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Ernährung: Was weiß die Religion über Allergien?

Kuhmilch ist koscher. Wer gegen sie allergisch ist, ist es vermutlich ausschließlich auf die Milch weiterer koscherer Tiere

Milchallergie kann schrecklich sein. Manchmal kommt es innerhalb von Minuten zur Reaktion: zu Hautausschlag, Atemnot, in besonders schweren Fällen sogar zum Tod. Allergieforscher wissen seit längerem, dass Kinder, die gegen Kuhmilch allergisch sind, auf Schaf-, Ziegen- und Büffelmilch genauso reagieren. Nur ganz wenige zeigen hingegen eine Reaktion auf Kamelmilch; in Italien weicht man bei Kuhmilch-Allergien oft auf Pferde- und Eselsmilch aus.

Der Allergieforscher und Immunologe Yitzhak Katz von der Universität Tel Aviv wurde stutzig: "Ich schrieb zwei Listen: Kuh, Schaf, Ziege und Büffel auf der einen Seite, Kamel, Esel, Pferd auf der anderen. Und dachte nach, was ihnen gemeinsam sein könnte." Der Punkt, der dem Israeli als Erstes in die Augen sprang: Die erste Gruppe enthält koschere, die andere nicht koschere Tiere.

Könnte da ein Zusammenhang bestehen, fragte sich der Professor. Er begann, der Frage systematisch nachzugehen und machte Tests mit der Milch von Schweinen (nicht koscher), Rehen und Steinböcken (koscher). "Es war nicht einfach, die Tiere zu fangen, zu fesseln. Und schon gar nicht, sie zu melken." Das Ergebnis bestätigte seine Annahme: 24 gegen Kuhmilch schwer allergische Kinder zwischen zwei Monaten und 16 Jahren zeigten nur eine Reaktion auf die Milch koscherer Tiere.

Weil schon sehr junge Kinder das gleiche Allergiemuster zeigen, spielen Essgewohnheiten - wie der häufige Genuss koscherer Speisen - für die Reaktion vermutlich keine Rolle. Mittlerweile wurde die Zahl der Testpersonen auf rund 50 erhöht, doch die Korrelation blieb hoch signifikant.

Milchallergie tritt als Folge von Antikörpern der Sorte Immunglobulin E (IgE) auf, die einige Menschen - vor allem Kinder - gegen bestimmte Eiweiße in der Milch entwickeln. "Die allergische Reaktion wird durch einen Faktor im Milcheiweiß ausgelöst, und ich vermute, dass dieser Faktor in der Milch aller koscheren Tiere identisch ist", sagt Katz. Diese Erkenntnis, sollte sie sich bestätigen, demonstrierte eine nachweisbare Übereinstimmung zwischen Religion und Wissenschaft.

An die Gesetze für koschere Ernährung und Kleidung - auch Textilien können unkoscher sein - halten sich gläubige Juden seit biblischer Zeit. Im 3. Buch Mose, Kap. 11, Vers 2-4, spricht Jehova zu Mose und Aaron in folgenden Worten: " Das sind die Tiere, die ihr essen sollt unter allen Tieren auf Erden. Alles, was die Klauen spaltet und wiederkäut unter den Tieren, das sollt ihr essen. Was aber wiederkäut und hat Klauen und spaltet sie doch nicht, wie das Kamel, das ist euch unrein, und ihr sollt's nicht essen." Aaron wurde der erste Hohepriester Israels.

Noch nie hat jemand verstanden, warum bestimmte Tiere koscher sind und andere nicht, sagt Katz. Und für die erwähnten Allergiker ist die Vorschrift gefährlich. Doch die Hypothese, dass alle genannten Tiere etwas Gemeinsames haben, ist spannend, weil sie auf verborgene Zusammenhänge hinweisen könnte. Wussten die Väter der Religion davon? "Es kann sich nicht nur um Erfahrung gehandelt haben", sagt Katz, "weil sich die religiöse Vorschrift auch auf Tiere bezieht, die es in dieser Region nicht gab, zum Beispiel Büffel."

Der israelische Allergologe wird die Hypothese über den Berührungspunkt zwischen Glauben und Wissen beim jährlichen Kongress der "American Academy of Allergy, Asthma and Immunology" in San Francisco vorstellen. Er hofft auf weitere Erkenntnisse, zum Beispiel durch Versuche mit der Milch einer Giraffe - auch ein koscheres Tier. Er verhandelt bereits mit vier afrikanischen Zoos, um an Giraffenmilch zu kommen. "Das ist bisher das größte Problem! Ihre Zitzen sind ja irgendwo drei Stockwerke hoch angebracht!"

Alle GEOSKOPE aus dem Magazin 4/2004

GEO Nr. 04/04 - Der geheimnisvolle Pharao

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