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Greenwashing Massentierhaltung: Nicht so schlimm?

Das Medienmagazin "journalist" des DJV lud gemeinsam mit der Informationsgemeinschaft Deutsches Geflügel zum Journalistenworkshop "Ab in den Hühnerstall". Ein unglücklicher Versuch, das angeschlagene Image der Geflügelwirtschaft aufzupolieren

Inhaltsverzeichnis

Greenwashing: GEO.de-Redakteurin Anna Sandner nahm am Workshop "Ab in den Hühnerstall" teil
GEO.de-Redakteurin Anna Sandner nahm am Workshop "Ab in den Hühnerstall" teil
© privat

Die Geflügelbranche sieht sich mit einem massiven Imageproblem konfrontiert: Meldungen über katastrophale Haltungsbedingungen der Tiere, übermäßigen Antibiotikaeinsatz, multiresistente Krankheitserreger und Verstöße gegen das Tierschutzgesetz häufen sich.

Da wundert es kaum, dass die deutsche Geflügelwirtschaft gegensteuern möchte. Mit einer großangelegten Imagekampagne versucht sie jetzt, ihr Bild in der Öffentlichkeit aufzubessern. Teil dieser Offensive sind unter anderem Werbeanzeigen und eine aufwendig gestaltete Website, die Transparenz und Verbrauchernähe vermitteln soll. Soweit so gut. Zur Zielgruppe der Kampagne gehören auch Journalisten als gesellschaftliche Multiplikatoren. Um sie zu erreichen, lädt nun der "journalist", das Magazin des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), gemeinsam mit der Informationsgemeinschaft Deutsches Geflügel (IDEG) ausgewählte Presseleute zu einem "Medienworkshop" ein. Moment, dachten wir von GEO.de, das müssen wir uns mal ansehen und so meldete ich mich für den Workshop an.

Info-Happen im Flair Hotel

Versprochen wurde mir ein "Blick in den 'gläsernen Hühnerstall'" sowie Gespräche "mit Tierärzten, Wissenschaftlern und Agrarexperten über alle Aspekte der modernen Geflügelhaltung". Geladen wurde in ein Flair Hotel in Buchholz. Wer wollte, konnte auf Kosten der Veranstalter dort übernachten. Branchenkritiker suchte man unter den Referenten vergeblich.

Das Vormittagsprogramm bestand aus vier rund einstündigen Vorträgen, die den Journalisten die Lage der deutschen Geflügelbranche näherbringen und dabei - so hatte man den Eindruck - auch ein wenig Mitgefühl für die gescholtenen Geflügelhalter wecken sollten.

Den Anfang machte Margit Beck von der "Marktinfo Eier & Geflügel", einer eigenständigen Abteilung des Verlags Eugen Ulmer KG, die die Eier- und Geflügelbranche mit Marktinformationen versorgt. Das Thema des Vortrags: "Der deutsche Geflügelmarkt: Standortbestimmung und Perspektiven". Mit einer schier unerschöpflichen Menge an Zahlen, Grafiken und Tabellen erläuterte sie die Lage: Derzeit würden in Deutschland mehr Tiere gemästet als tatsächlich auch gegessen, somit sei der deutsche Fleischverbrauch gedeckelt. Das sei auch dem züchterischen und technischen Fortschritt zu verdanken, der dafür gesorgt habe, dass heute weniger Tiere für die gleiche Fleischmenge benötigt werden. Die Konsequenzen, die dieser "züchterische Fortschritt" für die Lebensqualität der Tiere hat, wurden hierbei vorsichtshalber nicht angesprochen. Der Schluss, den Beck aus ihrer Feststellung zog: Die Welt brauche (noch) mehr Geflügelfleisch! Wenn die Deutschen nicht noch mehr Geflügelfleisch essen wollten (was sie nach Becks Meinung allerdings sollten, schließlich hinke Deutschland dem europäischen Durchschnitt hinterher), dann könne man ja immer noch für Indien und China produzieren. Warum noch mehr Geflügelfleisch produziert werden soll, obwohl in Deutschland bereits mehr Tiere gemästet als gegessen werden, erklärte sie nicht.

Es folgte ein Vortrag über das QS-Siegel, ein von der Lebensmitteldindustrie initiiertes Prüfsystem über alle Produktions- und Handelsstufen hinweg. Erzeuger, Verarbeiter und Händler können sich hier freiwillig und frei von staatlicher Einflussnahme von ihresgleichen prüfen lassen. Aberkannt wird das Siegel nur dann, wenn sogenannte "KO-Kriterien" eintreten. Auf Nachfrage erklärte man, dass diese schlicht und einfach den gesetzlichen Vorgaben entsprächen. Worin genau der Zusatznutzen des Siegels besteht, blieb unklar. Für den nächsten Beitrag - Fachtierarzt Dr. Erwin Sieverding referierte über Antibiotika in der Geflügelhaltung - verfluchten wohl so einige der Anwesenden ihre Studienwahl: Ohne das Fachwissen eines Tiermedizinstudiums blieb so manche seiner Ausführungen schleierhaft.

Abschließend sprach Agraringenieur und -statistiker Georg Keckl über "Gut oder böse? Geflügelfleischerzeugung im Meinungsbild". Was einen Ingenieur und Statistiker für einen Vortrag zu einem ethischen Thema qualifiziert, blieb offen. Keckl echauffierte sich unter anderem über die "Tricks, mit denen NGOs arbeiten", und die "übertriebene Emotionalisierung des Themas" durch die Medien. Seine Lösung: Man solle doch einfach die Realität loben, statt Träume zu verkaufen.

Greenwashing: Geflügelmast ist zur heutigen Zeit hochtechnologisiert und verlangt nach dem entsprechenden Fachwissen
Geflügelmast ist zur heutigen Zeit hochtechnologisiert und verlangt nach dem entsprechenden Fachwissen
© ZDG Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V.

Ganz wichtig: Tierschutz!

Das Fazit: Obwohl die anwesenden Referenten und Vertreter der Geflügelbranche nicht müde wurden zu betonen, der Tierschutz sei das Thema Nummer eins auf ihrer Agenda, wurden konkrete Probleme nicht angesprochen - etwa das hohe Stresslevel, unter dem die Tiere aufgrund der hohen Besatzdichten in den Ställen und fehlender Rückzugsorte leiden. Oder auch die Verätzungen, die sie sich durch das Leben in den eigenen Exkrementen zuziehen können. Man verkaufte geplante Verbesserungen wie etwa unangekündigte Kontrollen bei den Mästern ab 2013 bereits als Erfolge und beantwortete kritische Nachfragen ausweichend.

Greenwashing: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) reagierte mit der rechtsstehenden Anzeige auf die Kampagne
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) reagierte mit der rechtsstehenden Anzeige auf die Kampagne
© BUND

Nach dem Mittagessen ging die Veranstaltung in die zweite Runde: ein Besuch auf dem Vorzeigehof Eickhoff im niedersächsischen Sprötze.

Der Hof war bereits 2010 in den Medien, nachdem sich die Familie entschlossen hatte, zusätzlich zur bereits bestehenden Schweinemast und Legehennenhaltung einen Stall für 37.000 Masthähnchen zu bauen. Tierschützer und Anwohner protestierten. Kurz vor der Fertigstellung des 500.000 Euro teuren Gebäudes wurde es von Brandstiftern niedergebrannt. Mit finanzieller Unterstützung des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft bauten die Eickhoffs den Stall wieder auf - zu einem Musterhof der Intensivtierhaltung. An einer Seite befindet sich ein kleiner Raum mit bunten Schautafeln, die das glückliche Leben der Tiere zeigen, und einem Fenster, durch das man direkt auf die in Wirklichkeit zusammengepferchten Tiere blicken kann.

Mutter und Sohn Eickhoff berichten uns von dem Psychoterror, den militante Tierschützer auf sie ausüben würden, und das, wo es den Tieren bei ihnen doch gut ginge. Gut? Durch die Glasscheibe ist die wogende Masse dicht gedrängter Hähnchen zu sehen. Malte Eickhoff erklärt die umfangreiche, hochtechnologische Ausstattung des Maststalls, die nötig sei, um diese Mengen an Geflügel mit nur zwei Prozent Ausfallquote (740 Tiere bei jedem "Durchgang", die nicht bis zur Schlachtung durchhalten) im Turbogang zu mästen. Man fragt sich, wie es in einem Stall aussieht, der von einem weniger technikaffinen Mäster betrieben wird und bei dem keine Pressebesuche auf der Tagesordnung stehen.

Am Ende bleibt offen, warum das Magazin des DJV, das journalistische Unabhängigkeit fordert, die Geflügelwirtschaft bei einer solchen Veranstaltung unterstützt. Auf Nachfrage beim "journalist" erklärt man, es habe bereits ähnliche Workshops, etwa mit der Dresdner Bank und Mercedes, gegeben. Die Resonanz sei positiv gewesen. Man plane, das Angebot noch auszubauen. Im Interview mit ZAPP erklärte der Sprecher des DJV wiederum, nichts von dem Medienworkshop gewusst zu haben.

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