Abgase, begrenzte Beete und viel Beton umgeben Bäume in Metropolen wie Berlin, München oder Paris. Nicht unbedingt die besten Bedingungen für ein gesundes Wachstum. Und dennoch wachsen Bäumen in Städten seit den 60-er Jahren schneller als ihre Artgenossen auf dem Land. Dies belegt nun erstmals eine Studie, die unter Leitung der Technischen Universität München (TUM) in mehreren Metropolen weltweit durchgeführt wurde und nun erstmals im Fachmagazin Natural Scientific Reports veröffentlicht wurde. „Wir können zeigen, dass Stadtbäume bei gleichem Alter im Durchschnitt größer sind als ländliche Bäume, denn die Stadtbäume wachsen schneller“, sagt Professor Hans Pretzsch vom Lehrstuhl für Waldwachstumskunde an der TUM. Bei näherer Betrachtung nehme der relative Größenunterschied von städtischen gegenüber ländlichen Bäumen mit zunehmendem Alter wieder ab, bleibe jedoch relevant. „Während der Unterschied im Alter von 50 Jahren noch etwa ein Viertel beträgt, sind es bei einem Baumalter von 100 Jahren immer noch knapp 20 Prozent.“
Klimaerwärmung gibt den Wachstumsschub
Was verwunderlich und erstmal erfreulich klingen mag, ist die Folge der globalen Klimaerwärmung. Wie die Forscher herausfanden, wachsen die Bäume in urbanen Räumen schneller, da sie bereits länger mit sich verändernden Klimabedingungen konfrontiert sind als die Artgenossen in ländlicheren Regionen. Konkret sprechen die Forscher von dem sogenannten Wärmeinseleffekt. Dieser führt in Stadtzentren zu einer stärkeren Aufheizung und somit höheren Temperaturen. Verglichen mit der ländlichen Umgebung kann diese Temperatursteigerung zwischen drei und zehn Grad Celsius ausmachen. Dieser Temperatursteigerung kann das Wachstum der Bäume wiederum in zweierlei Hinsicht beeinflussen: Einerseits wird die Photosynthese angeregt und andererseits verlängert sie die Zeitspanne, in der die Bäume wachsen können. Diese Wachstumssteigerung würde allerdings auch den Alterungsprozess der Bäume beschleunigen, die demnach in den Städten zukünftig eine geringere Lebenserwartung haben dürften, so Professor Pretzsch. Die klimatischen Veränderungen beeinflussen allerdings das Wachstum aller Bäume ungeachtet des Standorts. Auch die Bäume auf dem Land sind in den vergangenen Jahrzehnten schneller gewachsen als zu erwarten war.

Folgestudie soll Nebeneffekte untersuchen
Da die ersten Befunde darauf schließen lassen, dass die Bäume von der Klimaerwärmung nicht nur profitieren werden, erforschen Pretzsch und sein Team nun mögliche Nebeneffekte: Sie vermuten, dass Stadtbäume durch den Wärmeinseleffekt den Klimawandel quasi vorverlegt erleben. „In einer derzeit laufenden Studie versuchen wir, rechtzeitig problematische Nebeneffekte zu erkennen.“
Insgesamt wurden für die jetzt veröffentlichte Studie rund 1400 Proben von verschiedenen Baumarten in verschiedenen Klimazonen genommen. Darunter fielen die Städte Berlin, Brisbane, Hanoi, Houston, Kapstadt, München, Paris, Prince George, Sapporo und Santiago de Chile.