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Erziehungsstile Interview: "Mit Konsequenz erziehen!"

Mit einem "autoritativen" Erziehungsstil lässt sich erwünschtes Verhalten sehr wohl fördern, sagt der Psychotherapeut Kurt Hahlweg. Das könne das Miteinander in der Familie ungemein erleichtern

GEO WISSEN: Herr Professor Hahlweg, viele Eltern sind unsicher, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Weshalb?

Kurt Hahlweg: Die meisten sind auf ihre Rolle als Eltern kaum oder gar nicht vorbereitet. In früheren Generationen hat man erzogen, dies aber nicht weiter hinterfragt. Meist ging es eher autoritär zu, und diese in der Kindheit gemachten Erfahrungen haben Eltern dann oft für die eigenen Kinder übernommen. Wer es heutzutage anders machen will, verliert sich in einem unübersichtlichen Angebot an Ratgebern und Selbsterfahrungsberichten. Das macht oft hilflos.

Erziehungsstile: Psychotherapeut Kurt Hahlweg sagt, dass sich erwünschtes Verhalten durch einen "autoritativen" Erziehungsstil fördern lässt
Psychotherapeut Kurt Hahlweg sagt, dass sich erwünschtes Verhalten durch einen "autoritativen" Erziehungsstil fördern lässt
© Franz Bischof

Das klingt so, als ob es eine richtige Form von Erziehung gibt, die zu jedem Kind passt?

Nein, die gibt es sicher nicht. Erziehung hat immer auch etwas mit Werten zu tun. Daher muss jede Familie einen Weg für sich selbst finden. Aber die psychologische Grundlagenforschung weist ganz eindeutig auf erzieherische Möglichkeiten hin, wie man vielen Problemen aus dem Weg gehen kann. Erziehung auf wissenschaftlicher Basis ist möglich - das ist inzwischen unbestritten. Es lässt sich sogar experimentell nachweisen, dass manche Dinge gut funktionieren und andere eher nicht.

Sie sprechen vom Triple-P-Programm, dem "Positive Parenting Program".

Ich hatte als Paartherapeut immer wieder Ehepartner vor mir, bei denen sich Erziehungsprobleme mit den Kindern sehr negativ auf ihre Beziehung auswirkten. In dem Zusammenhang entdeckte ich das von dem australischen Verhaltenstherapeuten Matt Sanders entwickelte Triple-P-Programm. Es geht Probleme mit Kindern sehr effektiv an und gilt heute als das am besten auf Wirksamkeit untersuchte Erziehungsprogramm. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt es ausdrücklich.

Erklären Sie bitte die Grundzüge.

Bei Triple P geht es nicht darum, die Persönlichkeit der Eltern und Kinder in einer langwierigen Gesprächstherapie zu ergründen und zu verändern. Es ist vielmehr ein verhaltenstherapeutischer Ansatz, der darauf abzielt, erwünschtes Verhalten zu fördern.

Wollen Eltern das nicht ohnehin?

Viele wissen aber nicht, wie sie das umsetzen können. Stattdessen legen sie oftmals mehr Wert darauf, unerwünschtes Verhalten zu vermeiden, durch Drohungen, Schimpfen oder gar Schlagen. Das aber funktioniert auf längere Sicht überhaupt nicht, weil Kinder so nicht lernen. Die Familien verstricken sich dann mehr und mehr in einem Zwangsverhalten, und statt Belohnung und Aufmerksamkeit stehen Bestrafung und Demütigung im Mittelpunkt.

Wie kann man dem entgehen?

Wer etwas bei seinem Kind erreichen will, muss erst einmal sehr genau hinsehen: Welches unerwünschte Verhalten zeigt es - und wie oft kommt dies vor? Ein solcher Wirklichkeitstest zeigt dann zum Glück oft, dass unerwünschte Verhaltensweisen tatsächlich seltener auftreten, als manche Eltern meinen.

Und wenn nicht?

Vereinfacht gesagt ist es erst einmal wichtig, das unerwünschte Verhalten konkret zu benennen, das sich ändern soll. Also nicht etwa zu sagen "Alexander, kannst du dich bitte besser benehmen!", sondern "Alexander, hör bitte auf, deinen Bruder zu kneifen!". Dabei ist es wichtig, sich im Wortsinne auf Augenhöhe zum Kind zu begeben und ihm dies nicht einfach aus der Küche zuzurufen. Ein weiterer Fehler: Eltern geben eine Anweisung, warten aber nicht ab, was dann geschieht, sondern wenden sich wieder anderen Dingen zu.

Diese Ratschläge klingen etwas banal.

Es wird aber ganz oft falsch gemacht. Bei der Kommunikation auf Augenhöhe hingegen merken Eltern vielfach zum ersten Mal, dass ihre Botschaft tatsächlich ankommt. Verhält sich das Kind dann wie erwünscht, sollte es gelobt werden. Auch das ist nicht trivial - nur wenige können gut loben.

Was ist der Unterschied zwischen gut loben und schlecht loben?

Dass man nicht allgemein und überschwänglich lobt, weil sich das schnell abnutzt, sondern immer nur situationsbezogen. Also nicht zu sagen "Heute verhältst du dich viel besser als sonst", sondern "Es freut mich, dass du deinem Bruder heute nicht das Spielzeug weggenommen hast". Aber Sie müssen natürlich selbst davon überzeugt sein, dass ein Verhalten lobenswert war. Zudem sollten Eltern darüber nachdenken, Familienregeln aufzustellen.

Lässt sich Zusammenleben so wirklich sinnvoll organisieren?

Es geht nicht darum, alles zu reglementieren. Sondern um drei oder vier Regeln für jene Dinge, die einem wirklich wichtig sind, die leicht zu befolgen sind und die sich ein Kind merken kann. Diese Regeln sollten für Kinder wie Eltern gelten, und die Kleinen sollten in die Entscheidung über das Aufstellen der Regeln mit einbezogen werden.

Wie können solche Regeln lauten?

Sie sollten auf jeden Fall positiv formuliert sein, also nicht beschreiben, was man nicht tun soll, sondern was man tun soll. Also statt "Wir schreien uns nicht an" oder "Nicht in der Wohnung rennen" besser "Wir sprechen mit ruhiger Stimme" und "Wir gehen in der Wohnung". So weiß jeder, woran er ist. Schwierig ist für Kinder immer das nicht Einschätzbare, wenn Eltern mal dies und mal jenes von ihren Kindern abfordern. Das verunsichert massiv.

Und wenn Kinder sich dann dennoch nicht so verhalten wie besprochen?

Entscheidend sind dann logische Konsequenzen. Also nicht nur zu reden und womöglich das Gesagte auch noch ständig mit drohendem Unterton zu wiederholen, sondern: zu handeln. Etwa anzukündigen, dass man den Geschwistern das Puzzle wegnimmt, wenn sie weiterhin ständig beim Spielen streiten. Und dies nach ein paar Sekunden Wartezeit dann auch zu tun.

Das gesamte Interview lesen Sie in der neuen Ausgabe von GEO WISSEN "Wie Erziehung gelingt".

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GEO WISSEN Nr. 54 - 11/14 - Wie Erziehung gelingt

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