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Rheumatoide Arthritis Diese Therapien helfen wirklich

Tai Chi
Damit sich rheumatische Leiden nicht verschlimmern, ist gelenkschonende Bewegung wichtig: etwa Nordic Walking, Schwimmen oder eine sanfte Sportart wie Tai-Chi
© Tamara Kulikova/Alamy
Schmerzen, Schwellungen, steife Glieder: Millionen Menschen leiden an rheumatischen Beschwerden ihrer Hände und Füße. Der Mediziner Professor Stefan Rehart erklärt, welche Therapien am wirksamsten sind und welche Rolle der Lebensstil spielt

GEO WISSEN: Herr Professor Rehart, rheumatoide Arthritis beginnt häufig in den Gelenken der Hände oder Füße. Wie macht sich das bemerkbar?

Prof. Dr. Stefan Rehart: Typisch für rheumatoide Arthritis ist ein Steifegefühl über mehr als sechs Wochen morgens in den kleinen Finger- oder Zehengelenken. Zeitgleich treten Rötungen und Schwellungen auf, die mindestens eine Stunde bestehen bleiben. Kommen noch Müdigkeit und Abgeschlagenheit hinzu, besteht starker Verdacht auf rheumatoide Arthritis.

Was genau ist die rheumatoide Arthritis für ein Leiden?

Es handelt sich um eine chronische Erkrankung, bei der das eigene Immunsystem nach und nach viele Gewebe des Körpers angreift. Anfangs wandern fehlgesteuerte Immunzellen in die Gelenke und produzieren dort entzündungsfördernde Stoffe. Es kommt zu Schmerzen und Überwärmung, häufig in Händen und Füßen.

Im Verlauf greift die Erkrankung auch auf Muskeln und Sehnen über, schließlich sogar auf Herz, Augen, Lunge und Nieren. Daher gilt: Schon die ersten Alarmsignale sind ernst zu nehmen.

Ist bei einem solchen Generalangriff auf den Körper – anders als bei einer Arthrose – eine Heilung möglich?

Ja, aber nur, wenn bei den allerersten Anzeichen die Diagnose gestellt wird und sofort konsequent therapeutisch eingegriffen wird – auch, um die Erkrankung quasi zu stoppen oder zumindest ihren Verlauf hinauszuzögern.

Das heißt, möglichst rasch zum Arzt?

Auf jeden Fall. Männer bagatellisieren ja oft, vor allem wenn anfangs der Leidensdruck noch nicht hoch ist. Allerdings sind von der rheumatoiden Arthritis Frauen viel häufiger betroffen.

Zu welchem Arzt gehe ich zunächst?

Zum Orthopäden. Der kann erst einmal am besten beurteilen, wie es weitergeht. Denn nicht jeder Schmerz in Finger- oder Fußgelenken geht auf rheumatoide Arthritis zurück – es kann sich auch um eine Arthrose oder eine Infektion handeln, um eine eventuell unbemerkte Verletzung oder auch Gicht.

Besteht der dringende Verdacht auf rheumatoide Arthritis, wird der Orthopäde Sie zu einem internistischen oder orthopädischen Rheumatologen überweisen.

Wie kann ein guter Rheumatologe helfen?

Es gibt eine sehr wirksame Basismedikation mit antientzündlichen Präparaten. Mitunter müssen Medikamente anfangs auch gewechselt werden, bis eines oder eine Kombination aus mehreren optimal wirkt – also die Gelenkentzündung weitestgehend gestoppt wird.

Reicht es, wenn ich als Patient dann regelmäßig meine Mittel nehme?

Nein, jede medikamentöse Therapie sollte von weiteren Maßnahmen begleitet werden, etwa Krankengymnastik oder Ergotherapie. All das kann helfen, die Gelenkentzündung in Schach zu halten, um ein Fortschreiten zu verhindern. Manchmal versucht der Arzt auch, lokale Entzündungen mit Kortisonspritzen zu lindern, die in die Gelenke gegeben werden.

Was kann ich darüber hinaus als Patient tun, damit sich das Leiden nicht verschlimmert?

Am wichtigsten ist eine gesunde Ernährung, damit nicht noch Gicht oder Osteoporose hinzukommen, die die Gelenke zusätzlich belasten. Also viel Gemüse essen und wenig rotes Fleisch. Vor allem jedoch ist Bewegung wichtig. Aber bitte keine Kontaktsportarten wie Fußball oder Handball, kein Joggen, keine Sprungsportarten.

Nordic Walking ist ratsam, ebenso Schwimmen, Radfahren auf dem Hometrainer und auch Tanzen, weil das gerade jenen Patienten guttut, die sich müde und abgeschlagen fühlen.

Ist es bei der Erkrankung wichtig, die Hände und Füße warm zu halten?

Viele Betroffene erzählen, dass ihnen das guttut, aber auf den Verlauf der Erkrankung hat das keinen Einfluss.

Was ist der größte Fehler, den ein Patient machen kann?

Zu rauchen! Wir wissen, dass es in der Lunge Rezeptoren gibt, die dafür sorgen, dass rheumatoide Arthritis bei Rauchern früher ausbricht, zudem schwerer verläuft und medikamentös viel schwieriger zu behandeln ist. Wenn Sie als Patient nicht rauchen, die erforderlichen Medikamente nehmen, sich vernünftig ernähren und sich viel bewegen, können Sie den Verlauf der rheumatoiden Arthritis über Jahrzehnte positiv beeinflussen.

Lassen sich Gelenkschäden operieren?

Das machen Orthopäden dann, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Dabei wird beispielsweise die Gelenkschleimhaut entfernt, denn das ist der Ort, an dem sich die Entzündungen manifestieren. Einige Wochen nach der Entfernung injiziert der Arzt zudem eine Substanz, die Schleimhautreste zusätzlich verödet.

Gibt es noch weitere Möglichkeiten der Behandlung?

Ja, beispielsweise die Gelenkversteifung. Dabei entfernt der Arzt den Knorpel samt Schleimhaut und fixiert die angrenzenden Knochen, damit sie zusammenwachsen. Das hört sich schrecklich an, und das betroffene Gelenk ist danach nicht mehr beweglich, dafür aber schmerzfrei und stabil.

Mit einem versteiften Handgelenk können Sie etwa ohne Weiteres einen Kasten Bier tragen. Zudem gibt es Prothesen, auch für Finger-, Zehen-, Hand-, Ellenbogen- und Sprunggelenke.

Hat es in den letzten Jahren therapeutische Fortschritte gegeben?

Vor 20 Jahren musste fast jeder Betroffene irgendwann damit rechnen, dass eine Operation nötig ist. Heute gehen wir davon aus, dass nur noch etwa jeder Dritte operiert werden muss.

Woran liegt das?

Vor 15 Jahren sind neue Medikamente auf den Markt gekommen, die aus der Krebstherapie stammen und in ganz geringer Dosis eingesetzt werden. Sie hemmen sehr wirksam den Stoffwechsel und dämpfen die Entzündungsreaktion. Zum Glück benötigt nicht jeder Patient diese Mittel, denn manche kosten 25 000 Euro im Jahr. Wenn die Behandlung früh einsetzt, wirken auch die herkömmlichen Basismedikamente sehr gut.

Spielt eine genetische Vorbelastung bei der rheumatoiden Arthrose eine Rolle?

Ja. Wenn schon Vater und Mutter betroffen waren, ist das Risiko für deren Kinder erhöht. Aber niemand vermag zu sagen, wann oder ob überhaupt die Erkrankung ausbricht. Vorbeugend kann – über die genannten Dinge hinaus – nichts getan werden. Umso wichtiger ist es, sich genau zu beobachten und bei ersten Anzeichen einen rheumatologisch versierten Arzt aufzusuchen

Eltern sollten ihre Kinder unbedingt im Blick behalten, denn es gibt drei sogenannte "Krankheitsgipfel": bei Frauen zwischen 40 und 50 Jahren, bei älteren Menschen über 65 sowie bei kleinen Kindern im Alter zwischen fünf und sechs Jahren.

Bei so einer Systemerkrankung des gesamten Körpers könnte man ja geneigt sein, sich ganzheitlich behandeln zu lassen. Ist das sinnvoll?

Es gibt Menschen, bei denen führt der Glaube daran, dass Medikamente Teufelszeug sind, dazu, sich ausschließlich in die Hände von Heilpraktikern zu begeben. Sie klammern sich an jeden Strohhalm, versuchen irgendwas mit Infrarottherapie, Handauflegen oder Reiki. Das ist Unfug.

Bei rheumatoider Arthritis benötigt man die Schulmedizin, das besagt nun wirklich jede Studie. Für sein persönliches Wohlbefinden kann man sicher auch alternative Aspekte zusätzlich in die Behandlung integrieren – doch meist sind sie teuer und nutzen oft nur dem, der sie anbietet.

Weitere Experteninterviews und Artikel zu diesem Thema lesen Sie in GEO WISSEN Gesundheit "Muskeln, Knochen, Gelenke".

GEO WISSEN GESUNDHEIT Nr. 5 - Muskeln, Knochen, Gelenke

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