Seit Jahrtausenden stellen Menschen Käse nach dem gleichen Grundrezept her: Sie nehmen Milch, geben Labferment hinzu (einen Eiweißstoff, der im Magen junger Wiederkäuer gebildet wird), zuweilen auch Milchsäurebakterien, trennen nach einiger Zeit die Molke ab und lassen das Milchprodukt dann über Wochen oder Monate reifen. Auch in den heutigen großtechnischen Anlagen verläuft die Käseproduktion nach diesem Prinzip.
Doch es geht auch einfacher, schneller und vor allem billiger. Das haben Forscher bereits Ende des 19. Jahrhunderts entdeckt, als sie Magermilch mit flüssigem Rindertalg vermischten und so einen kostengünstigen Kunstkäse fabrizierten. In den 1970er Jahren wurde dieser "Analogkäse" auf dem US-Markt eingeführt und erreichte dort zwischenzeitlich einen Marktanteil von rund sieben Prozent (in Europa drei Prozent). Eingesetzt wird Analogkäse zum Beispiel in Fertigprodukten, er dient als Belag von Pizzen und überbackenen Käsestangen, findet sich in der Lasagne und in Cheeseburgern.
Statt aus Milchfett bestehen Käseimitate aus billigen pflanzlichen Ölen und Fetten, etwa Palmöl, und der Eiweißanteil stammt ebenfalls nicht von der Kuh, sondern von Sojabohnen oder Bakterien. So ein Imitat enthält oft keinerlei Milch mehr. Um ihm dennoch den Geschmack und die Konsistenz von Käse zu verleihen, werden Aromastoffe, Geschmacksverstärker, Stärke, Salze und Farbstoffe zugefügt.
Aus diesen Zutaten lässt sich binnen 20 Minuten ein Analogkäse zusammenrühren, während echter Käse wochen- oder monatelang reifen muss. Die billigen Zutaten sowie die schnelle Herstellung reduzieren die Kosten um 30 bis 40 Prozent.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Beitrag "Die Industrie, die uns satt macht" - erschienen in GEO WISSEN Ernährung Nr. 6
Billige Käse-Imitate werden als laktosefreie Alternative für Veganer vermarktet
Jahrelang wiesen die Hersteller die Käufer ihrer Produkte allenfalls versteckt darauf hin, dass sie statt Käse ein synthetisches Ersatzprodukt erwarben. Erst als das Europäische Parlament auf Druck von Verbraucherschützern und Öffentlichkeit schärfere Kennzeichnungsregeln verordnete, hörten die Hersteller auf, die Imitate als "Käse" zu bewerben – und müssen seither neben Produktnamen wie "Sandwich-Scheiben" den verwendeten Ersatzstoff aufführen, etwa: "Lebensmittelzubereitung aus Pflanzenfett".
Verkauft wird der Analogkäse aber weiterhin. In großen Supermarktketten sind Produkte mit Käseersatz zwar nicht mehr verbreitet. Doch in der Gastronomie, etwa in Imbissen, werden sie weiterhin eingesetzt – und sind für den Verbraucher nicht leicht zu erkennen. Und die wachsende Zahl von Veganern hat den Herstellern sogar einen neuen Markt erschlossen: Seit einigen Jahren werden Käseimitate erfolgreich als pflanzliche und laktosefreie Käse-Alternative für Veganer vermarktet.
Vanillejoghurt enthält meist wenig echte Vanille
Auch bei anderen Lebensmitteln ersetzen die Produzenten wertvolle Bestandteile durch billige Zutaten: Imitate von Schinken etwa enthalten oft nur 50 bis 65 Prozent Fleisch – und zwar in Form von Schnipseln, die mithilfe von Binde-, Gelier- und Verdickungsmitteln zu einer kompakten Masse verklebt worden sind.
Sogenannte „Surimi-Garnelen“ werden vor allem aus dem Muskelfleisch nicht vermarktbarer Fische sowie aus Geschmacksverstärkern, Hühnereiweiß, Aroma- und Farbstoffen zusammengepresst. Kalbsleberwurst kann mehr billiges Schweinefleisch als Anteile vom Kalb enthalten, ebenso manche Geflügelwurst. Und bestimmte geschmacksfreie Joghurts
werden allein mithilfe von Aromastoffen sowie Rückständen aus der Obstsaftproduktion – oder gar mit Algen – zum Fruchtjoghurt veredelt.
Die Palette der Aromastoffe ist fast unüberschaubar. Mit ihrer Hilfe sparen die Hersteller teure Zutaten ein und verleihen ihren Speisen dennoch Geschmack. Hühnersuppe etwa kann praktisch frei von Fleisch sein, in Vanillejoghurts sucht man echte Vanille meist vergebens, und „Erdbeergeschmack“ ist häufig nichts anderes als ein industriell hergestelltes Aroma.
Bei den Aromastoffen unterscheidet man zwei Gruppen: zum einen jene Substanzen, die aus Naturprodukten gewonnen werden. Dies muss jedoch nicht bedeuten, dass sie aus jenem Lebensmittel stammen, nach dem sie schmecken: So kann Ananas-Aroma aus Buchweizen extrahiert werden – und wäre dennoch ein „natürlicher“ Aromastoff.
Zum anderen nutzt die Industrie naturidentische Stoffe (mit der gleichen chemischen Struktur wie das natürliche Vorbild, aber synthetisch hergestellt) sowie künstliche Aromen (die es in der Natur nicht gibt – wie Ethylvanillin, das intensiver riecht als der Inhaltsstoff der Vanilleschoten). Diese Substanzen werden schlicht als „Aromastoffe“ deklariert.
Mit all diesen Substanzen wird Konsumenten suggeriert, Lebensmittel enthielten natürliche Bestandteile, obwohl dies nicht der Fall ist. Um das zu erkennen, muss man sich von den schönen Bildern auf den Verpackungen lösen und stattdessen sehr genau auf die Zutatenliste schauen. Wer ganz sichergehen will, sollte auf möglichst unverarbeitete Lebensmittel setzen – also am besten frisches Obst und Gemüse sowie Fleisch oder Fisch kaufen.