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"Die Erdatmosphäre ist der Mülleimer für Weltraumschrott"

Professor Dr. Walter Flury ist seit über 20 Jahren Mitarbeiter der ESOC. Er gehört zu den weltweiten Experten für Weltraumschrott und Satellitenbahnen. Außerdem engagiert sich der Schweizer bereits seit 1994 für ein globales UNO-Gesetz zur Verhinderung von Weltraummüll

Professor Flury, seit dem Columbia-Absturz wird die Gefahr von Weltraummüll stark diskutiert. Wie hoch schätzen Sie die Gefährdung für Satelliten und Raumstationen durch Weltraumschrott ein?

Flury: Zunächst einmal sind die Raumstationen und auch sämtliche Satelliten, die um die Erde kreisen, gefährdet. Die Bedrohung ist zur Zeit aber sehr klein, da es bisher nur wenige große Objekte im Weltraum gibt. Es existieren ungefähr 10 000, die man vom Boden aus mit Hilfe von Teleskopen und Radargeräten orten kann. Diese Teilchen kennt man und sie sind weitgehend ungefährlich. Die Gefahr geht vielmehr von den kleinen, unbekannten Teilchen aus. Diese Bruchteile sind zwar nur einen Zentimeter groß, aber ihre Anzahl liegt bei ungefähr 100 000 bis 200 000. Die Gefahr von Space Debris (Weltraummüll) wird zusätzlich von ihrer hohen Geschwindigkeit verstärkt, durchschnittlich 30 000 Stundenkilometer.

Sind Fälle bekannt, bei denen Weltraummüll zu nachweisbaren Zerstörungen geführt hat?

Flury: Ja, 1996 wurde ein französische Aufklärungssatellit von einem Trümmerstück beschädigt. Außerdem wurden Raumstationen von Meteoriten getroffen. Bis heute mussten 140 Cockpitfenster ausgetauscht werden.

Halten Sie es für wahrscheinlich, dass Weltraumschrott für den Absturz der Columbia verantwortlich sein könnte?

Flury: Das ist eine Möglichkeit, die man nicht ausschließen kann, es könnte aber ebenso ein Meteorit gewesen sein. Viel nahe liegender ist jedoch, dass die Isolierung der Columbia schon beim Start beschädigt wurde.

Was halten Sie persönlich von Lasern, die den Weltraumschrott oder Asteroiden beseitigen sollen?

Flury: Das ist eine interessante Möglichkeit, aber es ist leider nicht machbar. Es gibt keine realisierbare Variante, um den Weltraumschrott aufzuräumen. Man müsste hinfliegen um die Teilchen zu zerstören. Das ist finanziell nicht tragbar! Die Erdatmosphäre ist der einzige natürliche Mülleimer, der Schrott verglühen lässt.

Um Space Debris zu verhindern, darf er erst gar nicht entstehen. Dazu brauchen wir eine klare UNO-Vorschrift. Solch einem Gesetz müssten alle UNO-Mitglieder zustimmen, was bisher nicht geschehen ist. Seit 1994 wird dieses Problem bereits in Brüssel diskutiert.

Die Erde ist von Weltraum-Müll umringt
Die Erde ist von Weltraum-Müll umringt
© ESA

Wie hoch schätzen Sie die Risiken durch verglühende Teilchen für die Erdbevölkerung ein?

Flury: Space Debris ist kein Risiko für die Erdbevölkerung. Seit dem Sputnik sind ungefähr 80 000 Objekte gefahrlos in die Erdatmosphäre eingedrungen. Nur in den wenigsten Fällen kommt noch etwas auf der Erdoberfläche an. Gutes Beispiel hierfür ist die russische Raumstation Mir. Das 140 Tonnen schwere Objekt konnte zielsicher in die Erdatmosphäre geleitet und im Pazifischen Ozean versenkt werden.

Sind Schilde zum Schutz von Satelliten in Planung?

Flury: Obwohl das Risiko derzeit noch sehr gering ist, gibt es diese Schutzschilde. Sie werden teilweise auch schon eingesetzt. Die Schilde bestehen aus dünnen Wänden, die sich nach und nach abnutzen können - eine mehrschichtige Isolierung. Dieses System wurde erstmals beim Giotto-Satelliten 1985 verwendet, als dieser zum Kometen Halley flog. Die Teilchen, die auf den Satelliten einschlugen, waren viel schneller als Weltraummüll, trotzdem erfüllte der Schutzschild seinen Zweck. Zur Zeit wird dieses System bei der internationalen Raumstation ISS verwendet.

Wie wahrscheinlich sind Asteroideneinschläge auf der Erde? Sind die Ängste vieler Menschen begründet?

Flury: Asteroiden, besonders die, die sich nahe der Erde befinden, sogenannte NEOs (Near-Earth-Objects), können eine Gefahr darstellen. Zur Zeit wird untersucht, wie groß diese Bedrohung wirklich ist. Bis vor zehn Jahren hat sich niemand damit befasst, obwohl bekannt war, dass es Einschläge auf der Erde gab, auch in Deutschland. Was viele Menschen nicht wissen - bei Sternschnuppen handelt es sich um dasselbe Prinzip. Sternschnuppen sind kleine Sandkörner, die durch ihren schnellen Flug durch die Hochatmosphäre und die dadurch frei werdende Energie andere Moleküle und Atome erhitzen und zum Leuchten bringen.

Könnte ein auf die Erde zusteuernder Asteroid aufgehalten werden?

Flury: Das erste Problem ist die rechtzeitige Erkennung von Objekten, die auf die Erde zufliegen. Amerikanische Einrichtungen wie die NASA versuchen diese mit Hilfe von Teleskopen regelmäßig zu kontrollieren. Hauptaugenmerk liegt auf Meteoriten, deren Größe einen Kilometer überschreitet. Davon gibt es wohl maximal 1500 Stück. Aber auch viel kleinere Asteroiden könnten für die Erde gefährlich sein. Es ist sehr schwierig, diese Teile zu beobachten. Gesetzt den Fall, dass ein Meteorit auf die Erde zufliegt und bemerkt wird, gibt es zurzeit keine reale Möglichkeit, diesen aufzuhalten. Es gibt zwar Spekulationen über Sprengungen mit Atombomben, um ihn in eine andere Bahn zu lenken, ob das allerdings wirklich umsetzbar wäre, ist fraglich.

Die Fragen stellte Anna Quick (Studiengang Onlinejournalismus an der FH Darmstadt)

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