lindern und Tierquäler an den Pranger stellen. Erfolgreiche Arbeit haben sie zuletzt in der Türkei geleistet. Dort haben die Tierschützer Katzenhäuser aufgestellt, also Futterstellen für heimatlose Tiere in Hotels und Restaurants. Ärzte sind stets vor Ort und kastrieren kostenlos. Sie retten Tierleben.
Auch der Verein Chance für Vier Pfoten kämpft gegen das Problem an. Hotels, die sich dem Robinson Katzenprojekt anschließen, gewähren heimatlosen Tieren einen Unterschlupf, unterstützen örtliche Kastrationsmaßnahmen und verpflichten sich, die Tiere weder zu töten, zu quälen oder wegzuschaffen. Allein in diesem Jahr errichtete Chance für Vier Pfoten sieben solcher Robinson-Stationen, 1200 Tiere konnten dort bereits kastriert werden. Die Pflichten für beteiligte Hotelbetreiber sind vertraglich festgehalten und werden in regelmäßigen Abständen überprüft.
Geltende Tierschutzgesetze allein sind laut Dr. Petra Richter, der Ersten Vorsitzenden von Chance für Vier Pfoten, leider nie eine Garantie. "Die richtigen Gesetze gibt es oft schon, beispielsweise in Griechenland, aber die Gemeinden halten sich nicht daran", klagt sie. "Man sieht in Südeuropa ganz klar: Papier ist geduldig."
Örtliche Tierschützer können allerdings nur eine Minderheit der heimatlosen Tiere versorgen. So auch die beispielhaft vorgestellte Claire Gafa auf dem Inselstaat Malta. Vor über zwanzig Jahren gründete sie die Island Sanctuary. Da nicht ausreichend Geld und Platz zur Verfügung stehen, kann sie nur 100 Tiere zur Zeit aufnehmen, versorgen und vermitteln. Eine staatliche Förderung bekommt sie nicht. Um Geld für die Versorgung zu bekommen, bietet sie Patenschaften für 8 Cent am Tag an: "Herzlich willkommen sind auch Touristen, die in ihrem Sommerurlaub Sinnvolles tun wollen." Das passiere aber selten, ergänzt sie. Auf der Insel kann es zur Hochsaison schließlich Temperaturen von bis zu 40 Grad geben.
Während der Pflegebedarf der Straßenhunde steigt, sinkt dann die Hilfsbereitschaft der Urlauber.

Aktive Touristen
Die PETA ist sich sicher: "Das Leid der heimatlosen Tiere ist in den Sommermonaten noch stärker." Ungewollt sind Touristen daran mit Schuld: Wer den Tieren während seines Urlaubs Futter gibt, handle nicht sinnvoll: "Es bringt wenig, wenn die Tiere nach der Abreise wieder hungern", so Andrea Müller, Sprecherin der PETA. "Zum aktiven Helfen sind die Organisationen und Gemeinden da."
Was Touristen tun können
Um die Arbeit der Organisationen und der freiwilligen Tierschützer nicht zu behindern, sondern nachhaltig zu helfen, sollten laut Aussage der beiden Tierschutzorganisationen Touristen genau wissen, was sie tun. Sie können zum Beispiel schon vor ihrer Abreise Informationen sammeln: Wie schlimm steht es in dem ausgewählten Urlaubsland um die Tiere? Wie verhält es sich dort mit den Tierschutzgesetzen? Müller empfiehlt: "Telefonnummern von Tierschützern und Tierärzten bei sich zu tragen schadet nie, denn so kann man im Ernstfall schnell handeln." Verletzte Tiere sind zum Tierarzt zu bringen. Vernachlässigte Hunde auf Privatgrundstücken der Polizei zu melden. Listen der aktiven Tierschützer gibt es hier
Dr. Petra Richter von Chance für Vier Pfoten betont: "In ganz Europa - auch in den Urlaubsregionen - ist Tierquälerei verboten und wird bestraft." Die Pflicht des Urlaubers sei es demnach, mit offenen Augen umher zu gehen. Entdecken sie leidende Tiere, beispielsweise Katzen, die unterernährt herumlungern oder Hunde, die womöglich an einer viel zu kurzen Kette der prallen Sonne ausgesetzt sind, müssen sie es melden und so verantwortungsbewusst den Tieren gegenüber handeln. "Auch Video- und Fotomaterial von der inakzeptablen Situation hilft uns später bei der Beweislage enorm", betont sie.

Und Adoption? Müller betont, dass das nichts an den Zuständen ändern würde: "Durch den Import von Tieren löst man das Problem nicht." Die einzige nachhaltige Lösung sind laut den Organisationen PETA und Chance für Vier Pfoten vor allem flächendeckende Kastrationsprogramme mit flankierenden Methoden, also einem parallelen Zuchtverbot, Verkaufsverbot auf Märkten und einer Registerpflicht. Dr. Petra Richter erklärt: "Es ist nicht nur die einzige nachhaltige, sondern auch die einzige ethisch vertretbare Lösung."

Tierschutzorganisationen können außerdem mit Futter- oder Geldspenden unterstützt werden. Eingangs genannte Patenschaften helfen dem einzelnen Tier. Mit dem gesammelten Spendengeld stellen die Organisationen dann Teams aus Ärzten und Helfern zusammen und richten Kastrationsstationen ein. Erst ab einer Kastrationsrate von 60 Prozent kann die Vermehrung der leidenden Tiere eingedämmt werden und die Welt, laut Andrea Müller von der PETA, Schritt für Schritt zu einem besseren Ort für Tiere werden.