Frau Radinger, haben Sie schon mal um ein Tier getrauert?
Elli Radinger: Ja, mehrfach. Zuletzt um eine Labrador-Hündin, mit der ich 15 Jahre zusammengelebt habe. Nach langer Krankheit musste ich sie einschläfern lassen. Ich spürte eine tiefe Traurigkeit, denn es ist für mich kein Unterschied, ob ein Tier aus meinem Leben verschwindet oder ein mir nahe stehender Mensch.
Das wird viele Menschen erstaunen, die kein Tier haben.
Das mag tatsächlich nicht jeder so empfinden. Aber viele Halter entwickeln zu Tieren eine intensive Beziehung, teilen Alltag, Erlebnisse und Gefühle mit ihnen – manchmal intensiver, als sie je eine zu einem Menschen gespürt haben. Da ist es völlig normal, wenn einen Gefühle des Verlusts peinigen, Einsamkeit, Angst oder Schlaflosigkeit.
Aber einen Unterschied zur Trauer um Menschen gibt es in vielen Fällen doch: Oft trägt der Halter selbst zum Tod des Tieres bei, indem er es einschläfern lässt.
Grundsätzlich gilt in Deutschland nach dem Tierschutzgesetz: „Niemand darf ohne einen vernünftigen Grund einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schaden zufügen.“ Ein „vernünftiger Grund“ kann nach dem Gesetz als gegeben gelten, wenn ein Weiterleben des Tieres mit erheblichen Schmerzen verbunden ist. Oder die Unversehrtheit von Menschen bedroht ist, weil das Tier als aggressiv gilt. Die Entscheidung über den „vernünftigen Grund“ muss daher, so schwer es auch fällt, jeder selbst treffen, zumindest bei kranken Tieren. Für die Tötung ist dann die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem Tierarzt extrem wichtig, er kann einem beratend zur Seite stehen. Danach gehen übrigens viele Menschen nie wieder zu diesem Tierarzt. Eher suchen sie eine andere Praxis auf.
Was ist der Grund?
Manche mögen unzufrieden sein, wie sie in dieser schwierigen Zeit betreut wurden. Viel wichtiger aber ist, dass sie in dem Arzt nun immer den sehen, der die tödliche Spritze angesetzt hat. Und umgekehrt ist ihnen bewusst: „Der Arzt weiß nun, dass ich die Entscheidung getroffen habe.“ Dieser Prozess hin zum Tod eines Tieres ist mit großer Scham besetzt, er kann enorme Gefühle von Schuld und Unsicherheit wecken. Manche Betroffene gelangen auch an einen existenziellen Wendepunkt in ihrem Leben. Denn wir sehen uns mit unserem eigenen Tod konfrontiert.

Was kann den Abschied erleichtern?
Am wichtigsten ist es, ihn überhaupt bewusst wahrzunehmen, sich dafür Zeit zu nehmen. Wenn das Tier eingeschläfert werden soll, bedeutet das, diesen Prozess bis zum Ende zu begleiten. Immer wieder sagen mir Menschen: „Das kann ich nicht“ oder „Das ertrage ich nicht“. Das gilt es zu respektieren, aber dennoch sollte man vielleicht noch einmal in sich hineinhören und sich fragen, ob man wirklich nicht in den letzten Stunden, Minuten und auch danach bei seinem Tier sein kann.
Das gesamte Interview lesen Sie in GEO WISSEN "Geliebte Gefährten". Dort erfahren Sie unter anderem, welche Rituale Trauernden langfristig helfen können und was es zu beachten gilt, wenn ein Kind das Tier betrauert.
